Aufruf zum Ungehorsam

Römisch-Katholische Pfarrerinitiative in Österreich fordert Kirchenreformen
In der römisch-katholischen Kirche in Österreich gärt es. Seit ca. einem Jahr nicht mehr nur still im Untergrund, sondern auch öffentlich. Bereits 2006 hatte sich eine Pfarrer-Initiative gegründet, um innere Reformen angesichts des Priestermangels anzumahnen. Mit ihrem so betitelten „Aufruf zum Ungehorsam“ hat sie nun auch über Österreich hinaus für Schlagzeilen gesorgt haben. Inzwischen haben sich der Initiative mehr als 400 Pfarrer und Diakone als Mitglieder angeschlossen. Dazu kommen über 80 namentlich genannte Unterstützter aus dem Kreis der Priester und Diakone und über 2600 Laien.

Prominenter Sprecher der Pfarrerinitiative ist der frühere Caritas-Präsident Helmut Schüller. 1995 machte ihn der Wiener Erzbischof Schönborn zu seinem Generalvikar – ein Amt, das er tatkräftig ausfüllte und in dem er sich mit verschiedenen Reformen nicht nur Freunde machte. Dies führte 1999 zu seiner Abberufung.

Die Forderungen der Pfarrer-Initiative sind im Kern keineswegs neu, sondern in den Reformdiskussionen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil mehr oder weniger intensiv präsent. So wurde der Initiative auch lange kaum Beachtung zuteil, bis sie ihren Aufruf mit dem Reizwort „Ungehorsam“ betitelten. Damit scheint eine rote Linie überschritten, die kirchliche Reaktionen hervorruft.

Reaktionen

Die Ablehnung der Bischöfe insbesondere gegenüber dem Ausdruck „Ungehorsam“ ist nicht verwunderlich. Zugleich fällt auf, dass dem aber keine konkreten Sanktionen folgen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Bischöfe zwar in unterschiedlicher Weise, aber doch im Kern Verständnis für die Intentionen und Grundanliegen der Initiative aufbringen können. Es sind reale und handfeste Probleme der kirchlichen Grundversorgung, die von ihr thematisiert werden. Lediglich mit den Lösungsvorschlägen und dem erklärten Ungehorsam können Sie sich nicht anfreunden.

Papst Benedikt XVI. hat am Gründonnerstag während der Chrisammesse die Pfarrer-Initiative angesprochen. Erstaunt hat zum einen die prominente Stelle, in der das Thema angesprochen wurde, sowie die milde Form des Tadels.

Keine Fundamentalopposition

Den Angehörigen der Pfarrerinitiative ist es wichtig zu erklären, dass ihr Ungehorsam keine grundsätzliche Aufkündigung der Loyalität zur Kirche und zu den Bischöfen bedeuten soll, sondern lediglich dringend benötigte Reformen anmahnen soll. Im Übrigen nennt sie lediglich in manchen Bereichen längst geduldete Praxis beim Namen. Die Initiative erläutert dazu: „Seit dem ‚Aufruf zum Ungehorsam‘ wurden wir aufgefordert, diesen Text zu widerrufen. Dies können wir guten Gewissens nicht tun, weil wir weiterhin zum Inhalt stehen. Der Ungehorsam gegenüber einzelnen geltenden strengen kirchlichen Regeln und Gesetzen ist bereits seit Jahren Teil unseres Lebens und Arbeitens als Seelsorger geworden. Öffentlich anderes zu bekennen als wir denken und handeln, würde die Dissonanz in Kirche und Seelsorge nur noch zusätzlich verschärfen.

Es ist uns jedoch bewusst, dass ‚Ungehorsam‘ als Reizwort verstanden werden kann. Deshalb sind wir gern bereit, zu erklären, dass wir keinen generellen Ungehorsam um des Widerspruchs willen meinen, sondern jenen abgestuften Gehorsam, den wir zuerst Gott, dann unserem Gewissen und zuletzt auch der kirchlichen Ordnung schulden. In dieser Reihenfolge haben wir stets die Lehre der Kirche, den Papst und die Bischöfe gesehen. So wollen wir es auch weiterhin halten.“

Inzwischen sind bereits zwei Bücher erschienen, die sich mit den Stimmen und Argumenten rings um die Pfarrer-Initiative befassen (Jan Heiner Tück: Risse im Fundament. Die Pfarrerinitiative und der Streit um die Kirchenreform, Freiburg 2012; Paul M. Zulehner: Aufruf zum Ungehorsam. Taten nicht Worte reformieren die Kirche, Ostfildern 2012).

Man darf gespannt sein, wie es mit der Pfarrer-Initiative weiter geht. Die demografische Entwicklung kann auch in Österreich kirchlich auf Dauer nicht ignoriert werden.

Harald Lamprecht
   
Aufruf zum Ungehorsam

Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbständig tätig zu werden.

Wir Priester wollen künftig Zeichen setzen:
1.WIR WERDEN in Zukunft in jedem Gottesdienst eine Fürbitte um Kirchenreform sprechen. Wir nehmen das Bibelwort ernst: Bittet, und ihr werdet empfangen. Vor Gott gilt Redefreiheit.
2.WIR WERDEN gutwilligen Gläubigen grundsätzlich die Eucharistie nicht verweigern. Das gilt besonders für Geschieden-Wiederverheiratete, für Mitglieder anderer christlicher Kirchen und fallweise auch für Ausgetretene.
3.WIR WERDEN möglichst vermeiden, an Sonn- und Feiertagen mehrfach zu zelebrieren, oder durchreisende und ortsfremde Priester einzusetzen. Besser ein selbstgestalteter Wortgottesdienst als liturgische Gastspielreisen.
4.WIR WERDEN künftig einen Wortgottesdienst mit Kommunionspendung als „priesterlose Eucharistiefeier“ ansehen und auch so nennen. So erfüllen wir die Sonntagspflicht in priesterarmer Zeit.
5.WIR WERDEN auch das Predigtverbot für kompetent ausgebildete Laien und Religionslehrerinnen missachten. Es ist gerade in schwerer Zeit notwendig, das Wort Gottes zu verkünden.
6.WIR WERDEN uns dafür einsetzen, dass jede Pfarre einen eigenen Vorsteher hat: Mann oder Frau, verheiratet oder unverheiratet, hauptamtlich oder nebenamtlich. Das aber nicht durch Pfarrzusammenlegungen, sondern durch ein neues Priesterbild.
7.WIR WERDEN deshalb jede Gelegenheit nützen, uns öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt auszusprechen. Wir sehen in ihnen willkommene Kolleginnen und Kollegen im Amt der Seelsorge.

Im Übrigen sehen wir uns solidarisch mit jenen Kollegen, die wegen einer Eheschließung ihr Amt nicht mehr ausüben dürfen, aber auch mit jenen, die trotz einer Beziehung weiterhin ihren Dienst als Priester leisten. Beide Gruppen folgen mit ihrer Entscheidung ihrem Gewissen - wie ja auch wir mit unserem Protest. Wir sehen in ihnen ebenso wie im Papst und den Bischöfen „unsere Brüder“. Was darüber hinaus ein „Mitbruder“ sein soll, wissen wir nicht. Einer ist unser Meister - wir alle aber sind Brüder. „Und Schwestern“ - sollte es unter Christinnen und Christen allerdings heißen. Dafür wollen wir aufstehen, dafür wollen wir eintreten, dafür wollen wir beten. Amen.

 

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/288

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2012 ab Seite 18