Umstrittene Tarot-Ausstellung in Wurzen

Vom Kartenspiel zum Tarot

Zur Eröffnung der Ausstellung „Vom Kartenspiel zum Tarot“ im Alten Rathaus in Wurzen fand im Rahmen der Leipziger Buchmesse im März 2008 ein Vortrag des Autors und Verlegers Johannes Fiebig statt. Nach einem Bericht der Leipziger Volkszeitung wurde den Teilnehmern Tipps gegeben, „wie man sich mit Gewinn auf die Karten einlassen kann.“

Zwar betonte der Referent, die Symbolkarten des Tarot seien lediglich Wegweiser, um sich selbst mit der eigenen Psyche zu beschäftigen und kein Wahrsageinstrument. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass sie in der Mehrzahl der Fälle genau so eingesetzt werden. Das hoch komplexe Deutungssystem der Karten eröffnet dem Kartenleger ein enormes Manipulationspotential. Tarot-Karten verhelfen in der Regel nicht zu einem „normalen“ Beratungsgespräch, weil sie in der Erwartungshaltung stark okkult aufgeladen sind. Welche Karten jeweils ausliegen, ist Zufall. Genau dieser Zufall wird aber im Konzept des Tarot meist geleugnet und unterstellt, dass eine - nicht näher definierte - höhere Macht oder Instanz, die für die jeweilige Person und Situation spezifischen Karten zum Vorschein gebracht habe.

Psychologische Deutungen gehen davon aus, dass der Klient selbst die Assoziationsketten aufbaut und die Bezüge der Symbolbilder zu seiner Lebenswirklichkeit herstellt. Weil dies aber nicht wahrgenommen wird, erhalten die Karten und der Ausleger eine mystifizierende Aufwertung. Zudem gehen die Ratsuchenden in der Regel nicht zum Tarotkartenleger, um eine fachlich fundierte psychologische Beratung zu erhalten, sondern um ihre Existenzängste durch einen „Blick in die Zukunft“ zu bannen oder Hilfen bei schwierigen Lebensentscheidungen zu bekommen. Dafür ist es aber das falsche Mittel.

HL / LVZ 17.3.2008

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2008 ab Seite 05