Benno predigt den Sorben
Benno von Meißen verkündet den Sorben das Evangelium. Barockes Gemälde in der Hofkirche Dresden

Benno von Meißen

Leben, Legenden des sächsischen Heiligen und die ökumenische Bedeutung

Am 16. Juni 2006 jährt sich zum 900. Male der vermutliche Todestag Bennos, des bekanntesten Bischofs der sächsischen Gegend im Mittelalter. Das römisch-katholische Bistum Dresden-Meißen wird ihn feierlich begehen. Welche Stellung sollten evangelische Christen dazu einnehmen? Wenn auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche nicht in der unmittelbaren Nachfolge des mittelalterlichen Bistums gesehen werden kann, so ist sie doch territorial und im Blick auf die sächsische Christenheit in die Verantwortung eingetreten, hat das geistliche Leben in den Gemeinden fortgesetzt, den Bestand des Areals und der Bebauung übernommen und hat sich vor allem nicht losgesagt vom Glauben an den Herrn der Kirche. Ihrer Vorgeschichte kann sie sich nicht entziehen.

 

Luther gegen den Benno-Kult

Martin Luther hat sich in einer seiner heftigen Satiren zum Thema Benno geäußert, und zwar anlässlich der Kanonisation, die 1524 erfolgte: „Wider den Abgott, der zu Meißen soll erhoben werden.“ Allerdings setzt sich Luther weniger mit der historischen Gestalt Bennos auseinander. Den wolle er nicht verurteilen. Er stehe vor seinem himmlischen Richter. Luther richtet seinen Zorn vielmehr gegen das „Narrenspiel zu Meißen“ und dessen gegen die Reformation gerichtete Tendenz. Diese Lutherschrift hat nicht den Charakter eines Bekenntnisses. Sie mag einen Beitrag zur Orientierung darstellen. Entscheidend ist sie für uns jedoch weniger, wenn wir an Benno selbst und seine Zeit denken.

Die sächsische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts ist kritisch mit den Inhabern der kirchlichen Macht im Bistum Meißen umgegangen, auch mit Bischof Benno. Dem römischen Katholizismus begegnete man vor allem im Kulturkampf mit erheblicher Voreingenommenheit. Die Kritik am Ultramontanismus beeinflusste den Blick auf das katholische Mittelalter. Diese negative Wertung bedarf der Revision. Der Jahrestag ist Anlass, sich dieses Bischofs neu zu erinnern.

 

1. Das Leben Bennos

Unter den rund 40 Meißener Bischöfen ragt Benno durch außergewöhnlich hohes Alter und lange Dauer seines Amtes hervor. Leider sind die zeitgenössischen Quellen zu seinem Leben spärlich. Wichtig sind vor allem Annalen Lamberts von Hersfeld.

Kanonikus in Goslar

König Heinrich IV. (als noch Unmündiger durch seine Mutter Agnes vertreten) schenkt im Jahre 1062 einer kirchlichen Stiftung nahe bei Goslar ein Gut, welches zuvor zwei Brüdern gehört hatte. Von denen wird einer als ein Graf bezeichnet, der andere als ein königlicher Kaplan, Benno genannt. Dieser wohnte der Schenkung persönlich bei. Da Lambert später den Meißner Bischof ausdrücklich als Goslarer Kanoniker bezeichnet, kann man zweifellos annehmen, dieser sei mit dem in der Schenkung genannten Benno identisch. Folglich stammte Benno aus einer gräflichen Familie, die vermutlich Woldenberg oder Bultenburg hieß und in der Nähe Goslars ansässig war. Weshalb er die klerikale Laufbahn antrat - möglicherweise war er ein zweitgeborener Sohn -, wo er seine Ausbildung erfahren und ob er vor seiner Kaplanstätigkeit andere Aufgaben erfüllt hat, ist unbekannt.

Goslar war zur Zeit des Kaiser Heinrichs III. eine bevorzugte freie Reichsstadt; der Goslarer Dom war 1050 vollendet und mit einem Domstift versehen worden, zu welchem herausragende Personen gehörten. Zwölf von ihnen sind nach und nach auf deutsche Bischofsstühle gelangt. Zu ihnen gehörte auch Benno, ohne dass von ihm irgend etwas über besondere Verdienste, besondere Fähigkeiten oder Aktionen überliefert wäre. Lediglich eine Nachricht besagt, er habe den Titel Magister geführt, wonach er als Lehrkraft an einer Domschule tätig gewesen sein könnte. Dass Goslar ihm die Gelegenheit bot, bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit zu begegnen, Königen und Kaisern, Reichsfürsten und päpstlichen Gesandten, und dass er Einblicke in das Wirken der widersprüchlichen Kräfte der Politik gewinnen konnte, ist unzweifelhaft.

Die Berufung

Im Jahre 1066 starb der Meißner Bischof Reiner. Zu seinem Nachfolger wurde der Goslarer Dompropst Krafto erwählt. Bereits als Bischof geweiht starb er jedoch, noch ehe er in Meißen eintraf.

Heinrich IV., der seit 1066 die Regierungsgeschäfte selbst ausübte, berief daraufhin den Hofkaplan Benno nach Meißen. Dazu angeregt wurde er offensichtlich durch seinen Reichskanzler Anno von Köln, der in vorausgegangenen Jahren ebenfalls einmal Propst in Goslar gewesen war und Benno wohl persönlich kannte. Benno, dessen genaues Geburtsdatum unbekannt geblieben ist, dürfte in der Mitte der fünfziger Jahre seines Lebens gestanden haben. Die Wahl war auf ihn gefallen, weil sich Anno und natürlich auch der König in seiner Person eine zuverlässige Stütze der Macht erhofften. Als Reichsfürst ebenso wie als Bischof leistete Benno selbstverständlich sowohl dem König als dem Papst - das war zu der Zeit Alexander II. - den Treueid. Solange dieser lebte, konnte Benno seinen Sprengel sorgsam und friedlich verwalten.

40 Jahre im Amt

Wir werden die Streitigkeiten gesondert behandeln, in die Benno danach geriet. Erst nach dem Tode Gregors VII. im Jahre 1085 und weiteren drei Jahren, in welchen ein mühevoller und leicht zerbrechlicher Friede zwischen Kaiser und päpstlichem Anspruch gezimmert werden konnte, kehrte für Benno wieder eine friedlichere Zeit in seinem Leben und Wirken als Bischof von Meißen ein. Es gelang ihm in dieser letzten Periode seines Lebens, beträchtliche Erwerbungen bzw. Schenkungen für das Bistum zu erlangen, wozu er allerdings weite Reisen zu unternehmen hatte. Eine entsprechende Urkunde ist 1090 in Speyer ausgestellt, eine weitere 1095 sogar in Verona, wo er persönlich - als Greis von über achtzig Jahren - anwesend zu sein hatte.

Aus seinem letzten Jahrzehnt ist nichts mehr überliefert. Eine Resignation, also einen Übergang in den förmlichen Ruhestand hat es nicht gegeben. Über 90jährig endete sein Leben. Sein Nachfolger wurde Bischof Herwig, der das Amt spätestens 1107 angetrat. Er wurde von Erzbischof Heinrich von Magdeburg geweiht, der wie urkundlich belegt, in diesem Jahre starb. Das genaue Todesdatum Bennos ist unbekannt, aber schon im Mittelalter als der 16. Juni 1106 angenommen worden. 40 Jahre lang hat er das Bistum geleitet, so lange wie keiner seiner Vorgänger und Nachfolger. Beigesetzt wurde Bennos Leichnam innerhalb des damaligen Domes von Meißen, wie es ihm als Bischof zugekam. Den genauen Platz seines Grabes hat man wohl bald vergessen, denn hervorgehoben oder besonders ausgestaltet ist es kaum gewesen. Auch von einer Grabplatte Bennos weiß man nichts.

2. Der Streit

Heinrich IV., 1050 geboren, war 1065 zum deutschen König gekrönt worden (die kaiserliche Würde erlangte er erst 1084). Benno wurde vom König begünstigt, der mehrfach im Streit um Grundbesitz zwischen dem Markgrafen und dem Bischof zugunsten des Bistums entschied, wie es unter anderem 1068 zwei Güter in Löbtau (jetzt Dresden) betraf. 1073 änderte sich die friedliche Situation grundlegend.

Aufstand und Gefangennahme

Einige sächsische Grafen, unter ihnen der Meißner Markgraf Ekbert II., ferner auch der Erzbischof Werner von Magdeburg sowie die Bischöfe von Merseburg und Halberstadt wagten es, dem König Heinrich IV. entgegen zu treten. Ob Gregor VII., der zur gleichen Zeit den päpstlichen Stuhl einnahm, seine Hand im Spiele hatte? Benno beteiligte sich an dem Aufruhr nicht aktiv, er war nach dem Bericht des obengenannten Annalenverfassers Lambert von Hersfelde hierfür zu arm (an militärischer Macht) und infolgedessen für beide Parteien unbedeutend. Noch besaß er die Gunst des Königs. 1074 wird sogar eine Schenkung im Bereich des Burgwarts Zadel genannt. Doch als Heinrich 1075 eine Strafexpedition unternimmt, verdächtigt er auch Benno des Verrates, nimmt ihn in Haft und lässt ihn vermutlich in Mainz festhalten. In Meißen wird inzwischen ein gewisser Felix als Gegenbischof eingesetzt, allerdings offensichtlich nicht von Rom bestätigt. Felix war ein Günstling des böhmischen Markgrafen Wratislaw, der auf der Seite Heinrichs IV. stand. Aus Mainz beim Ausbruch einer schlimmen Feuersbrunst heimlich entkommen oder freigelassen kehrt Benno in sein Bistum zurück. Welche Aufgabe er nun wahrnahm, ist nicht deutlich zu erkennen. Konnte er an Felix’ Seite die bischöflichen Amtspflichten praktisch nicht ausüben, so gehörte er doch dem Meißner Klerus weiterhin an.

Im Investiturstreit

1076 warf Gregor VII. den Kaiser in den Kirchenbann, die deutschen Fürsten wählten Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig. Daran wird Benno beteiligt gewesen sein, denn der Gewählte bestätigt die genannte Schenkung aus dem Bereich Zadel noch einmal. Heinrich allerdings erwiderte die Wahl des Gegenkönigs mit der Einsetzung des Gegenpapstes Clemens (des III.), der freilich später in den päpstlichen Listen nicht mehr aufgeführt wird.

Aus den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und Rudolf von Schwaben, an denen sich etliche Bischöfe beteiligten, hielt sich Benno heraus, und es gibt keine Nachrichten, dass er von der einen oder anderen Seite behelligt worden sei. Allerdings erkannte er Rudolf als deutschen König an. Als Heinrich jedoch Rudolf schließlich besiegte, musste sich ihm auch Benno unterwerfen. Es wird vermutet, er sei ein weiteres Mal in Gefangenschaft geraten. Doch wird sich dies wohl nur um eine Stillhalteverpflichtung gehandelt haben.

Heinrich IV., bekanntlich 1077 in Canossa vom Bann gelöst, stellte sich weiterhin energisch dem Papst entgegen. Bischöfe werden ihrer Ämter enthoben und Weihen für ungültig erklärt. Dennoch kann Benno Hoffnungen hegen, die Bischofswürde in Meißen wieder zu erlangen, nachdem Felix diesen - allerdings gegen den Willen seines Befürworters Wratislaw von Böhmen („lass mir meinen Felix“) - freigemacht hatte.

Wiedereinsetzung in Meißen

Um den Bischofsstuhl wieder einnehmen zu können, pilgert Benno nach Rom und erhält von Clemens, dem nach Gregors Tod 1085 alleinigen, rechtmäßigen Papst, außer der Absolution wegen seiner Sympathie mit den aufständischen Sachsen auch die Wiederanerkennung seiner bischöflichen Würde und darüber hinaus den Auftrag, Heinrich zum Einlenken zu bewegen. Damit stellt sich allerdings der Friede im Bistum noch keineswegs ein. Selbst nach dem Tode Gregors VII. dauert es noch drei Jahre, ehe dieser sich so wie in verschiedenen anderen deutschen Bistümern auch in Meißen durchsetzt.

Der gegen Heinrich IV. intrigierende Markgraf Ekbert II. starb 1088, und im folgenden Jahr übertrug der Kaiser dem Eilenburger Heinrich die Markgrafschaft, womit für das Haus Wettin die über 800jährige Herrschaft in Sachsen beginnt.

Wankelmut oder Pflichterfüllung?

Benno ist kritisiert worden, er habe im Streit des Kaisers Heinrich gegen den Papst Gregor mehrfach die Partei gewechselt, er habe die Treue verleugnet und sich je nach Situation auf die eine oder die andere Seite geschlagen. Um ihm gerecht zu werden, wird man auf derartige Vorwürfe verzichten müssen. Offensichtlich war er zwar persönlich dem Kaiser zugeneigt und für zahlreiche Freundlichkeiten auch verbunden. Seine bischöflichen Verpflichtungen in dem sorbischen, wenig christianisierten, großenteils noch heidnischen, für die deutsche Sprache ziemlich fremden Gebiet mögen für ihn Vorrang gehabt haben. Auch gehörte er kirchenrechtlich unter die Oberaufsicht des Erzbischofs Werner von Magdeburg. Ihn darum verhaften zu lassen beruhte für Heinrich IV. vielleicht auf voreiligem Urteil und auf Entgegenkommen gegenüber dem böhmischen Markgrafen, der nicht nur seinem Felix das Bistum zukommen lassen, sondern gleichzeitig seinen Einfluss auf das Gebiet erweitern wollte. Aktivitäten gegen Heinrich von Bennos Seite sind zwar vermutet worden, aber Genaues ist nicht bekannt. Sympathisiert hat er möglicherweise schon mit den Aufständischen, denn der jugendliche König begann seine Herrschaft mit rücksichtsloser Härte. Allerdings hat er Benno bereits nach Jahresfrist wieder in Freiheit gesetzt oder ihn zumindest entkommen lassen. Dessen Romreise ist auch nicht allein als Bekenntnis zur kaiserfeindlichen Seite zu sehen, sondern offensichtlich, um in den Streitigkeiten zu vermitteln. Sonst hätte ihn der kaiserfreundliche Papst Clemens nicht empfangen und auch kaum mit einer solchen Aufgabe nach Deutschland zurückgesandt. Er war übrigens der einzige der deutschen Bischöfe, der diesen Weg ging.

Man wird Benno - schon um seines Alters willen - nicht als einen streitbaren Kämpfer ansehen dürfen, sondern als einen um den Frieden besorgten, nachgiebigen und ausgleichenden Menschen. Wenn sich das gegenseitige Einvernehmen zwischen dem Reich und dem Stuhle Petri nach dem Tode Gregors verbesserte, so ist dies nicht zuletzt auch dem Wirken des Meißner Bischofs zu verdanken.

3. Die Bennolegenden

Es gibt keinen Geistlichen in Sachsen, über den so viele wunderliche Dinge berichtet worden sind, wie Benno von Meißen.

Legenden locken Pilger

Der Bau des heutigen Meißner Domes begann um das Jahr 1250. Bei Schachtarbeiten meinte man, das Grab Bennos gefunden zu haben. Vor allem Bischof Withego I. (1263-93) sah es als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, den Bau zügig voranzubringen und würdigte Benno mit einer Grabanlage. Den Dom im XIII. Jahrhundert zu errichten, war zweifellos eine enorme Herausforderung. Die Arbeit zu finanzieren gelang neben Ablässen nicht zuletzt durch Wallfahrten, zu welchen das Domkapitel aufrief. Zahlreiche Wundererzählungen aus Bennos Leben lockten denn auch die Pilger in Scharen herbei. Withego und seine Mitarbeiter mögen sie gesammelt, vielleicht selbst erfunden oder zumindest bekannte Motive auf Benno übertragen haben - zweifellos nicht ohne Erfolg. Massenweise fanden die Frommen den Weg nach Meißen, um den Ort des Wundertäters aufzusuchen.

Domschlüssel und Wunderfüße

Die bekannteste Legende berichtet, Benno habe, als er nach Rom aufbrach, den Domschlüssel in die Elbe geworfen. Heimgekehrt sei ihm ein Fisch serviert worden, in dessen Magen sich eben dieser Schlüssel wiederfand. Der Domschlüssel ist sein Attribut und noch heute ein Symbol des katholischen Bistums Dresden-Meißen.

Benno wanderte häufig durch seine Diözese, und zwar nicht nur auf gebahnter Straße, sondern gern auch gleich querfeldein. Wohin er nun seinen Fuß setzte, wuchs das Korn in viel reichlicherem Maße. Tatsächlich scheint Benno aus seiner Heimat Erfahrungen der Landwirtschaft in die erst zu seiner Zeit kolonisierte Gegend mitgebracht zu haben, vielleicht ein historischer Kern dieser Wundergeschichte.

Wasserwanderung und Froschkonzert

Man erzählte sich auch, Benno habe von einer seiner Visitationen zurückkehrend den wegen Unwetters eingestellten Fährbetrieb in Meißen nicht mehr benutzen können. Er breitete seinen Mantel über die Fluten und habe trockenen Fußes die Elbe überquert. Den lärmenden Fröschen, die ihn in seiner Meditation störten, gebot er erfolgreich heiliges Schweigen; als er aber auf Psalm 148,7 stieß („lobet den Herr, ihr Walfische und alles in den Wasserstiefen“) bereute er seine Anweisung und nahm sie zurück. Sofort ließen die Frösche ihre Stimme zu Gottes Ehre wieder erschallen. Für durstgepeinigte Hörer einer Predigt unter Sonnenglut im Freien stieß er seinen Bischofsstab in den Boden, und unmittelbar darauf schüttete eine Quelle reichlich frisches Wasser.

Der Heiligsprechungsprozess

Ein weiteres Mal musste die Legende bemüht werden, als Herzog Georg der Bärtige es zu Beginn des XVI. Jahrhunderts nicht ohne schwere Bedenken sah, wie sich unter seinen Vettern in Wittenberg und sogar im eigenen Herzogtum die Reformation ausbreitete. Um ein Gegengewicht für sein albertinisches Sachsen zu finden, unterstützte er mit großem Aufwand den Prozess der Heiligsprechung des legendären Bischofs, die am 31. 5. 1523 erfolgte. Dazu wies er seinen Hoftheologen Hieronymus Emser an, eine ausführliche und mit all dem genannten und inzwischen erweitertem Legendenmaterial (viele Krankenheilungen, etliche Totenauferweckungen usw.) geschmückte Biographie zu schreiben, die 1512 erschien. Er ließ eine Gesandtschaft nach Rom reisen und befahl, im Meißner Dom ein neues, aufwendiges Heiligengrabmal zu errichten. Die Erhebung zur Ehre der Altäre nun auch in Sachsen wurde zwar sehr nachträglich, aber mit großem Pomp vorbereitet. Was man allerdings schließlich in der seit Withego verehrten Bennograbstätte an Reliquien fand, waren Knochenreste einer viel zu kleinen, offensichtlich jungen Person, jedoch niemals die eines Erwachsenen, gar eines vom Alter gekennzeichneten Mannes. Man hatte vermutlich das Grab eines Chorschülers geöffnet. Nachdem Papst Leo XIII. bereits 1523 die Erhebung Bennos in den Rang eines Heiligen promulgiert hatte, fand die solenne Verehrung am 16. Juni 1524 statt. Es soll während der Feierlichkeit zu einem entsetzlichen Gewitter über Meißen gekommen sein, woraus nun wiederum auf lutherischer Seite die Legende entstand, der Blitz habe sogar in den Turm (den Dom schmückte derzeit nur einer) eingeschlagen.

Reliquienwanderung

Mit der Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen verschwand das aufwendige Grabmal. Das Domkapitel ließ die vermeintlichen Reliquien erst nach Stolpen, dann nach Wurzen und schließlich nach Bautzen bringen. Dort verblieben sie zunächst weitere rund 20 Jahre. 1576 verkaufte man sie nach München. Benno - oder was man von ihm zu besitzen meinte - erhielt eine neue Grablege in der dortigen Frauenkirche und wurde zum Patron Bayerns.

Bennorenaissance in Sachsen

Die Erinnerung an Benno, seine Lebensgeschichte und vor allem seine Legende blieb auch in den katholischen Bereichen der sächsischen Lausitz lebendig. Als sich seit dem Übertritt Augusts des Starken zum Katholizismus und seit dem Einwandern katholischer Gemeindeglieder in die sächsischen Industriegebiete und seit der Bildung entsprechender Gemeinden katholische Frömmigkeit erneut entwickelte, erlangte die Gestalt dieses Heiligen größere Bedeutung. Bennovereine traten in Erscheinung, ein erstes Bennogymnasium entstand in Dresden, fromme Stiftungen, Gebäude, Straßen und Einrichtungen wurden nach ihm genannt. Natürlich ließ sich auch die Legenden wieder in Umlauf setzen und Bennos Gestalt volkstümlich, ja beliebt werden. Er diente als Identitätsfigur des sich im 20. Jahrhundert nun wieder strukturierenden katholischen Bistums, das nach einer langen, beeinträchtigten Existenz als Administratur erst seit 1921 erneut zu einer selbständigen Diözese erhoben worden ist. Nun gilt Benno auch für das katholische Sachsen als der Patron und Landesheiliger.

4. Würdigung

Nach evangelischer Überzeugung ist das Leben einer Person wie die Bennos, sein Verhalten, seine Wirksamkeit und seine Friedensgesinnung beachtenswert. Zunächst wie ein Ersatzmann anstatt des eigentlich für Meißen auserwählten Krafto eingeschoben, war er bereits in einem Alter, in welchem manch Anderer schon an das Ende seiner Lebensarbeitszeit denkt. Sein Lebenswerk in diesen vier teilweise sehr unfriedlichen Jahrzehnten lässt ihn wohl zu einem wichtigen Mann der sächsischen Kirchengeschichte werden. Da man wenig hören kann über den Ausbau des Kirchengebietes und die Wahrnehmung seiner Aufsichtspflichten, über seine Predigt und Seelsorge, über seine Alltagsverrichtungen, wird er sie wohl unauffällig, sorgfältig und ohne Mängel ausgeübt haben. Zweifellos sind sowohl die missionarischen als auch die geistlichen Wirksamkeiten für Bennos Bedeutung wesentlicher als die Rolle, die er im Blick auf die politischen und insbesondere kirchenpolitischen Verhältnisse der damaligen Zeit spielte.

Heilige evangelisch

Durch heilige Menschen bewirkt, wie auch evangelische Christen dies einschätzen, Gottes Geist Gnade. Sie dienen als Beispiele und Vorbilder in der Christenheit, und ihr Andenken sollte in Ehren gehalten bleiben. Diese Freundlichkeit Gottes hat zweifellos durch Benno - neben vielen anderen Bekannten und Unbekannten! - die kulturelle Entwicklung des einst unbedeutenden Landstrichs und seines kirchlichen Lebens gefördert. Der Christenglaube ist sicherlich auch durch ihn in dieser Gegend heimisch geworden. Kultische Verehrung und den Titel eines besonderen „Heiligen“ werden wir ihm allerdings nicht zugestehen. Seinen Namen, seine Legende und seinen Rang für Kontroversen zu missbrauchen, sollte für uns heute als überwunden gelten. Das lernten wir bei Luther. Doch uns seiner, wenn auch nicht unkritisch, zu erinnern, und um seinetwillen in ökumenischer Gesinnung die katholischen Mitchristen zu grüßen, ist der angemessene Beitrag der evangelischen Seite.

Pfr. i.R. Ulrich Rasch

war über viele Jahre Landesvorsitzender des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Autor
Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2006 ab Seite 13