Der Guru-Pfau

World Harmony Concert mit Sri Chinmoy in Dresden

Vom Pfau sagt der Volksmund/die Fabel, dass er sich gelegentlich mit fremden Federn schmückt. An diese Redensart fühlte ich mich unwillkürlich erinnert, als ich den Auftritt von Sri Chinmoy am 18. 9. 2005 in Dresden erlebte.

Die beklebte Stadt

Schon Monate vor der Veranstaltung war plötzlich nahezu die gesamte Stadt mit Plakaten beklebt, die zum „World Harmony Concert“ einluden. Anfangs nur mit dem Schattenriss des Kopfes von Sri Chinmoy versehen und noch ohne namentlichen Hinweis, kamen später weitere Plakate hinzu, die erklärten dass „Maestro Sri Chinmoy“ ein unvergessliches Konzerterlebnis bieten werde. Zusammen mit den Konzertplakaten waren Einladungen zu Meditations- und Yoga-Sommerkursen geklebt worden, die in den Wochen vor dem Konzert stattfinden sollten. Sri Chinmoys Name war auf diesen Plakaten nirgends angegeben.

Die klein gedruckten Hinweise auf den Plakaten „Bitte nicht wild Plakatieren“ wurde großzügig ignoriert, fanden sie die Plakate doch an allen möglichen und unmöglichen Stellen angebracht, von denen die offiziellen Plakatflächen die große Ausnahme waren. Würde man jedes Philharmoniekonzert auf diese Weise bewerben, wäre die Stadt bald nicht mehr wiederzuerkennen.

Im Congress Center

Als Veranstaltungsort fungierte das ganz neue Congress Center an der Elbe - ein hochmoderner Bau mit allem, was sich Veranstalter wünschen können. Möglicherweise lockte diese Adresse auch etwas: wann kommt man sonst so einfach kostenlos dort zu einem Konzert hinein? Im Foyer waren Schautafeln über das Wirken und die Aktivitäten Sri Chinmoys aufgestellt und auf einer Reihe von Büchertischen wurden Schriften, CDs und DVDs von Sri Chinmoy angeboten. Für das Konzert war der große Saal gebucht und um die angrenzenden Säle erweitert worden, so dass insgesamt ca. 3000 Plätze bereit standen. Der Andrang der Dresdner Bürger war jedoch so stark, dass ein Sprecher die anwesenden Schüler Sri Chinmoys bat, ihre Plätze für die Besucher freizugeben und im Foyer das Konzert abzuwarten. Nachdem ca. 200 weißgekleidete Jünger und in Saris gehüllte Anhängerinnen des Maestro nach draußen geströmt waren, wurden die erwartungsvollen Besucher noch darüber informiert, dass die spirituell anregende Musik des Gurus nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen erfasst werden müsse. Auch wurde rekordverdächtiges berichtet: auf einem ähnlichen Konzert habe der Meister auf über 100 verschiedenen Instrumenten gespielt. Wer jetzt schnell rechnete, wieviele Minuten dann für ein einzelnes Instrument bleiben, konnte an dieser Stelle schon ahnen, welche Sorte Kunstgenuss zu erwarten war. Ganz so extrem war es am Ende nicht, Sri Chinmoy begnügte sich in Dresden mit 17 verschiedenen Instrumenten. Die zahlreichen ebenfalls auf der Bühne stationierten Flöten blieben zur Erleichterung der Mehrheit des Publikums, soviel sei hier schon verraten, unangetastet.

 

Der Prominentenfreund

Doch soweit ist es noch nicht, denn am Beginn des Konzertes stand zunächst eine Videovorführung. Darin wurde in immer wieder ähnlichen Bildern Sri Chinmoy in der Nähe verschiedener prominenter Persönlichkeiten gezeigt. Den Anfang machte Papst Johannes Paul II., gefolgt von Michail Gorbatschov, Nelson Mandela, Mutter Theresa, Kofi Annan und diversen UNO-Mitarbeitern. Von manchen wurden zusammengeschnittene Redebeiträge präsentiert, wobei mitunter nicht eindeutig war, ob diese Reden wirklich Sri Chinmoys Friedensarbeit lobten, wie es Zusammenschnitt und Übersetzung nahelegen sollten, oder ob sie anderen Zusammenhängen entnommen waren. Alles in allem haftete dieser Videovorführung ein schaler Beigeschmack an. Was für eine Friedensarbeit hat Sri Chinmoy denn nun eigentlich geleistet? Dies blieb merkwürdig nebulös. Die Personen, die dort angeblich für Sri Chinmoy Zeugnis ablegten, waren allesamt durch eigene respektable Leistungen zu öffentlichem Ansehen gelangt. Zu jeder dieser Persönlichkeiten könnten wohl viele Bürger die Dinge nennen, die sie zum Wohl der Menschheit getan haben. Sri Chinmoys Verdienste verblassen daneben erheblich. Was bleibt, ist, dass er seine Schüler anhält, auf ihn zu meditieren, daneben Konzerte gibt und Sportveranstaltungen seinen Namen leiht, bei denen andere rennen oder schwimmen. So erscheint er als ein Guru, der solches Schmücken mit fremden Federn zu seinem Markenzeichen ausgebaut hat.

Gewichtige Täuschung

Apropos Sport: immer wieder waren Bilder dazwischen, in denen Sri Chinmoy als Gewichtheber auftrat und dabei scheinbar gewaltige Gewichte stemmte. Genau genommen sah man aber nichts anderes, als dass Sri Chinmoy an verschiedenen Stahlkonstruktionen an Stangen drückte, und sich anderswo Personen oder Elefanten bewegten. Welche Kraft dafür tatsächlich aufzuwenden war, lässt sich nur nach Untersuchung der Hebelwirkungen in diesen Gerätschaften sagen. Somit lastet auch auf dieser Darstellung der Verdacht der Unwahrhaftigkeit und des Betruges: es soll suggeriert werden, Sri Chinmoys besondere Gottverwirklichung befähige ihn zu übermenschlichen Leistungen, faktisch übernehmen jedoch die Hebel das angebliche Wunder.

 

Harmonien Mangelware

World Harmony Concert stand auf den Einladungsplakaten. Die einzigen Harmonien konnte man von einem Streichertrio vernehmen, dass mit einem durchaus professionell vorgetragenen meditativen Stück den musikalischen Teil des Konzertes einleitete. Als Sri Chinmoy die Bühne betrat, änderte sich das qualitative Niveau um Dimensionen. Wie angekündigt spielte er verschiedene Instrumente, keines jedoch länger als drei Minuten und auch keines gut genug, als dass man damit hätte einen Auftritt wagen sollen. Die musikalischen Fähigkeiten können es nicht sein, für die ihn seine Anhänger lieben, denn sie bewegen sich durchweg auf dem experimentellen Niveau eines 8jährigen, der mit Freude neue Instrumente ausprobiert. Egal wieviele Seiten die diversen Zupf- und Streichinstrumente hatten, Sri Chinmoy benutzt stets nur die oberste von ihnen. Die Melodieführungen klangen für europäische Ohren ungewohnt und irgendwie indisch. Mitunter hatte man den Eindruck, der Musiker war selbst vom nächsten Ton überrascht. Einzige Erholung verschafften die kurzen und sauber einstimmig gesungenen Choreinlagen der Schülerinnen und Schüler Sri Chinmoys.

Die bescheidene musikalische Qualität der Darbietungen hatte für die Anhänger den Vorteil, dass sie nicht lange im Foyer ausharren mussten. Als nach ca. 20 Minuten Konzertdauer auch für das unvorbereitete Publikum abzusehen war, dass eine Verbesserung nicht mehr zu erwarten war, setzte bei jedem Instrumentwechsel eine regelrechte Massenflucht ein. Nach der ersten Stunde war der Saal halb leer, was rechnerisch bedeutet, dass ca. 1500 Personen im laufenden Konzert gegangen sind - das ist allerdings rekordverdächtig.

Gefährlich?

Sorgen um die missionarische Ausstrahlung Sri Chinmoys wird man sich angesichts dieses Konzertes wohl nicht machen müssen - es war abschreckend genug. Um die Anhänger wird man sich aber angesichts dieser Erlebnisse um so mehr sorgen müssen. Was muss mit ihnen geschehen sein, dass sie einen solchen Realitätsverlust erleiden? Sie waren es ja, die dieses extrem teure Konzert komplett finanziert haben. Wie kann es sein, dass sie angesichts der Massenflucht von tausenden Zuhören nicht ins Zweifeln kommen? Wie können sie die tonalen Experimente ihres Meisters in überschwänglicher Weise als hohe Kunst preisen?

 

An der im Anschluss an das Konzert stattfindenden Begegnung des Gurus mit seinen Schülern durfte ich nicht mehr teilnehmen. Die Gespräche im Foyer konnten die oben genannten Fragen nicht zufriedenstellend beantworten. Die Mahnung des Ansagers am Beginn, den Verstand außen vor zu lassen, haben die Anhänger offenbar bereits verinnerlicht. Als Lebenshaltung kann solches aber kaum gesund sein.

Harald Lamprecht

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2005 ab Seite 03