Corona als Mahnung zum Frieden
Wir befinden uns im Krieg. So hat es der französische Staatspräsident Macron in einer Fernsehansprache mit viel Pathos unterstrichen: im Krieg der Menschheit gegen ein Virus. Die Metapher soll für die Akzeptanz der einschneidenden Maßnahmen werben, mit denen das soziale Leben weitestmöglich reduziert wird, um die Ausbreitung der Infektionen zu verlangsamen.
Das Bild vom Krieg drängt sich auf, denn all die schwierigen Maßnahmen, die von den Behörden verhängt werden, sind Elemente, die man aus Kriegszeiten kennt: Ausgangssperren, Freiheitsbeschränkungen, abgeschnittene Verkehrswege, Verbotszonen, unerreichbare Städte und Gebiete, weil sie hinter der Frontlinie sind, abgeschottete Grenzen, geschlossene Schulen und Geschäfte, massive wirtschaftliche Einbrüche, faktisches Ende des Tourismus, Fokussierung auf das Überleben.
Dazu kommen Ängste um die Zukunft: Wie lange wird das gehen? Wird die Versorgungslage stabil bleiben? Wird es meine Firma noch geben? Wie lange hält die öffentliche Ordnung?
Kein Krieg
Der große Unterschied zum Krieg besteht darin, dass all diese Maßnahmen (relativ) freiwillig ergriffen werden – aus Solidarität, um Menschenleben zu retten. Dass man auch anders denken kann, bewiesen der britische Premierminister Boris Johnson, der mit dem Motto „Keep calm and carry on“ – weiter wie bisher – die wirtschaftlichen Folgen scheute und dafür ein paar tausend Tote offenbar locker einkalkulierte. Und Donald Trump beschimpfte das „ausländische“ Virus, um gleich darauf die Impfstoffentwickler „exklusiv“ für die USA abwerben zu wollen. Beide Politiker sind auch zuvor nicht durch besonders soziales Denken aufgefallen. Trotz dieser Ausnahmen – die Grundmaxime heißt Solidarität in der Gesellschaft. Die Rücksicht auf die älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sind der Motor für den Verzicht, an dem sich auch die Kirchen aktiv beteiligen. Fasten einmal anders. Und diese Perspektive bewirkt den Unterschied. Dazu kommt die Tatsache, dass die Corona-Pandemie nicht durch Streit und Machtkampf zwischen Nationen hervorgerufen wurde, sondern der freundschaftlich friedliche Austausch unter den Ländern nun durch das Virus angegriffen und behindert wird.
Mahnung zum Frieden
So wird die Corona-Pandemie zu einer großen eindrücklichen Mahnung für den Frieden. All die Probleme, Einschränkungen und Sorgen, die die Menschen jetzt bewegen, bringt genau so auch ein Krieg mit sich – nur noch viel schlimmer. Dann gibt es zusätzlich noch zerstörte Häuser und Infrastruktur, viel mehr Tote, zerrissene Familien, Feindschaft und abgrundtiefes Elend. Ein Blick in die Straßen in Syrien illustriert das eindrücklich. An Staatshilfen für ausgefallene Künstlerhonorare denkt dort niemand. „Ein Krieg ist volkswirtschaftlich immer die teuerste aller denkbaren Entwicklungen.“ Das hörte ich mal ein einen hohen Offizier der Bundeswehr erklären, als es um das Verhältnis von Rüstungsausgaben zu Aufwendungen für zivile Konfliktlösungen ging. Wie recht er hat, wird in diesen Tagen deutlich, auch wenn die Welt „nur“ einen Krieg gegen eine Krankheit führt.
Manöver
Während die europäischen Regierungen mit spitzem Stift rechnen, wo sie welche Wirtschaftshilfen gegen die drohende Pleitewelle einsetzen können und die Stadt Dresden überlegt, ob sie es schaffen könnte, vielleicht 20 Kinder aus dem völlig überfüllten Flüchtlingslager in Lesbos aufzunehmen, waren im Rahmen des Manövers „Defender-Europe 20“ rund 37 000 US-Soldaten mit entsprechendem Material und Fahrzeugen auf dem Weg nach und durch Europa, um in Osteuropa für Präsident Putin eine Machtdemonstration abzugeben. Die Kosten dafür allein auf US-amerikanischer Seite wurden aus militärnahen Kreisen auf 340 Mio. Dollar geschätzt.(1) Proteste aus der Zivilbevölkerung gegen diese größte Truppenverlegung seit 25 Jahren waren überschaubar. Zu sehr war die Nachrichtenlage von Corona übersättigt. Inzwischen hat das Virus auch das Manöver gestoppt. Die Truppenbewegungen sind ausgesetzt, Schiffe kehren um.
Aber angesichts dieses Manövers lohnt die Frage durchaus: Was sichert Frieden und Freiheit? Welche Rolle spielt das Militär und welchen Einfluss haben zivile Konfliktlösungsstrategien?
Miteinander
Wenn es darum geht, die Freiheiten zurückzugewinnen und zu behalten, die das Leben beglücken und bereichern, ist das Militär strukturell und inhaltlich kein Vorbild. Man muss kein Radikalpazifist sein, um zu erkennen, dass eine Doktrin der Abgrenzung, Blockbildung, militärischer Stärke und Abschreckung weitaus weniger zur Friedenssicherung beiträgt, als freundschaftliche Vernetzung, vielfältige Handelsbeziehungen und gegenseitige Abhängigkeit. Das gilt zwischen Nachbarn wie zwischen Staaten.
In dem Brettspiel „Pandemie“ geht es darum, dass die Spieler nicht gegeneinander, sondern miteinander agieren. Nur gemeinsam, bei guter Abstimmung und klugem Einsatz ihrer jeweiligen Ressourcen und Fähigkeiten haben sie eine Chance, gegen die sich exponentiell ausbreitenden Seuchen vorzugehen und rechtzeitig ein Gegenmittel zu entwickeln. Das gilt nicht nur für das Spiel, sondern auch für die Gesellschaft, aus der es abgeleitet ist. Wo nationale Einzelinteressen überhandnehmen, scheitern alle. Wo es Verständigung und Zusammenarbeit gibt, können alle gewinnen – nur dort.
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(1) https://breakingdefense.com/2019/12/from-the-baltic-to-black-seas-defender-exercise-goes-big-with-a-big-price-tag
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