Augsburger Bekenntnis
Das Augsburger Bekenntnis wurde von den Evangelischen Ständen auf dem
Augsburger Reichstag 1530 dem Kaiser vorgelegt. In ihm sind die
Reformanliegen der lutherischen Reformatoren zusammengefasst. Verfasst wurde es im wesentlichen nicht von Luther selbst, sondern von Philipp Melanchthon.<br />
ARTIKEL DES GLAUBENS UND DER LEHRE
ARTIKEL I: VON GOTT
Zuerst wird einträchtig laut Beschluß des Konzils von Nizäa gelehrt und
festgehalten, daß ein einziges göttliches Wesen sei, das Gott genannt
wird und wahrhaftig Gott ist, und daß doch drei Personen in diesem
einen göttlichen Wesen sind, alle drei gleich mächtig, gleich ewig:
Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Alle drei sind ein
göttliches Wesen, ewig, unteilbar, unendlich, von unermeßlicher Macht,
Weisheit und Güte, ein Schöpfer und Erhalter aller sichtbaren und
unsichtbaren Dinge. Unter dem Wort "Person" wird nicht ein Teil, nicht
eine Eigenschaft an einem anderen Sein verstanden, sondern etwas, was
in sich selbst besteht (selbständig ist), so wie die Kirchenväter in
dieser Sache dieses Wort gebraucht haben. Deshalb werden alle Irrlehren
verworfen, die diesem Artikel widersprechen.(1)
ARTIKEL 2: VON DER ERBSÜNDE
Weiter wird bei uns gelehrt, daß nach Adams Fall alle natürlich
geborenen Menschen in Sünde empfangen und geboren werden, das heißt,
daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und von
Natur keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott haben
können, ferner daß auch diese angeborene Seuche und Erbsünde wirklich
Sünde ist und daher alle die unter den ewigen Gotteszorn verdammt, die
nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist wieder neu geboren werden.
Damit werden die verworfen, die die Erbsünde nicht für eine Sünde
halten, damit sie die Natur fromm machen durch natürliche Kräfte, in
Verachtung des Leidens und Verdienstes Christi.
ARTIKEL 3: VOM SOHN GOTTES
Ebenso wird gelehrt, daß Gott, der Sohn, Mensch geworden ist, geboren
aus der reinen Jungfrau Maria, und daß die zwei Naturen, die göttliche
und die menschliche, also in einer Person untrennbar vereinigt, ein
Christus sind, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, wahrhaftig
geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, daß er ein Opfer
nicht allein für die Erbsünde, sondern auch für alle anderen Sünden war
und Gottes Zorn versöhnte, ebenso daß dieser Christus hinabgestiegen
ist zur Hölle (Unterwelt), am dritten Tage wahrhaftig auferstanden ist
von den Toten und aufgefahren ist in den Himmel; er sitzt zur Rechten
Gottes, daß er ewig über alle Geschöpfe herrsche und regiere; daß er
alle, die an ihn glauben, durch den Heiligen Geist heilige, reinige,
stärke und tröste, ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Güter
austeile und sie schütze und beschimme gegen den Teufel und die Sünde;
daß dieser Herr Christus am Ende öffentlich kommen wird, zu richten die
Lebenden und die Toten usw. laut dem Apostolischen Glaubensbekenntnis.
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor
Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können,
sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden
aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir
glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen
die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn
diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen
und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel
sagt.
ARTIKEL 5: VOM PREDIGTAMT
Um diesen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, das
Evangelium und die Sakramente gegeben, durch die er als durch Mittel
den Heiligen Geist gibt, der den Glauben, wo und wann er will, in
denen, die das Evangelium hören, wirkt, das da lehrt, daß wir durch
Christi Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott
haben, wenn wir das glauben.
Und es werden die verdammt, die lehren, daß wir den Heiligen Geist ohne
das leibhafte Wort des Evangeliums durch eigene Vorbereitung, Gedanken
und Werke erlangen.
ARTIKEL 6: VOM NEUEN GEHORSAM
Auch wird gelehrt, daß dieser Glaube gute Früchte und gute Werke
hervorbringen soll und daß man gute Werke tun muß, und zwar alle, die
Gott geboten hat, um Gottes willen. Doch darf man nicht auf solche
Werke vertrauen, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. Denn wir
empfangen Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit durch den Glauben an
Christus - wie Christus selbst spricht: "Wenn ihr alles getan habt,
sollt ihr sprechen: Wir sind untüchtige Knechte." So lehren auch die
Kirchenväter. Denn Ambrosius sagt: "So ist es bei Gott beschlossen,
daß, wer an Christus glaubt, selig ist und nicht durch Werke, sondern
allein durch den Glauben ohne Verdienst Vergebung der Sünde hat."
ARTIKEL 7: VON DER KIRCHE
Es wird auch gelehrt, daß allezeit eine heilige, christliche Kirche
sein und bleiben muß, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei
denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut
dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der
christlichen Kirche, daß das Evangelium einträchtig im reinen
Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß
gereicht werden. Und es ist nicht zur wahren Einheit der christlichen
Kirche nötig, daß überall die gleichen, von den Menschen eingesetzten
Zeremonien eingehalten werden, wie Paulus sagt: "Ein Leib und ein
Geist, wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr,
ein Glaube, eine Taufe" (Eph 4,4.5).
ARTIKEL 8: WAS DIE KIRCHE SEI?
Ebenso, obwohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist als
die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, jedoch in diesem Leben
unter den Frommen viele falsche Christen und Heuchler, auch öffentliche
Sünder bleiben, sind die Sakramente gleichwohl wirksam, auch wenn die
Priester, durch die sie gereicht werden, nicht fromm sind; wie denn
Christus selbst sagt: "Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Pharisäer"
usw. (Mt 23,2).
Deshalb werden alle verdammt, die anders lehren.
ARTIKEL 9: VON DER TAUFE
Von der Taufe wird gelehrt, daß sie heilsnotwendig ist und daß durch
sie Gnade angeboten wird; daß man auch die Kinder taufen soll, die
durch die Taufe Gott überantwortet und gefällig werden, d.h. in die
Gnade Gottes aufgenommen werden. Deshalb werden die verworfen, die
lehren, daß die Kindertaufe nicht richtig sei.
ARTIKEL 10: VOM HEILIGEN ABENDMAHL
Vom Abendmahl des Herrn wird so gelehrt, daß der wahre Leib und das
wahre Blut Christi wirklich unter der Gestalt des Brotes und Weines im
Abendmahl gegenwärtig ist und dort ausgeteilt und empfangen wird.
Deshalb wird auch die Gegenlehre verworfen.
ARTIKEL 11: VON DER BEICHTE
Von der Beichte wird so gelehrt, daß man in der Kirche die private
Absolution oder Lossprechung beibehalten und nicht wegfallen lassen
soll, obwohl es in der Beichte nicht nötig ist, alle Missetaten und
Sünden aufzuzählen, weil das doch nicht möglich ist: "Wer kennt seine
Missetat?" (Ps 19, 13).
ARTIKEL 12: VON DER BUSSE
Von der Buße wird gelehrt, daß diejenigen, die nach der Taufe gesündigt
haben, jederzeit, wenn sie Buße tun, Vergebung der Sünden erlangen und
ihnen die Absolution von der Kirche nicht verweigert werden soll. Nun
ist wahre, rechte Buße eigentlich nichts anderes als Reue und Leid oder
das Erschrecken über die Sünde und doch zugleich der Glaube an das
Evangelium und die Absolution, nämlich daß die Sünde vergeben und durch
Christus Gnade erworben ist. Dieser Glaube tröstet wiederum das Herz
und macht es zufrieden. Danach soll auch die Besserung folgen und daß
man von Sunden lasse; denn dies sollen die Früchte der Buße sein - wie
Johannes sagt: "Tut rechtschaffene Frucht der Buße" ( Mt 3, 8).
Hiermit werden die verworfen, die lehren, daß diejenigen, die einmal
fromm geworden (zum Glauben gekommen) sind, nicht wieder in Sünden
fallen können. Andererseits werden auch die verworfen, die die
Absolution denen verweigerten, die nach der Taufe gesündigt hatten.
Auch werden die verworfen, die nicht lehren, daß man durch Glauben
Vergebung der Sünde erlangt, sondern durch unsere Genugtuung.
ARTIKEL 13: VOM GEBRAUCH DER SAKRAMENTE
Vom Gebrauch der Sakramente wird gelehrt, daß die Sakramente nicht nur
als Zeichen eingesetzt sind, an denen man die Christen äußerlich
erkennen kann, sondern daß sie Zeichen und Zeugnis sind des göttlichen
Willens gegen uns, um dadurch unseren Glauben zu erwecken und zu
stärken. Darum fordern sie auch Glauben und werden dann richtig
gebraucht, wenn man sie im Glauben empfängt und den Glauben durch sie
stärkt.
ARTIKEL 14: VOM KIRCHENREGIMENT
Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, daß niemand in der
Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll
ohne ordnungsgemäße Berufung.
ARTIKEL 15: VON KIRCHENORDNUNGEN
Von Kirchenordnungen, die von Menschen gemacht sind, lehrt man bei uns,
diejenigen einzuhalten, die ohne Sünde eingehalten werden können und
die dem Frieden und der guten Ordnung in der Kirche dienen, wie
bestimmte Feiertage, Feste und dergleichen. Doch werden dabei die
Menschen unterrichtet, daß man die Gewissen nicht damit beschweren
soll, als seien solche Dinge notwendig zur Seligkeit. Darüber hinaus
wird gelehrt, daß alle Satzungen und Traditionen, die von Menschen zu
dem Zweck gemacht worden sind, daß man dadurch Gott versöhne und Gnade
verdiene, dem Evangelium und der Lehre vom Glauben an Christus
widersprechen. Deshalb sind Klostergelübde und andere Traditionen über
Fastenspeisen, Fasttage usw., durch die man Gnade zu verdienen und für
die Sünde Genugtuung zu leisten meint, nutzlos und gegen das Evangelium.
ARTIKEL 16: VON DER POLIZEI (STAATSORDNUNG) UND DEM WELTLICHEN REGIMENT
Von der Polizei (Staatsordnung) und dem weltlichen Regiment wird
gelehrt, daß alle Obrigkeit in der Welt und geordnetes Regiment und
Gesetze gute Ordnung sind, die von Gott geschaffen und eingesetzt sind,
und daß Christen ohne Sünde in Obrigkeit, Fürsten- und Richteramt tätig
sein können, nach kaiserlichen und anderen geltenden Rechten Urteile
und Recht sprechen, Übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig
Kriege führen, in ihnen mitstreiten, kaufen und verkaufen, auferlegte
Eide leisten, Eigentum haben, eine Ehe eingehen können usw.
Hiermit werden die verdammt, die lehren, daß das oben Angezeigte
unchristlich sei. Auch werden diejenigen verdammt, die lehren, daß es
christliche Vollkommenheit sei, Haus und Hof, Weib und Kind leiblich zu
verlassen und dies alles aufzugeben, wo doch allein das die rechte
Vollkommenheit ist: rechte Furcht Gottes und rechter Glaube an Gott.
Denn das Evangelium lehrt nicht ein äußerliches, zeitliches, sondern
ein innerliches, ewiges Wesen und die Gerechtigkeit des Herzens; und es
stößt nicht das weltliche Regiment, die Polizei (Staatsordnung) und den
Ehestand um, sondern will, daß man dies alles als wahrhaftige
Gottesordnung erhalte und in diesen Ständen christliche Liebe und
rechte, gute Werke, jeder in seinem Beruf, erweise. Deshalb sind es die
Christen schuldig, der Obrigkeit untertan und ihren Geboten und
Gesetzen gehorsam zu sein in allem, was ohne Sünde geschehen kann. Wenn
aber der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht befolgt werden kann, soll man
Gott mehr gehorchen als den Menschen.
ARTIKEL 17: VON DER WIEDERKUNFT CHRISTI ZUM GERICHT
Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tag kommen
wird, um zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und
Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude zu geben, die gottlosen
Menschen aber und die Teufel in die Hölle und zur ewigen Strafe
verdammen wird.
Deshalb werden die verworfen, die lehren, daß die Teufel und die verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.
Ebenso werden hier Lehren verworfen, die sich auch gegenwärtig
ausbreiten, nach denen vor der Auferstehung der Toten eitel (reine)
Heilige, Fromme ein weltliches Reich aufrichten und alle Gottlosen
vertilgen werden.
ARTIKEL 18: VOM FREIEN WILLEN
Vom freien Willen wird so gelehrt, daß der Mensch in gewissem Maße
einen freien Willen hat, äußerlich ehrbar zu leben und zu wählen unter
den Dingen, die die Vernunft begreift. Aber ohne Gnade, Hilfe und
Wirkung des Heiligen Geistes kann der Mensch Gott nicht gefallen, Gott
nicht von Herzen fürchten oder an ihn glauben oder nicht die
angeborenen, bösen Lüste aus dem Herzen werfen, sondern dies geschieht
durch den Heiligen Geist, der durch Gottes Wort gegeben wird. Denn so
spricht Paulus: "Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist
Gottes" (1. Kor 2,14). (2 )
ARTIKEL 19: UBER DIE URSACHE DER SÜNDE
Von der Ursache der Sünde wird bei uns gelehrt: wiewohl Gott der
Allmächtige die ganze Natur geschaffen hat und erhält, so bewirkt doch
der verkehrte Wille in allen Bösen und Verächtern Gottes die Sünde, wie
es denn der Wille des Teufels und aller Gottlosen ist, der sich, sobald
Gott seine Hand abzog, von Gott weg dem Argen zugewandt hat, wie
Christus sagt: "Der Teufel redet Lügen aus seinem Eigenen" (Joh 8,44).
ARTIKEL 20: VOM GLAUBEN UND GUTEN WERKEN
Den Unseren wird in unwahrer Weise nachgesagt, daß sie gute Werke
verbieten. Denn ihre Schriften über die Zehn Gebote und andere
beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken einen
guten nützlichen Bericht und eine Ermahnung hinterlassen haben, worüber
man früher wenig gelehrt hat; sondern man hat in allen Predigten vor
allem zu kindischen, unnötigen Werken, wie Rosenkränze,
Heiligenverehrung, Mönchwerden, Wallfahrten, Fastenordnungen,
Feiertage, Bruderschaften usw. angetrieben. Diese unnötigen Werke
rühmen auch unsere Gegner jetzt nicht mehr so sehr wie früher. Außerdem
haben sie auch gelernt, nun vom Glauben zu reden, über den sie doch
früher gar nicht gepredigt haben. Sie lehren jetzt, daß wir vor Gott
nicht allein aus Werken gerecht werden, sondern fügen den Glauben an
Christus hinzu und sagen, daß Glaube und Werke uns vor Gott gerecht
machen, welche Lehre etwas mehr Trost bringen mag, als wenn man allein
lehrt, auf Werke zu vertrauen.
Weil nun die Lehre vom Glauben, die das Hauptstück im christlichen
Wesen ist, lange Zeit - wie man bekennen muß - nicht betrieben worden
ist, sondern überall allein die Lehre von den Werken gepredigt wurde,
ist von den Unseren folgende Unterrichtung gegeben worden:
Erstlich, daß unsere Werke uns nicht mit Gott versöhnen und uns nicht
Gnade erwerben können, sondern das geschieht allein durch den Glauben -
wenn man nämlich glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden vergeben
werden, der allein der Mittler ist, um den Vater zu versöhnen. Wer nun
meint, das durch Werke zu erreichen und dadurch Gnade zu verdienen, der
verachtet Christus und sucht einen eigenen Weg zu Gott gegen das
Evangelium.
Diese Lehre vom Glauben wird deutlich und klar bei Paulus vielerorts
vertreten, besonders hier: "Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den
Glauben, und das nicht aus euch, sondern Gottes Gabe ist es, nicht aus
Werken, damit sich niemand rühme" (Eph 2,8) usw.
Daß hierdurch von uns kein neues Verständnis des Glaubens eingeführt
worden ist, kann man aus Augustinus beweisen, der diese Sache
ausführlich behandelt und ebenfalls lehrt, daß wir durch den Glauben an
Christus Gnade erlangen und vor Gott gerecht werden und nicht durch
Werke, wie sein ganzes Buch "Über den Geist und den Buchstaben" beweist.
Obwohl nun diese Lehre von nicht sachkundigen Leuten sehr verachtet
wird, so zeigt sich doch, daß sie für schwache und erschrockene
Gewissen sehr tröstlich und heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht
durch Werke zu Ruhe und Frieden kommen, sondern allein durch den
Glauben, wenn es bei sich mit Gewißheit schließt, daß es um Christi
willen einen gnädigen Gott hat - wie auch Paulus sagt: "Weil wir durch
den Glauben gerecht geworden sind, haben wir Ruhe und Frieden vor Gott"
(Röm 5,1).
Ferner wird gelehrt, daß gute Werke geschehen sollen und müssen, aber
nicht, daß man darauf vertraut, durch sie Gnade zu verdienen, sondern
um Gottes willen und zu Gottes Lob. Der Glaube ergreift immer nur die
Gnade und die Vergebung der Sünde; und weil durch den Glauben der
Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz befähigt, gute
Werke zu tun. Denn zuvor, weil es ohne den Heiligen Geist ist, ist es
zu schwach; dazu befindet es sich in der Gewalt des Teufels, der die
arme menschliche Natur zu vielen Sünden antreibt, wie wir's an den
Philosophen sehen, die versucht haben, ehrlich und unsträflich zu leben
sie haben es aber dennoch nicht erreicht, sondern sind in viele große,
offenkundige Sünden gefallen. So geht es mit dem Menschen, der ohne den
rechten Glauben und ohne den Heiligen Geist lebt und sich allein aus
eigener menschlicher Kraft regiert.
Deshalb ist diese Lehre vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute
Werke verbiete, sondern vielmehr dafür zu rühmen, daß sie lehrt, gute
Werke zu tun, und Hilfe anbietet, wie man zu guten Werken kommen kann.
Denn außer dem Glauben und außerhalb von Christus ist menschliche Natur
und Vermögen viel zu schwach, gute Werke zu tun, Gott anzurufen, im
Leiden Geduld zu haben, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter fleißig
auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden usw. Solche hohen
und rechten Werke können ohne die Hilfe Christi nicht geschehen, wie er
selbst sagt: "Ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15,5).
ARTIKEL 21: VOM DIENST DER HEILIGEN
Vom Heiligendienst wird von den Unseren so gelehrt, daß man der
Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir
sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben
geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein
Beispiel nehmen, ein jeder in seinem Beruf. Aus der Hl. Schrift kann
man aber nicht beweisen, daß man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei
ihnen suchen soll. "Denn es ist nur ein einziger Versöhner und Mittler
gesetzt zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus" (1.Tim 2,5). Er
ist der einzige Heiland, der einzige Hohepriester, Gnadenstuhl und
Fürsprecher vor Gott (Röm 8,34). Und er allein hat zugesagt, daß er
unser Gebet erhören will. Nach der Hl. Schrift ist das auch der höchste
Gottesdienst, daß man diesen Jesus Christus in allen Nöten und Anliegen
von Herzen sucht und anruft: "Wenn jemand sündigt, haben wir einen
Fürsprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesus" (1. Joh 2,1) usw.
ABSCHLUSS DES ERSTEN TEILS
Dies ist beinahe die Zusammenfassung der Lehre, die in unseren Kirchen
zum rechten christlichen Unterricht und zum Trost der Gewissen sowie
zur Besserung der Gläubigen gepredigt und gelehrt wird. Wie wir ja auch
unsere eigene Seele und Gewissen nicht gern vor Gott durch Mißbrauch
des göttlichen Namens oder Wortes der höchsten Gefahr aussetzen oder
unseren Kindern und Nachkommen eine andere Lehre hinterlassen oder
vererben als eine solche, die dem reinen göttlichen Wort und der
christlichen Wahrheit gemäß ist. Weil denn diese Lehre in der Heiligen
Schrift klar begründet ist und außerdem der allgemeinen christlichen,
ja auch der römischen Kirche, soweit das aus den Schriften der
Kirchenväter festzustellen ist, nicht zuwider noch entgegen ist, meinen
wir auch, daß unsere Gegner in den oben aufgeführten Artikeln mit uns
nicht uneinig sind. Deshalb handeln diejenigen ganz unfreundlich,
vorschnell und gegen alle christliche Einigkeit und Liebe, die die
Unseren als Ketzer abzusondern, zu verwerfen und zu meiden suchen, ohne
daß sie dafür einen triftigen Grund in einem göttlichen Gebot oder in
der Schrift haben. Denn die Uneinigkeit und den Zank gibt es vor allem
wegen einiger Traditionen und Mißbräuche. Wenn denn nun an den
Hauptartikeln kein vorfindlicher falscher Grund oder Mangel
festzustellen ist und dies unser Bekenntnis göttlich und christlich
ist, sollten sich die Bischöfe billigerweise, selbst wenn bei uns wegen
der Tradition ein Mangel wäre, wohlwollender erweisen; obwohl wir
hoffen, stichhaltige Gründe und Ursachen anführen zu können, warum bei
uns einige Traditionen und Mißbräuche abgeändert worden sind.
Der Zweite Teil des Augsburger Bekenntnisses behandelt Regelungen in
der Kirche, die die Reformation als Mißbräuche erkannt und dem
Evangelium gemäß neu geordnet hat. Die Artikel sind überschrieben:
ARTIKEL 22: Von den beiden Gestalten des Sakraments,
ARTIKEL 23: Vom Ehestand der Priester,
ARTIKEL 24: Von der Messe,
ARTIKEL 25: Von der Beichte,
ARTIKEL 26: Von der Unterscheidung der Speisen,
ARTIKEL 27: Von Klostergelübden,
ARTTKEL 28: Von der Gewalt (Vollmacht) der Bischöfe.
Anmerkungen
1. Hier werden wie an
entsprechenden Stellen in den Artikeln 2, 5 ,8 ,9, 12, 16, 17 und 18
Beispiele von Irrlehren aus der Alten Kirche oder der Reformationszeit
genannt, auf die sich die Verwerfungen beziehen. Diese Verurteilungen
wollen das Evangelium vor Entstellungen bewahren, richten sich aber
nicht gegen den persönlichen Glauben bestimmter Menschen. (zurück zum Text )
2. Hier ist der Text gekürzt. (zurück zum Text )