Teil- statt Panorthodoxes Konzil

Scheitern auf der Zielgeraden?
Es sollte ein Jahrhundertereignis werden. Seit 1200 Jahren hat es das nicht mehr gegben. Seit über 50 Jahren wird es vorbereitet. Nun ist es kurz vor dem Start ins Stolpern geraten. Die Rede ist von dem Panorthodoxen Konzil, das zum orthodoxen Pfingstfest ab 19. 06. 2016 auf Kreta stattfinden soll(te).

Vorbereitungen

Noch im Januar sah alles gut aus. Die Vorsteher nahezu aller Orthoxoxen Kirchen waren zu einer Synaxis zusammengekommen, hatten sich auf den Termin für das Konzil geeinigt und die zur Beratung anstehenden Themen und Dokumente beschlossen. Eine Besonderheit orthodoxer Konzilien besteht darin, dass alle Entscheidungen einmütig gefällt werden müssen. Entsprechend viel hängt an der Vorbereitung. Strittige Themen, bei denen keine Klärung zu erwarten ist, kommen darum gar nicht erst auf die Tagesordnung. Die Konzilstexte wurden vorab veröffentlicht, so dass eine offene Befassung und Diskussion in den Heimatkirchen möglich war. Jede der 14 Autokephalen Kirchen tritt mit einer gemeinsamen Stimme auf - egal wieviele Bischöfe mit angereist sind und egal was es für interne Meinungsdifferenzen geben sollte.

Hindernisse

Je dichter das Konzil rückte, desto mehr bekamen einige der orthodoxen Kirchenführer offenbar Sorgen, dass sie ihre Position in den Debatten des Konzils nicht ausreichend zur Geltung bringen könnten. Wenn das Konzil mit panorthodoxer Autorität erst einmal beschlossen hätte, wäre dieser Status quo auf lange Zeit festgeschrieben und es gäbe daran nichts mehr zu rütteln. Die Lösung? Man sagt einfach die eigene Teilnahme am Konzil ab. Dann ist es kein Pan-Orthodoxes Konzil mehr - insbesondere, wenn sich noch weitere Kirchen auf diese Strategie verlegen. Dann ist es auch nicht so entscheidend, was dort beschlossen werden sollte, denn die Unvollständigkeit schmälert seine Autorität erheblich.

Drei Tage vor Anreise der ersten Gäste hat auch die Russisch-Orthodoxe Kirche auf diese Linie eingeschwenkt und - unter Verweis auf die anderen bereits fehlenden Kirchen (Bulgarien, Serbien und Georgien sowie das Patriarchat von Antiochia) - ihre Teilnahme abgesagt. Dahinter wird ein Machtkampf um die Frage sichtbar, wer in der Orthodoxie wieviel zu sagen hat.

Traditionell hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel den Ehrenvorsitz und damit einen gewissen Vorrang inne. Allerdings hat er durch die politische Situation in der Türkei nahezu keine administrative Macht. Er hat das Konzil maßgeblich betrieben und seine Autorität würde von einem gelingenden Konzil am meisten profitieren. Die Russisch-Orthodoxe Kirche hingegen ist nominell weiter hinten aufgestellt, faktisch aber mit den meisten Mitgliedern und einem aufstrebenden Staat verknüpft eine sehr einflussreiche Kraft. Ihre Stellung wäre bei einem Scheitern des Konzils nicht angegriffen.

Das Konzil, das die Einheit der orthodoxen Kirchen demonstrieren sollte, offenbart ihre innere Zerrissenheit.

Harald Lamprecht

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 1/2016 ab Seite 21