Windspiel zum Glück

Feng Shui im Vormarsch

Wer ein Haus bauen, seine Wohnung oder ein Büro einrichten möchte, dem wird immer öfter empfohlen, sich dabei nach den Regeln des Feng Shui zu richten. Was ist Feng Shui?

Der Name weist darauf hin, dass es sich um eine aus China stammende Lehre handelt. Übersetzen könnte man es mit "Wind und Wasser". Feng Shui ist eine chinesische Form der Geomantie, jener Lehre, die sich um die Kenntnis und Berücksichtigung unsichtbarer Zusammenhänge und Kräfte der Erde bemüht.

Grundlage: Qi, die Lebensenergie

Grundlegend ist die Vorstellung einer universalen Lebensenergie, des sogenannten Qi (auch Chi, Ki o. ä.), das alle Daseinsbereiche durchströmt und beeinflusst. "Qi ist die unsichtbare Energie, die im menschlichen Körper pulsiert und die Landschaften dieser Welt mit Klang erfüllt - immer in Bewegung, umherwirbelnd, kreisend und sich schließlich niederlassend. Und wo immer sie sich niederläßt oder Qi entsteht, wird eine besondere Energieform freigesetzt, die wie ein Magnet Glück und Fülle anzieht, Glück und Lebenskraft beschert und enormen Reichtum und Wohlstand schafft."

Schulen und Richtungen

Nach der Auffassung der Feng-Shui-Experten kommt es darauf an, Hindernisse für die optimale Verteilung des Qi im Wohnumfeld zu erkennen und wenn möglich zu beseitigen. Worin die Kriterien für ein optimales Qi bestehen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Verschiedene Schulen und zahlreiche Richtungen haben sich entwickelt, deren bedeutendste die Formenschule und die Kompassschule sind. Die Formenschule bezieht ihre Kriterien vorrangig aus den Gegebenheiten der umgebenden Landschaft. Die Kompassschule hingegen geht vorrangig von den Himmelsrichtungen aus, in denen sich ein Gebäude bzw. dessen Eingänge und Lebensbereiche befinden.

Daoistische Wurzeln

In allen Schulen werden die jeweils vorgefundenen Verhältnisse mit Vorstellungen des Daoismus verbunden und darauf übertragen.
Zu diesen daoistischen Elementen, die im Feng Shui Verwendung finden, gehört die Rede von den beiden Polaritäten Yin und Yang, deren Ausgleich Harmonie bedeutet.

Weiterhin sind die fünf Wandlungsphasen der fünf Elemente von grundlegender Bedeutung. Wasser erzeugt Holz, Holz nährt das Feuer, Feuer erzeugt Erde (Asche), Erde bringt Metall hervor. Umgekehrt gilt der destruktive Zyklus: Holz zerstört (entkräftet) die Erde, Erde zerstört das Wasser, Wasser löscht das Feuer, Feuer schmilzt das Metall, Metall zerschneidet das Holz. Die einzelnen Elemente seien aber nicht als reale Substanzen zu verstehen, sondern als Symbole und abstrakte Kräfte für bestimmte grundlegende Eigenschaften der Materie. Indem nun diese Abhängigkeiten auf das Wohnumfeld übertragen werden, kommen Feng-Shui-Berater zu Aussagen über die besondere Qualität von Lebensräumen.

Nach den Regeln der in bergigen Regionen Chinas entstandenen Formenschule entspricht eine Bergkette mit spitzen Kuppen aufgrund ihrer Formähnlichkeit zu einer Flamme dem Element Feuer. "Wenn also jemand in einem Tal zu bauen gedenkt, dass rundherum spitzzackige Berge hat, sollte der- oder diejenige kein Holzhaus bauen, und schon gar keinen Turm. Feuer wird von Holz ernährt und das bedeutet erhöhte Brandgefahr für das gesamte Gebäude."

Andere Schulrichtungen ordnen die einzelnen Elemente dem jeweiligen Geburtsjahr eines Bewohners zu und begründen damit ihre Schlüsse. "Wenn beispielsweise jemand in einem Jahr geboren wurde, das das FEUER als Element führt, dürften logischerweise viele Pflanzen (HOLZ) im Haus für eine angenehme Atmosphäre sorgen; hingegen wäre das Vorhandensein von WASSER (beispielsweise Aquarien, Teiche, Brunnen) nicht wünschenswert, denn WASSER zerstört das FEUER."

Bagua und Lo Shu

Das Repertoire der Deutungsmöglichkeiten für optimales Qi ist damit noch bei weitem nicht erschöpft. Es findet eine Erweiterung durch die Aufnahme der Acht Trigramme (chines.: Ba-Gua) des altchinesischen Buches I-Ging. Dabei handelt es sich um Abbildungen von jeweils 3 unterbrochenen oder durchgehenden Stäben, mit denen eine komplexe Symbolik verbunden wird. Deren Symbolik wird auf den Wohnraum übertragen. Daraus resultiert eine Einteilung der Wohnfläche in 8 Lebensbereiche (Reichtum, Ruhm, Partnerschaft, Familie, Kinder, Wissen, Karriere, Freunde) entsprechend dem "magischen Quadrat" des Lo-Shu. Demnach symbolisiere jeder Teil jeweils einen Bereich des Universums wie auch einen Bereich des Lebens. "Der Zustand in einer Zimmerecke oder eines Bereiches in einer Firma spiegelt so eine besondere Qualität wie beispielsweise Karriere oder Finanzen. Zum Ausdruck kommt der momentane Zustand. So spiegelt die Raumstruktur die Firmenstruktur, die Position des Chefs, seine Stellung im Unternehmen usw. wider." Wenn man nun in dem einem räumlichen Bereich Veränderungen vornimmt, so die Vorstellung der Berater, dann hat das Auswirkungen auf den damit assoziierten Bereich.
Vollends komplex werden die Systeme, wenn durch die Einbeziehung der chinesischen Astrologie der Faktor Zeit noch hinzugezogen wird.

Praxis

Wie kann nun eine Feng-Shui-Beratung in der Praxis aussehen?

Einige Beispiele:
"Immer wieder bitten mich Paare um eine Fengshui-Beratung, weil sie keine Kinder bekommen. Die Frau hat in diesen Fällen meistens schon mehrere Fehlgeburten erlitten. Wenn ich mir dann den Bereich für Nachwuchs ansehe, stelle ich immer entsprechende Hindernisse fest. Entweder liegt dort das WC und spült die Energie für Nachwuchs hinunter oder der Bereich ist zum Beispiel durch einen Einschnitt von einem Balkon nicht vorhanden oder wegen eines großen Fensters hält sich dort keine Energie."

"Eine 74jährige Dame litt bereit seit acht Jahren unter Hautausschlag am ganzen Körper. Kein Arzt und kein Heilpraktiker konnten helfen. Ich kam in ihre Wohnung und sah, dass wie in den meisten Wohnungen und Häusern auch hier gegenüber der Eingangstür ein großes Fenster war. Die Energie kam also zur Eingangstür herein und floss geradeaus hinten zum Fenster wieder hinaus. Damit stand für die Gesundheit keine ausreichende Energie zur Verfügung! [...] Die Lösung war recht einfach: Es musste nur das hintere Fenster energetisch durch ein Klangspiel, eine Energiekarte oder einen facettierten Bergkristall geschlossen werden. Den letzten Endes ist alles eine Frage der Energie."

Andere Feng-Shui-Berater lehnen eine derartige Vorgehensweise ab. Sie bezeichnen jene Richtung, die mit der Intuition des Beraters und mit äußeren "Heilmitteln" wie Spiegeln, Klangspielen oder Springbrunnen arbeiten, in Anlehnung an Fast-Food als "McFengshui". Obwohl dies die im Westen am meisten verbreitete Richtung sei, gebe es wohl "in ganz Asien keinen einzigen Fengshui-Berater, der mit dieser Methode arbeitet."

Feng Shui und Religion

Wie verhält sich Feng-Shui zur Religion?
Dem Selbstverständnis vieler Vertreter dieser Methode nach hat sie nichts Religiöses an sich. Sie möchten lediglich Hilfestellungen bieten, wie die Berücksichtigung kosmischer Zusammenhänge zu einem besseren und harmonischeren Leben führen kann. Die Sicht, worin diese kosmischen Zusammenhänge bestehen, stammt indessen ohne Frage aus der chinesischen Volksreligiosität. Zudem betonen jene Berater, die tieferes Verständnis für sich in Anspruch nehmen, dass wirkliche Veränderungen nur von einer veränderten Lebenseinstellung der Person zu erwarten sind. Feng Shui ist dann nicht nur Architektur oder Wohnraumgestaltung, sondern eine Methode zur spirituellen Entwicklung, ein "hervorragendes Hilfsmittel, um uns selbst zu erkennen und neu zu erschaffen." Das bedeutet, dass es "gelebt und damit zugleich immer neu gestaltet" werden muss.
Dies zeigt, dass es den tiefergehenden Ansätzen letztlich nicht um Veränderung der Wohnumwelt, sondern um eine Lebensgestaltung im Sinne daoistischer altchinesischer Philosophie geht.

Kritik

Kritik an Feng Shui kommt bereits aus dem eigenen Lager. Die Vielfalt der komplexen Symbolik und ihrer jeweiligen Interpretationen schafft eine solche Fülle von Auslegungsmöglichkeiten, dass bei gleicher Ausgangssituation je nach Berater sehr verschiedene Lösungsansätze empfohlen werden können. Willkür ist an der Tagesordnung, so dass selbst Vertreter des Feng Shui nach "Qualitätskontrollen" rufen und sich um den Verbraucherschutz sorgen. Ob jedoch weitere Ausbildung dieses Problem lösen wird, darf bezweifelt werden. Zum einen ist die Vielfalt z. T. einander widersprechender Deutungsmuster systemimmanent, zum andern zeigt sich bereits bei näherer Betrachtung der dem gesamten System zugrundeliegenden Idee vom Qi und seiner Ausbreitung, dass die Vorstellungen darüber ausgesprochen diffus und unklar sind. Es entsteht der Eindruck, dass mitunter behauptet wird, was gerade passt - denn Qi ist flexibel und lässt sich schlecht überprüfen.
Die überquellenden Regale in den Buchhandlungen suggerieren, Glück könne käuflich sein und Harmonie ließe sich "einrichten". In der Regel wird man besser daran tun, sich auf seinen gesunden Menschenverstand oder den Rat eines "klassischen" Architekten zu verlassen, als auf die Hinweise eines Feng-Shui-Beraters.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://confessio.de/index.php/artikel/64

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2000 ab Seite 11