Streit um Leipzigs neue Minarette

Moscheebauprojekt der Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde

In Leipzig schlagen die Wellen der Aufregung hoch. Seit öffentlich bekannt geworden ist, dass die Gemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat dort eine Moschee neu bauen will, gibt es heftige Auseinandersetzungen zwischen Unterstützern und Gegnern dieses Moscheebauprojektes. Immerhin wird dies die der erste Neubau einer islamischen Gebetsstätte in Sachsen und zudem das einzige islamische Gebäude, das mit Kuppel und zwei Zierminaretten auch äußerlich als solches zu erkennen sein wird.

In Sachsen leben derzeit ca. 200 Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde, davon 80 in Leipzig. Bislang treffen sie sich in einer Privatwohung, die welche Gemeindearbeit aber auf Dauer nicht fassen kann. Geplant ist kein riesiges Gebäude, sondern eine vergleichsweise kleine Moschee für etwa 100 Personen und einer Grundfläche von 10 x 17 Metern.

Diffuse Ängste

Gegen das Bauprojekt formierte sich vorwiegend im Internet organisierter Protest. Eine „Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein“ wurde am 16./17. Oktober 2013 gegründet - laut Leipziger Internet-Zeitung unter Beteiligung von Neonazis.1 Die Betreiber der zugehörigen Facebook-Seite wollen anonym bleiben. Umso heftiger fällt dafür die Polemik auf der Facebookseite aus. Die dort zu lesenden Argumente betreffen in der Mehrzahl nicht konkrete Anwohnerfragen, sondern sind prinzipieller Natur. In ihnen artikuliert sich eine allgemeine Islamangst, die jeden Moscheebau als Ausweitung eines islamischen Herrschaftsbereiches versteht. Es wird auf die „abendländische Kultur“ Bezug genommen, in die „der Islam“ eben nicht passe, es werden – ganz analog zu anderen antiislamischen Hetzportalen im Internet – diverse Negativberichte über Muslime aus aller Welt verbreitet und Angst vor „Missionierung“ geäußert.

Bisheriger Höhepunkt der gegnerischen Aktionen bildete ein Angriff auf den Bauplatz, bei dem mehrere Schweineköpfe auf Pfählen aufgespießt und das Gelände mit Scheineblut bespritzt wurde.

Unterstützer

Auf der anderen Seite haben eine große Zahl von Leipziger Bürgern, Prominenten und Politikern Unterstützung für das Bauprojekt signalisiert, das einer traditionell weltoffenen Stadt wie Leipzig gut zu Gesicht stünde. In Reaktion auf den Schweineblut-Anschlag verfassten Studierende der Theologischen Fakultät einen Offenen Brief zur Unterstützung der Ahmadiyya-Gemeinde.

Baurechtlich betrachtet ist der Moscheebau nicht einmal eine Frage der Religionsfreiheit, sondern seine Rechtmäßigkeit ergibt sich aus dem Baurecht.

Religionsfreiheit

Für die öffentliche Diskussion ist es aber von Bedeutung, dass ein Moscheebau in angemessener Größe für hier lebende Muslime selbstverständlich sein sollte. Das ist unmittelbarer Ausdruck der Religionsfreiheit. In der Diskussion wird immer wieder das Argument vorgebracht, in manchen islamischen Ländern dürften doch auch keine Kirchen gebaut werden. Diesen Zustand beklagen wir doch aber als ein Unrecht! Ein Unrecht, das anderswo geschieht, gibt uns doch nicht die Rechtfertigung, selbst dieses Unrecht auch zu begehen. Wie sollen wir glaubhaft die Einhaltung der Religionsfreiheit einfordern, wenn wir sie selbst nicht gewähren?

Ahmadiyya und Muslime

In der bisherigen Diskussion nur wenig thematisiert wurde die besondere Stellung der Ahmadiyya-Gemeinschaft im Verhältnis zum Islam. In ihren Herkunfsländern, insbesondere in Pakistan, sind die Ahmadiyyas heftigen Verfolgungen ausgesetzt. Vom sunnitischen wie vom schiitischen Islam unterscheiden sich die Ahmadiyyas darin, dass sie die göttliche Offenbarung nicht für durch Mohammed abgeschlossen halten, sondern davon ausgehen, dass fortgesetzte Offenbarungen erfolgen.

Religiös ist dies in etwa damit vergleichbar, wie die Mormonen außerhalb des übrigen Christentums stehen, weil sie ebenfalls meinen, über neuere göttliche Offenbarungen zu verfügen, die von den übrigen Christen nicht anerkannt werden. So haben auch viele Muslime eine theologisch begründete kritische Distanz zur Ahmadiyya-Gemeinschaft und wollen sie in manchen Fällen nicht einmal als zum Islam gehörig ansehen. Ein guter Kontakt zu Ahmadiayyas ist darum nicht zwangsläufig auch ein Türöffner für den sonstigen christlich-muslimischen Dialog. Diese Sonderstellung bewirkt allerdings auch, dass die Ahmadiyyas wirklich nicht für die Propaganda salafitischer Islamistischer Gruppen in Gruppenhaftung genommen werden dürfen. Im Vergleich zu sunnitischen oder schiitischen Muslimen sind Ahmadiyyas allerdings in der Tat sehr missionarisch aktiv. Nur kann dies kein Grund sein, ihnen ein Gebäude zu verweigern. Auch Mission gehört zur Religionsfreiheit. Wer sich davor fürchtet, ist sich offenbar seines eigenen Glaubens nicht mehr ausreichend gewiss.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/index.php/artikel/313

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2013 ab Seite 14