Die besser unter der Bezeichnung „Mormonen“ bekannte Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bemüht sich um eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit. Zu diesem Zweck wurde am 28. Mai 2009 beim Freiberger Tempel ein Informationszentrum feierlich eröffnet. Gäste aus Politik und Wirtschaft sowie die Beauftragten für Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche sowie der Römisch-Katholischen Kirche in Sachsen waren zugegen.
Heiliger Raum
Der Tempel repräsentiert das Herzstück mormonischen Glaubenslebens. In ihm finden die heiligen Handlungen statt, welche die Besonderheit dieser Religion ausmachen: Endowment („Begabung“), Versiegelung sowie stellvertretende Taufe für Verstorbene. Als heiliger Raum darf der Tempel nach seiner Weihe nur von aktiven Mormonen betreten werden, die mit einem Tempelschein einen Lebenswandel nach den Regeln ihrer Kirche bestätigt bekommen, um die entsprechenden Verrichtungen vorzunehmen. Die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt.
Ausstellungstafeln im Foyer
Weil ein solches Gebäude aber auch Neugierige anlockt und Fragen provoziert, wurde in den Räumen neben dem Tempel ein Informationszentrum eingerichtet. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Reihe von Ausstellungstafeln, die im Foyer des Gemeindehauses aufgehängt wurden und welche einige grundlegende mormonische Auffassungen erläutern: Von der Bedeutung des Tempels in alt- und neutestamentlicher Zeit, von der als „Wiederherstellung“ verstandenen Gründung der Mormonen im 19. Jahrhundert in Amerika, vom Bau neuer Tempel und von ihrer Bedeutung für die mormonische Religion.
Zwischen den Tafeln lächelt ein romantischer Jesus mit langem Haar und rotem Gewand von einem großen Bild die Zuschauer an. Das Symbol des Christentums, das Kreuz, findet man bei den Mormonen nicht. Herr Fuchs, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Ostsachsen, erläutert es damit, dass der Schwerpunkt auf der Auferstehung liege. Ohne Auferstehung wäre auch der Tod am Kreuz bedeutungslos. Darum präsentieren mormonische Bilder den auferstandenen und nicht den gekreuzigten Christus.
Weitere Tafeln gewähren einen Einblick in den Tempel und zeigen seine Räumlichkeiten. Schließlich wird noch das Thema „Familie“ dargestellt, welches in Lehre und Praxis der Mormonen auch einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. Die Bedeutung der Familie zeigt sich nicht nur darin, dass mormonische Ehen im Tempel für die Ewigkeit gesiegelt werden, damit sie auch nach dem Tod in der jenseitigen Welt weiter Bestand haben. Daneben ist es üblich, den Montagabend als Familienabend zu begehen – mit gemeinsamem Abendbrot, Lektüre der Heiligen Schriften und Spielen in der Familie. Darum finden montags keine Gemeindeveranstaltungen statt.
Außer den Schautafeln im Flur gibt es noch einen Raum mit Stühlen, in dem ein Film über mormonisches Glaubensleben gezeigt wird. Insgesamt ist dies wenig spektakulär. Der Schwerpunkt des Informationszentrum besteht darum nicht nur in den Bildern, sondern auch in den verlässlichen Öffnungszeiten. Reisegruppen, Besucher und sonstige interessierte Personen können dienstags bis samstags von 11 bis 18 Uhr sowie Sonntags ab 13 Uhr ohne Voranmeldung die Ausstellung betrachten und mit Angehörigen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ins Gespräch kommen.
Welches Libretto für den 3. Akt?
In seiner Ansprache zur Eröffnung des Informationszentrums bezeichnete der Präsident des Freiberger Tempels, Frank Apel, das Leben als ein Theaterstück mit drei Akten. Wenn man dort erst nach dem ersten Akt kommt und vor dem dritten Akt geht, versteht man die komplizierte Handlung nicht. So gehe es vielen Menschen, die nur ihr irdisches Leben betrachten, aber nicht das Leben vor der Geburt im ersten Akt sowie die Entwicklung nach dem Tod im dritten Akt mit bedenken. Die Lehren der Heiligen der Letzten Tage befassen sich mit diesen Bereichen. Auf die näheren Details mormonischer Lehre konnte der Tempelpräsident in seinem Abriss der mormonischen Weltanschauung nicht eingehen. Dass Mormonen an eine allgemeine Auferstehung glauben, erwähnte er. Dass der dritte Akt je nach irdischem Leben in verschiedenen Theatern gespielt wird, kam nicht mehr ganz so deutlich heraus. Die mormonische Unterscheidung zwischen der „telestialen“ und der „celestialen“ Herrlichkeit in den jenseitigen Bereichen schimmerte nur in dem Zusammenhang hindurch, dass es über die Verrichtungen im Tempel gewissermaßen ein nachträgliches Upgrade auf die Logenplätze geben kann: Die im Tempel vorgenommene stellvertretende Taufe für Verstorbene ermögliche es jenen, im Jenseits die Taufe anzunehmen und auf diese Weise die von Gott zwingend geforderten Voraussetzungen für die Erlösung zu erhalten. Was ist das für eine Vorstellung von Gott, dass er in der Zuwendung seiner Gnade derart auf solche menschliche Verrichtungen angewiesen sei? Die christliche Botschaft verkündet demgegenüber Gnade und Erlösung allen, die an Christus glauben – ohne Klassenunterschiede.