Versöhnung zur Ökumene
Der 29. November 2014 wird als denkwürdiger Tag in die Geschichte der Apostolischen Bewegung eingehen. An diesem Tag wurde in Düsseldorf feierlich eine Erklärung zwischen Neuapostolischer Kirche und Apostolischer Gemeinschaft unterzeichnet, die die Versöhnung zwischen beiden Kirchen beschreibt und einen vorläufigen Schlussstrich unter das bis dahin bestehende Zerwürfnis zieht. Diese Erklärung gilt als wichtiges Signal für den weiteren Weg der NAK zur Ökumene, bildete doch die Spannung zur Apostolischen Gemeinschaft ein wesentliches Hindernis für eine mögliche Aufnahme der NAK in die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). Immerhin war die Apostolische Gemeinschaft erst jüngst Mitglied der ACK geworden und eine unversöhnliche Feindschaft zweier Mitgliedskirchen verträgt sich nicht mit Inhalt und Anliegen der ACK. Wenn der Riss zwischen den beiden Kirchen nun aber so tief war - wodurch wurde dann eine solche Versöhnung möglich, wie sie in der Erklärung zum offiziellen Ausdruck kommt?
Hintergründe
Um die Versöhnung zu verstehen, müssen die Ursachen der Trennung in den Blick genommen werden. Diese hängt wesentlich mit der sogenannte „Botschaft“ von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff aus dem Jahr 1951 zusammen. Da nämlich hatte Bischoff (als 80-Jähriger!) verkündet: „Der Herr kommt zu meiner Lebenszeit wieder. Ich bin der Letzte, nach mir kommt keiner mehr.“ Gott selbst habe es ihm offenbart, dass er der letzte Stammapostel sein werde, weil der Herr noch zu seinen Lebzeiten seine Braut heimholen wolle. In den folgenden Jahren wurde diese Botschaft zum verpflichtenden Glaubensinhalt der NAK erhoben – und auch hochrangige Amtsträger ausgeschlossen, die sie nicht verkünden wollten. Das betraf u.a. auch Peter Kuhlen, vorher Stammapostelhelfer und eigentlich designierter Nachfolger von Stammapostel Bischoff. Zusammen mit ihm verließen ca. zehntausend Gläubige die NAK und bildeten 1955 die „Apostolische Gemeinschaft“.
Bischoff selbst starb 1960. Die NAK wählte sofort einen neuen Stammapostel und erklärte, nicht der Stammapostel habe sich geirrt, sondern Gott hätte seine Meinung geändert. Diese Interpretation prägte den Umgang der NAK mit der „Botschaft“ in der weiteren Zeit. Damit blieben auch diejenigen aus NAK-Perspektive im Unrecht, die – wie Peter Kuhlen – den göttlichen Ursprung der „Botschaft“ und ihre Erfüllung angezweifelt hatten.
Noch im Jahr 2007 äußerte eine Historikerkommission der NAK, die Gründungsväter der Apostolischen Gemeinschaft seien zu Recht ausgeschlossen worden, weil sie sich nicht dem Stammapostel untergeordnet hätten, dessen Botschaft ja von Gott autorisiert war. Nach diesem Ergebnis brach die Apostolische Gemeinschaft ihre mittlerweile betriebenen Dialogbemühungen zur NAK ab. Stammapostel Leber bemühte sich um Schadensbegrenzung und um vorsichtige Neuanfänge des Gespräches. Zugleich stellte er intern die Weichen neu. Als letzte Amtshandlung während seines Stammapostelamtes publizierte er im Mai 2014 eine erste zusammenhängende Stellungnahme zur „Botschaft“ von Bischof, die deutlich auf Distanz zur früheren Linie der NAK ging: Die Botschaft hätte kein Dogma werden dürfen, sie war nicht ausreichend biblisch begründet, auch die bisher vertretene These, Gott habe seinen Willen geändert, ließe sich nicht aus der Heiligen Schrift belegen. Die Erklärung enthält die entscheidenden Sätze:
„Ich möchte betonen: Die Neuapostolische Kirche hält heute nicht mehr daran fest, dass es sich bei der Botschaft von Stammapostel Bischoff um eine göttliche Offenbarung gehandelt hat.“ „Es ist mir ein Anliegen, jene um Verzeihung zu bitten, die unter der Botschaft des Stammapostels Bischoff gelitten haben oder sich sogar von der Kirche abwandten.“1
Damit hat Leber einerseits innerhalb der NAK die Grundlage dafür gelegt, dass nun eine noch weiter gehende Erklärung herausgegeben werden konnte. Andererseits hat Leber damit auch bei der Apostolischen Gemeinschaft verlorenes Vertrauen neu gewinnen können. Spannend blieb dennoch die Frage, ob und wie sein Nachfolger im Amt des Stammapostels, Jean Luc Schneider, den so vorgezeichneten Pfad weiter gehen würde.
Die Erklärung
Diese Frage ist nun nicht mehr offen. Stammapostel Schneider hat die Gespräche so weiter gepflegt, dass das neue Dokument nun gemeinsam von NAK und Apostolischer Gemeinschaft herausgegeben und von den höchsten Repräsentanten beider Kirchen unterzeichnet werden konnte. Nach einem Abriss zur Geschichte der „Botschaft“ kommt die Erklärung zu folgender Bewertung: „Aus theologischer Sicht muss sich jede Botschaft Gottes grundsätzlich erfüllen. Da sich die Botschaft nicht erfüllt hat – Stammapostel Bischoff starb 1960 – lässt sich die Bewertung ableiten, dass sie keine göttliche Offenbarung war. Sie hätte in dieser Form keinen Einzug in die Lehre und Verkündigung finden dürfen.“ Weiterhin heißt es: „Die Kirchenleitung der Neuapostolischen Kirche entschuldigt sich ausdrücklich bei den Amtsträgern, die wegen dieser Vorgänge aus der Kirche ausgeschlossen sowie bei allen, die dadurch in Mitleidenschaft gezogen wurden.“
Bedeutung
Neben der Befriedung des Konfliktes mit der Apostolischen Gemeinschaft hat das Dokument darin Bedeutung, dass es die Reformwillig- und -fähigkeit der NAK unter Beweis gestellt hat. Es lässt sich nun nicht mehr ernsthaft behaupten, der Reformprozess sei nur Fassadenstreichen um leichtgläubige ökumenische Gremien beeindrucken zu können, aber im Inneren bliebe alles beim Alten. Immerhin hat die NAK hier mit dem Stammapostelamt ein Herzstück neuapostolischer Identität neu bewertet und darauf bezogene unbiblische und irrationale Übersteigerungen spürbar reduziert. Natürlich ist es ein Anliegen der NAK–Kirchenleitung, auch ihre konservativen Kräfte mitzunehmen. Darum lassen sich immer wieder diesen gegenüber gemachte Zugeständnisse finden. Der Kurs der Kirche insgesamt ist jedoch deutlich und glaubhaft darauf bezogen, den eigenen Platz nicht mehr anstelle, sondern in Gemeinschaft mit anderen Kirchen zu suchen.
Die Dokumente:
http://www.nak.org/fileadmin/download/pdf/BotschaftBischoff/Stellungnahme_zur_Botschaft_von_Stammapostel_Bischoff.pdf
http://www.nak.org/fileadmin/download/pdf/BotschaftBischoff/ErklaerungzurVersoehnung_NAK-VAG.PDF