Patriarch des geistlichen Wiederaufbaus

Patriarch Aleksij II in Moskau gestorben

Aleksij II., Patriarch von Moskau und ganz Russland, verstarb am 5. Dezember 2008 im 80. Lebensjahr in seiner Moskauer Residenz. Mit ihm verliert die Russische Orthodoxe Kirche einen Kirchenführer, der es verstand, in den Jahren nach der politischen Wende mit Geschick den geistlichen und materiellen Wiederaufbau der Kirche zu leiten und mit Augenmaß die Stellung der Kirche in der postkommunistischen Gesellschaft zu festigen.

Der aus einer baltischen Adelsfamilie stammende Aleksij Michailowitsch Ridiger wurde 1929 in der estnischen Hauptstadt Tallin geboren. Dort diente er auch von 1981 bis 1986 als Metropolit, bevor er nach St. Petersburg berufen wurde. 1990 wurde er durch das Landeskonzil zum Patriarchen gewählt. Seine menschlich herzliche und zurückhaltende Art machten ihn zu einem Sympathieträger seiner Kirche in einer Zeit, in der sich die Menschen nach Rückkehr zur Orthodoxie sehnten und sich breite Kreise der Bevölkerung taufen ließen, Gemeinden und Klöster neu gegründet wurden und die Gotteshäuser und Kulturgüter wieder an die Kirche zurückgegeben werden sollten.

Für Aleksij war die orthodoxe Kirche eine übergeordnete geistliche Größe und Heimat für die russische Nation. In ihr konnten die Fragen der Vergangenheitsbewältigung Raum finden ohne vorschnell instrumentalisiert zu werden. In ihr konnten auch die russischen Bevölkerungsteile im Ausland dem Mutterland verbunden bleiben, ohne der Gefahr einer politischen Zuspitzung zu erliegen. In seine Amtszeit fiel auch die Wiedervereinigung mit dem größten Teil der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, die sich zur Zeit den Kommunismus vom Patriarchat losgesagt hatte. Noch in diesem Sommer setzte er sich für eine Lösung der kanonischen Schwierigkeiten der orthodoxen Kirche in der Ukraine ein.

Maßvolle und mutige Worte der Gesellschaftskritik und der Selbstkritik an seiner Kirche fand Aleksij in der Auseinandersetzung mit Strömungen und Illusionen radikalisierter gesellschaftlicher und innerkirchlicher Gruppierungen, die in der postkommunistischen Zeit Anknüpfungen an historische und politische Denkmodelle aus der russischen Geschichte suchten. Den Klerus ermahnte er zu echtem geistlichen Leben. Die auf russischem Territorium lebenden Kirchen und Religionsgemeinschaften suchte er zu einem gemeinsamen friedlichen Weg zum Wohle der Gesellschaft zu einen.

Während seiner Zeit als Metropolit bekleidete Aleksij mehrere leitende Ämter beim Ökumenischen Rat der Kirchen und bei der Konferenz Europäischer Kirchen. In den Jahren antiökumenischer Stimmungslagen sah er in der Verpflichtung seiner Kirche zum authentischen orthodoxen Zeugnis und in ihrem ökumenischen Auftrag keinen Gegensatz und hielt am 1959 begonnenen bilateralen theologischen Dialog mit der Evangelischen Kirche in Deutschland fest. Unvergessen bleibt seine Rede an das deutsche Volk im Dom zu Berlin während seines Deutschlandbesuches 1995, in der er in einem Schuldbekenntnis auch das Leid erwähnte, das das totalitäre Sowjetregime über Ostdeutschland gebracht hatte. Anlässlich des 60. Jahrestages nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hielt er 2006 zusammen mit dem Ratsvorsitzenden der EKD Bischof Wolfgang Huber ein Friedensgebet im Danilowskij-Kloster.

Prof. Dr. Reinhard Thöle D.D.

war 1991-2011 Referent für Ostkirchen am Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim, später Lehrbeauftragter für Ostkirchenkunde an der Theologischen Fakultät in Halle (Saale).

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 6/2008 ab Seite 10