Zu Besuch bei einem Geistheiler

Evangelischer Bund Sachsen bei Viktor Philippi zu Besuch

Es war eine spannende Exkursion, die der Evangelische Bund in die Lausitz unternommen hatte. Der Erfinder der „Bioenergetik Extrasens“ Viktor Philippi hat in Taubenheim bei Sohland das alte Schloss gekauft und zum „Gesundheits- und Schönheitszentrum Philippi“ ausgebaut. Dort bietet er nicht nur verschiedene Behandlungen mit bioenergetischer Meditation an, sondern bildet etliche Nachfolger als „Bioenergetiker Extrasens“ aus, die dann als Lizenznehmer selbständig nach seiner Methode arbeiten. Im Jahr 2007 hat er den ersten Internationalen Kongress für „Theomedizin“ - wie er seine Methode seitdem auch nennt - organisiert, der zweite Kongress dieser Art ist für den März 2008 geplant. Grund genug für die Arbeitsgemeinschaft Religiöse Gemeinschaften des Evangelischen Bundes Sachsen, Viktor Philippi in Taubenheim zu besuchen.

Heilmeditation

Viktor Philippi wurde 1952 in einer deutschstämmigen Familie in Kasachstan geboren. 1992 kam er mit seiner Familie nach Deutschland. Hier profilierte er sich als Begründer der sogenannten „Bioenergetik Extrasens“ bzw. kurz „Biosens“. Wie er selbst erklärt, nannte er seine Methode „bioenergetische Meditation“, um nicht in Konflikt mit dem deutschen Gesundheitsrecht zu geraten. Heilbehandlungen sind in Deutschland nur für Ärzte oder Heilpraktiker erlaubt. Das ist er beides nicht, darum nannte er seine Methode Meditation. Allerdings übersteigt das Angebot den üblichen Rahmen einer „Meditation“. Seine Patienten, die ebenfalls aus denselben rechtlichen Erwägungen offiziell „Klienten“ genannt werden, kommen nicht zu ihm um Meditieren zu lernen, sondern weil sie Heilung suchen. Die schillernde Stellung seiner Angebote zwischen Medizin und Religion hängt folglich auch mit dem Versuch zusammen, die Einschränkungen des deutschen Gesundheitsrechts zu umgehen. In dem Maß, wie die von ihm ausgebildeten Bioenergetiker selbst Heilpraktiker oder Ärzte sind, entschärft sich dieser Konflikt etwas. Die Zwischenstellung, dass Patienten körperliche Heilung suchen und eine religiöse Orientierung erhalten, bleibt aber bestehen, denn als Grundelement des bioenergetischen Heilens nennt Philippi den „Kontakt mit der geistigen Welt“ und die Verbindung „mit der Kraft und Liebe Gottes durch seine Engel.“[1]

Drei Visionen

In seiner Biographie beschreibt Viktor Philippi seinen Weg zum Geistheiler in drei Stufen, die durch drei Visionen bestimmt sind. Zunächst habe er ein normales Leben geführt und eine eigene Firma besessen. Ein besonderes Erlebnis der Ergriffenheit von einer starken Energie habe ihn dann1993 auf den Weg des Heilers geführt. Bereits seit seiner Kindheit habe er die Gabe, heilen zu können. In dieser ersten Vision habe er den Auftrag bekommen, diese Gabe zum Wohle anderer anzuwenden. Daraufhin habe er seine Firma aufgegeben und sei zu verschiedenen Heilpraktikern und Ärzten gegangen, bis er seine eigene Methode entwickelt hatte. Zunächst in Belgien wurde das „Institut Philma c.V. Metaphysical Healing“ gegründet. Als Folge dieser ersten Vision nahm Viktor Philippi für sich in Anspruch, eine besondere Gabe der Hellsichtigkeit gewonnen zu haben, die es ihm erlaubt hätte, geradezu in das Innere der Organe hinein sehen können. Herzfehler, Gefäßverkalkungen, Bandscheibenvorfälle etc. habe er direkt sehen und innerlich reinigen können. „Ich war dort und befreite und reinigte die Blutgefäße aus dem Inneren heraus. Dann sah ich den Herzmuskel. Und dort, wo ein Loch war, schweißte ich das Loch wie mit einem Laserstrahl wieder zu.“ (www.biomez.de/meinweg.php) Die Bilder seien „wie Röntgenbilder, nur deutlicher und klarer“ gewesen und hätten ihm erlaubt, solche „geistigen ‘Operationen‘“ durchzuführen.

In einer zweiten Visionen 1994 seien seine Heilfähigkeiten und noch erweitert worden, indem er nun auch seelische Blockaden lösen und die Seele von Ängsten befreien könne. Dieser Prozess fällt zusammen mit seinen sich allmählich bessernden Kenntnissen der deutschen Sprache.

Eine dritte Visionen im Jahr 1995 habe ihn schließlich dazu geführt, dass er seine Fähigkeit zum Heilen auch weiter geben könne. Seitdem finden Ausbildungen zum Bioenergetiker Extrasens statt, bei denen Viktor Philippi daran interessierten Personen die „Kanäle“ für den „Empfang der Bioenergie“ öffnet und großes Wissen telepathisch vermittelt, indem er über ihnen Gebete spricht. Allerdings habe sich durch die dritte Vision auch seine Wahrnehmung der Organe geändert: sie sei nun weniger anatomisch konkret, sondern statt dessen auf den Fluss der Energiearten im Körper bezogen: positive und negative „Energien“, „Chakren“ und „karmische Bilder“ zeigen ihm nun die Ursachen für Blockaden.

Kosmischer Gottesglaube

Wenn Viktor Philippi versucht zu erklären, aus welcher Kraft seine Heilungen geschehen, nimmt er sehr stark bezug auf Gott. Auch wenn er selbst von seinen Eltern nicht christlich erzogen wurde, hat er doch von seiner Großmutter noch grundlegende Elemente des Gottesglaubens mitbekommen. Dies prägt ihn offensichtlich stark. Als er im Jahr 2007 in Dresden seinen ersten großen Kongress organisierte, erfand er dafür den neuen Begriff der „Theomedizin“. Die Bioenergie, so wird es von ihm ständig wiederholt, sei nichts anderes, als die Liebe und die Kraft Gottes. Mit theologischen Fragen hat er sich allerdings nie intensiv beschäftigt. Die biblischen Erzählungen von Gott und seiner Gegenwart in Jesus Christus kommen in seinen Ausführungen nicht vor. Jesus wurde von ihm während unseres Besuches nie erwähnt, in seinen Broschüren kommt er lediglich als Beispiel für einen antiken Heiler vor. Der Gott, von dem Viktor Philippi spricht, bleibt diffus, pantheistisch, energetisch.

Schöpfer oder Schöpfung?

Für die christliche Theologie ist die Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpfen grundlegend. Die Aussage, dass Gott diese Welt und alles, was darinnen ist, geschaffen hat (1. Mose 1) besagt in der Konsequenz, dass die Sphäre Gottes von der der Welt zu unterscheiden ist. Die Schönheit der Welt bezeugt die Schöpferkraft Gottes, aber die Welt ist nicht selbst Gott oder göttlich. Es ist ein Grundzug esoterischer Weltsicht, diesen Unterschied zu negieren. Daraus resultiert eine Sichtweise, in der alles mit allem zusammenhängt, in der jeder Baum irgendwie auch göttlich ist, weil es keine absoluten Trennungen gibt. Solchem Denken zeigt sich auch Viktor Philippi verhaftet, wenn es ihm auch auf Nachfrage hin nicht möglich ist, sein Konzept der „Bioenergie“ in eine der beiden Sphären einzuordnen. Einerseits versteht er sie als „Energie“ wie Radiowellen oder Wärme, die in dieser Welt anzutreffen ist und beeinflusst werden kann. Andererseits kann er in demselben Atemzug von der Bioenergie als zum Wesen Gottes gehörig sprechen und sie selbst als „Liebe Gottes“ bezeichnen. Dass die „Kraft und die Liebe Gottes“ prinzipiell allein zu Gott gehören und nicht in menschlicher Verfügbarkeit stehen, nicht in bioenergetische Kanäle gezwängt und wie Radiowellen als Aura auf einem Computermonitor sichtbar gemacht werden können, gerät dabei aus dem Blick.

Karmisch oder Christlich?

Ähnlich schillernd zwischen esoterischen und christlichen Deutungskategorien bewegt sich das Konzept von Krankheit und Gesundheit, das Viktor Philippi seinen Patienten und Heilern nahe bringt.

Grundsätzlich geht es zunächst um „Energiebahnen“ im Organismus, auf denen es – aus karmischen Gründen oder durch Krankheiten – zu „Blockaden“ gekommen ist, die der Bioenergetiker durch Handauflegen beseitigt. Soweit ähnelt das Konzept z.B. den asiatischen Vorstellungen hinter der Akupunktur, nur dass hier keine Nadeln eingestochen, sondern lediglich die Hände auf den Körper gelegt werden. Hinzu tritt der Anspruch, dass der Bioenergetiker zudem „als Kanal für die Universelle Energie“ fungiere und „gezielt Bioenergie in den Körper“ einleiten könne.[2] In dem Faltblatt „Die Philosophie der Goldenen Pyramide“ ist auf der Umschlagseite zu lesen, dass seit 2006 auch mit „Energiespiralen zum Aktivieren der Chakren und zum Entstören von Wasseradern, Erdstrahlen und Elektrosmog“ gearbeitet wird. Das, was in dieser Broschüre dann inhaltlich ausgesagt wird, ist demgegenüber erstaunlich vernünftig und weithin nachvollziehbar. In sieben Regeln wird zunächst deutlich gemacht, dass zur Gesundheit ein bewusster Umgang mit dem eigenen Leben und ggf. auch die Umstellung von Gewohnheiten gehört. Die eigentliche „Philosophie der Goldenen Pyramide“ setzt Begriffe und Verhaltensweisen, die im Christentum eine große Rolle spielen, in Beziehung zur Gesundheit: Vergebung gegenüber anderen Menschen, Dankbarkeit gegenüber Gott auch im Leiden und das Annehmen der eigenen Schwächen werden in Beziehung gesetzt zu Immunsystem, Stoffwechsel und Nervensystem, sowie Körper, Seele und Geist und der göttlichen Trinität (Gott Vater, Gott Sohn, Heiliger Geist) – wobei das letztere weder erklärt noch kommentiert wird. Als „Grundfläche“ dieser Pyramide dienen die Begriffe aus 1 Kor 13: Glaube, Liebe, Hoffnung, denen Viktor Philippi noch die ebenfalls biblische Tugend der Geduld angefügt hat.

Gebet ohne Anrede

Am Anfang einer jeden Behandlung steht ein kurzes Gebet (Siehe Kasten S. 11). Das Gebet endet zwar mit dem Wort Amen, aber ihm fehlt am Beginn eine Anrede. Dieser Sachverhalt ist bezeichnend für die Offenheit in Viktor Philippis Gottesverständnis. Es gibt einen solchen Rest eines frommen Bezuges in Form dieses Gebetes, das ohne Gottesanrede sogar für die atheistischen Schüler von Viktor Philippi gerade noch mit vollziehbar ist. Ein Gebet ohne Anrede Gottes ist aber genau genommen gar kein Gebet, sondern ein magischer Zauberspruch. Bei einem solchen „Gebet“ ist nämlich nicht Gott derjenige, der alles in der Hand hält und an den sich der Beter wendet, sondern der Sprecher des „Gebetes“ will selbst mit seinem Spruch die gewünschte Wirklichkeit herstellen.

Handauflegung

Äußerlich unterscheidet sich seine Methode nicht grundlegend von der Herangehensweise anderer Geistheiler. Eine umfangreiche Anamnese findet nicht statt, sie ist auch gar nicht erforderlich. Es gibt lediglich ein kurzes Vorgespräch. Für die Behandlung nehmen die Patienten auf einer Liege Platz, während der Heiler an verschiedenen festgelegten Positionen die Hände auf den Körper auflegt. Die Positionen werden sowohl mit esoterischer wie mit christlicher Begrifflichkeit beschrieben (Herzchakra/Liebe, Solarplexus/Hoffnung, Wurzelchakra bzw. Sakralchakra/Glaube und Harmonie, Geduld). Sollten spezielle Problembereiche benannt worden seien, so können diese einer besonderen Handauflegung unterzogen werden. Insgesamt dauert die Behandlung in der Regel eine Stunde pro Sitzung. Üblicherweise gibt es mehrere Sitzungstermine.

Wunderheilung?

Viktor Philippi und seine Schüler verweisen gern auf ihre Heilerfolge. Das ist in der Branche nicht ungewöhnlich. Zugleich müssen sie aber bei allen euphorischen Heilsversprechen darauf achten, keine unerfüllbar überzogenen Erwartungen zu setzten und sich Hintertüren offen zu halten, falls die erhoffte Heilung ausbleibt. Philippi schreibt, dass er zwar die Fähigkeit hätte, sehr schnell die Schmerzen weg zu nehmen, weil die Krankheit aber mehr Zeit zum Verschwinden brauche, belasse er aus psychologischen Gründen noch die Schmerzen, damit die Patienten sich nicht zu früh für geheilt halten und die Sitzungsreihe abbrechen. „Heilung“ durch Uminterpretation von Symptomen gibt es auch beim Bruno-Gröning-Freundeskreis („Regelungsschmerzen“) oder in der Homöopathie („Erstverschlimmerung“) Bei der Bioenergetik Extrasens ist die Rede von „Blockaden“ die sich allmählich lösen und dadurch verschiedene Reaktionen im Körper auslösen.

Von Seiten der medizinischen Wissenschaft ist Philippis Methode mit sehr vielen Fragezeichen versehen. Exakt nachvollziehbare Wirksamkeitsnachweise gibt es nicht. Vollmundige Versprechungen und eine ausgesuchte Sammlung begeisterter Anhängerberichte können diese nicht ersetzen und haben wenig Aussagekraft – auch die größten Scharlatane haben so etwas immer zusammenbekommen. Klinischen Studien hat sich Philippi bislang noch nicht unterzogen. Gern verweist er auf seine Zusammenarbeit mit Professor Korotkov, der in Russland mit Kirlian-Fotografie experimentiert und meint, damit die menschliche Aura und die Wirkungen von Philippis Behandlungen abbilden zu können. Mit seriöser Wissenschaft hat das aber kaum etwas zu tun.

Lehrer oder Guru?

Ob Viktor Philippi wirklich eine besondere Gabe der Heilung hat, oder ob er lediglich aufgrund seiner ruhigen, freundlichen Ausstrahlung beruhigend auf Menschen wirkt, ihnen neuen Mut und Hoffnung gibt und damit ihr Befinden bessert, kann zunächst dahingestellt bleiben. Für die christliche Beurteilung ist dies nicht entscheidend. Wichtig ist hingegen, welche Stellung ihm in dem Gesamtsystem zukommt. Viktor Philippi nimmt für sich in Anspruch, durch seine Verbindung mit Gott in den Patienten und in den von ihm ausgebildeten Heilern Kanäle für die göttliche Energie öffnen zu können. Die Ausbildung zum „Bioenergetiker“ ist inzwischen weit aufgefächert und wird meistenteils von Dozenten vorgenommen, die bei Viktor Philippi gelernt haben. Am Ende der Ausbildung steht aber eine „Einweihung“, die immer durch Viktor Philippi selbst vorgenommen wird. Für solch einen Anspruch gibt es kein biblisches Vorbild. Gott hat sich immer direkt den Menschen zugewandt. Eine Abhängigkeit von menschlichen Meistern, die Kanäle öffnen müssen, ist dem biblischen Zeugnis fremd.

Geschäftsmann

Eine Beurteilung von Viktor Philippi und seinen Aktivitäten fällt nicht leicht. Schaut man auf die äußere Situation, so ist Viktor Philippi ein erfolgreicher Anbieter auf dem alternativen Gesundheitsmarkt. Sein Heilkonzept gehört deutlich in den Kontext esoterischer Heilungsvorstellungen. Ein großer Teil seiner Patienten und Mitarbeiter entstammen diesem Milieu und werden darin auch gezielt angesprochen. Geschickt umgibt er sich mit dem Mythos des Wunderheilers und verbindet große Ansprüche bezüglich seiner Fähigkeiten mit Erklärungen, die eine Überprüfung erschweren.

Gläubiger

Schaut man hingegen auf die persönliche Ebene, so findet man in Viktor Philippi einen Mann, der sichtlich von tiefer, innerlicher Frömmigkeit durchdrungen ist. Dass seine theologische Bildung mangelhaft ist und er sich im Laufe seines Lebens seine Gottes- und Glaubensvorstellungen aus volkstümlichen Elementen zusammengesetzt hat, kann man ihm angesichts der Umstände seiner biografischen Wurzeln in der UdSSR kaum zum Vorwurf machen. Er versteht sich jedenfalls bewusst als evangelischer Christ, ist Mitglied seiner örtlichen Kirchgemeinde, und spricht viel über seinen Glauben. Dieser ist bislang von kirchlicher Verkündigung weitgehend unberührt geblieben. Das hat Konsequenzen in zwei Richtungen: Zum einen formuliert er seine Lehren nicht in Absetzung und Abgrenzung von kirchlichen Aussagen. Im Gegenteil, ihm sind die Differenzen offenbar überhaupt nicht bewusst. Der Kirche tritt er daher nicht mit Abwehr oder Feindschaft, sondern mit großer Offenheit und ehrlichem Interesse entgegen. Sicherlich kann dies auch darin begründet sein, dass ein positives kirchliches Votum der Vermarktung seiner Methode sehr förderlich wäre. Wie ernst es Viktor Philippi mit seinem Selbstverständnis als Christ ist und ob er bereit ist, aus möglicherweise reifenden theologischen Erkenntnissen Konsequenzen für die Gestaltung seiner Heilmethode zu ziehen, wird sich erst noch in weiteren Gesprächen zeigen müssen.

Unpassende Alternativen

Fragen, die meist gestellt werden, lauten:
1. Heilt Viktor Philippi überhaupt mit einer besonderen Kraft? 2. Wenn ja, mit welcher Kraft, ist sie a) von oben (Gotteskraft) oder b) von unten (dämonische Kräfte)?
Die Wahrheit ist komplexer, als es solche Fragestellungen erscheinen lassen. Denn schon die erste Frage lässt sich vermutlich nicht mit letzter Sicherheit beantworten. In der Praxis wird sein Wirken weit weniger spektakulär ausfallen, als in der Werbung. Die großen Wunder stellen sich eben nicht mit der Sicherheit ein, dass sie reproduzierbar wären und sich Prüfungen stellen könnten. Viele Patienten werden nach 5 Sitzungen bei Philippi immer noch Beschwerden haben, sich aber subjektiv trotzdem besser fühlen, weil sie etwas für sich getan haben, weil seine Reden eine Umstellung im Denken bewirkt und sich Gewichte und Wahrnehmungen verschoben haben. Ein gewisser Anteil an erlebten Spontanheilungen mag auch dabei sein – das soll gar nicht rundweg bestritten werden. Aber die Quote liegt wohl nicht über den Heilungen in Lourdes. Das ist nicht das große Wunder, aber doch mehr als nichts.

Wenn sich auf solche Weise das Niveau der besonderen Heilungen reduziert, stellt sich die Frage nach dem Ursprung der besonderen Kräfte nicht mehr in dieser Schärfe zwischen göttlich oder dämonisch, sondern es bleibt im Bereich des Menschlichen. Wir finden einen Menschen, dem es in besonderer Weise gegeben ist, beruhigend und motivierend mit anderen Menschen zu reden. Durch seine Persönlichkeit wirkt der Heiler auf die Patienten, wobei seine Worte, seine Handlungen und das gesamte Ambiente der Umgebung eine unauflösliche Einheit bilden.

Eine Gefahr stellt es dar, wenn der Heiler bei seinem Patienten überzogene Heilungserwartungen weckt. Die meisten Patienten, die sich bei einem Geistheiler in Behandlung begeben, sind schulmedizinisch austherapiert. Die Geistheilung ist vielfach der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern. Sie haben nicht viel zu verlieren außer ihrem Geld. Das daraus resultierende Problem ist weniger medizinischer, sondern mehr moralisch-ethischer Natur. Ist es legitim, verzweifelten Patienten mit ungewissen und ungesicherten Heilungsversprechen das Geld aus der Tasche zu ziehen? Ist es andererseits legitim, Möglichkeiten gesundheitlicher Besserung auszuschließen, nur weil sie nicht restlos beweisbar sind? Mit einem schlichten ja oder nein wird man der Wahrheit hier nicht zum Recht verhelfen können.

So wird uns das Thema Geistheiler mit christlichem Anspruch im allgemeinen und Viktor Philippi im besonderen auch noch künftig weiter beschäftigen.

Harald Lamprecht

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/177

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 1/2008 ab Seite 09