Für Frieden und gerechte Verteilung
Fortschritt und Rückschritt: Versöhnung zwischen Lutheranern und Mennoniten bleibt hinter deutschem Dialogergebnis zurück
Die Versöhnung zwischen Lutheranern und Mennoniten war unbestritten der Höhepunkt der am 27. Juli in Stuttgart zu Ende gegangenen 11. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB). Die 418 Delegierten aus 79 Ländern würdigten die umfangreichen Arbeiten der Internationalen lutherisch-mennonitischen Studienkommission, die am 22. Juli unter dem Titel „Heilung der Erinnerungen – Versöhnung in Christus“ in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch vorgelegt wurde. Zwischen 2005 und 2008 war ein gemeinsames Verständnis dieser von Verfolgung, Verachtung und Vorurteilen geprägten Geschichte erarbeitet worden, die Verwerfungen der täuferischen Theologie in den lutherischen Bekenntnisschriften (Taufe, Verhältnis Staat-Kirche, Militärdienst, Eid u.a.) wurden auf ihre heutige Aussagekraft hin geprüft und es wurde nach Wegen eines weiteren Versöhnungsprozesses gesucht. Das Dialogergebnis wurde bereits 2009 sowohl von der Versammlung der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK) und vom Rat des LWB gebilligt und so war der Weg zu einem Schuldbekenntnis bei der LBW-Vollversammlung frei. Dieses fand im Beisein zahlreicher Gäste aus fast allen christlichen Konfessionsfamilien in einem eindrucksvollen und symbolträchtigen Versöhnungsakt und in einem anschließenden ökumenischen Bußgottesdienst statt. Mit der einstimmig angenommen Beschlussfassung verpflichteten sich die 145 Mitgliedskirchen des LWB u.a, dazu, „die lutherischen Bekenntnisschriften im Licht der gemeinsam beschriebenen Geschichte von Lutheranern und Mennoniten zu interpretieren“, dies auch im akademischen und kirchlichen Unterricht umzusetzen und „die Untersuchung von bisher ungelösten Fragen“ (Taufe, Verhältnis von Christen und Kirche zum Staat) „im Geist wechselseitiger Offenheit und Lernbereitschaft fortzuführen“. Die Schuldbekenntnisse und Zeugnisse im Gottesdienst führten die Tragik vor Augen, wie Luther und Melanchthon die Hinrichtung von Täufern theologisch gerechtfertigt haben. Von mennonitischer Seite wurde Selbstgerechtigkeit und Arroganz reklamiert und bekannt, dass auch die Gemeinschaften der täuferischen Tradition „der Heilung und Vergebung bedürfen“.
Auch wenn mit dem mennonitischen Ökumeniker Fernando Enns die Frage gestellt werden muss, warum der LBW erst im 21. Jahrhundert sich zu dieser großen Schuldgeschichte bekennen konnte, so ist dieser Versöhnungsschritt auf Weltebene ein wichtiges Zeichen für die weiter positive Entwicklung der innerprotestantischen Ökumene. Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, dass dieser Dialog hinter den Gesprächsergebnissen zurückbleibt, die zwischen 1989 und 1992 in Deutschland zwischen der Vereinigten-Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) geführt wurden. Hierauf hatte auch in Stuttgart der lutherische Oberkirchenrat Michael Martin hingewiesen. Damals konnte 1996 nach der Rezeption in allen deutschen Landeskirchen und Gemeinden der AMG in zwei Gottesdiensten nicht nur ein gegenseitiges Schuldbekenntnis ausgesprochen werden. Es wurde ausdrücklich eine gegenseitige eucharistische Gastbereitschaft ausgesprochen und es wurde festgestellt, dass die Verwerfungen des Augsburgischen Bekenntnisses von 1530 die heutigen Mennoniten nicht mehr treffen.
So bleibt zu hoffen, dass nach Abschluss der beabsichtigten Fortführung des Dialogs von LWB und MWK (zum Thema „Taufe“) bald auch weltweit weitere Versöhnungsschritte gegangen werden können.
Pfarrer Dr. Walter Fleischmann-Bisten
Munib Younan neuer Präsident des LWB
Dr. Munib Younan (59), Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, wurde auf der Elften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) am 24. Juli zum neuen Präsidenten dieses Zusammenschlusses von 145 Mitgliedskirchen gewählt, der 70,1 Millionen Gläubige repräsentiert. Er war der einzige Kandidat. Es wurden 360 Stimmzettel abgegeben. Auf Younan entfielen 300 Ja- und 23 Nein-Stimmen. 37 Delegierte enthielten sich. Munib Younan löst Bischof Mark S. Hanson (63) aus den USA ab, der bei der letzten Vollversammlung 2003 in Winnipeg/Kanada das Präsidentenamt übernommen hatte. Seit 1998 ist Younan Bischof der ELCJHL. Er gehörte dem Rat des LWB bereits zwei Legislaturperioden an. 2003 war er zu einem der fünf Vizepräsidenten des Weltbundes gewählt worden.
velkd.de
Neuer Rat des LWB
Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) hat den 48-köpfigen Rat gewählt, der die Geschicke dieses Zusammenschlusses zwischen den Vollversammlungen lenkt. Die lutherischen Kirchen in Deutschland sind erneut mit sechs Personen vertreten: Prof. Dr. Bernd Oberdorfer (Augsburg), Oberlandeskirchenrat Rainer Kiefer (Hannover), Superintendentin Martina Berlich (Eisenach), Pröpstin Frauke Eiben (Ratzeburg), Landesbischof Frank O. July (Stuttgart) und Jugenddelegierte Anna-Maria Tetzlaff (Greifswald).
Der Rat, der künftig von Bischof Dr. Munib Younan als neuem Präsidenten des LWB geleitet wird, umfasst 22 Männer und 26 Frauen. 28 Personen sind ordiniert, zwanzig Laien. Unter den Mitgliedern des Rates befinden sich auch zehn Delegierte unter 30 Jahren (so genannte Jugenddelegierte). Der bisherige Weltbund-Präsident, Bischof Mark S. Hanson, gehört ebenfalls dem Rat an.
velkd.de