2012

Emmerich, Maya und das Ende aller Tage

„Die Welt soll untergehen“, tönt es. Mal wieder, könnte man nüchtern kommentieren. Schließlich nichts Neues. Immer mal wieder sind sich Personen und ihre Anhänger sicher, den richtigen Termin für das Ende zu haben. Die christliche Erwartung der Wiederkunft von Jesus führte in der Geschichte immer wieder auch zu übersteigerten Endzeiterwartungen. Am bekanntesten sind die Weltuntergangstermine der Zeugen Jehovas 1874, 1914, 1925, 1975 und die als „Botschaft“ prophezeite Wiederkunft Christi noch zu Lebzeiten des neuapostolischen Stammapostels Johann Gottfried Bischoff. Insbesondere in der Esoterikszene meinen nun manche, der 21. Dezember 2012 sei der definitive Termin für das Ende aller Tage. Der erste Gedanke könnte sein, dass mal wieder eine neue Weltuntergangssekte aufgetreten sei, oder die allgemeine Publicity von Roland Emmerichs aktuellem Streifen die Grenzen zwischen Film und Realität verwischen ließ. Die Quelle für diese Spekulationen soll aber um einiges älter, sicherer und vor allem authentischer sein: Im Dezember 2012 soll der 13. Kalenderzyklus der Maya enden. Dieses Ende des Zyklus soll etwas so Besonderes sein, dass die Welt danach nicht mehr so ist, wie sie war – im wörtlichen Sinn. Doch was macht gerade die Maya so vertrauenswürdig?

Ein Jubiläum im Kalender

Es ist zu attestieren, dass es sich bei Maya vom vierten bis zum neunten Jahrhundert um eine Hochkultur handelte. Sie hatten zu dieser Zeit ein komplexes Schriftsystem und eine anspruchsvolle Mathematik. Ein hoch entwickeltes Kalendersystem entstand aus beachtlichen astronomischen Forschungen. Dem Kalender gingen sehr lange Beobachtungen von Himmelserscheinungen voraus. Dadurch wurde ihre Regelmäßigkeit erkannt und je länger in den Himmel geschaut wurde, desto präziser wurden die Beobachtungen. Die Umlaufzeiten der von der Erde aus sichtbaren Planeten waren den Maya bereits bekannt. Sie stellten auch schon Gleichungen auf, wie die Erscheinungen in einen Zusammenhang zu bringen seien. Ebenso konnten Sonnen- sowie Mondfinsternisse errechnet werden. Zur Datierung von Ereignissen nutzten die Maya je nach Anlass drei unterschiedliche Kalender. Davon sind zwei besonders interessant. Einer galt als „Lange Zählung“, ein Kalender, der zuvorderst zur Himmelsbeobachtung und Geschichtsschreibung genutzt wurde. Dieser Kalender besteht aus 5 „Platzhaltern“, die in etwa so angegeben werden können: „x.x.x.x.x.“. In einem speziellen Zahlensystem wird die Zeit in Tagen seit dem Beginn der Zeit, also im System seit dem Tag „0.0.0.0.0“ gezählt. Der zweite Kalender ist ein religiöser Kalender, den man sich als zwei ineinander greifende Zahnräder vorstellen muss. Eines dieser „Räder“ hat die Zahlen 1 bis 13, das andere ist mit Tagesnamen versehen. Insgesamt sind nach diesem Kalender 260 Kombinationen möglich. Eine ganz spezielle Kombination trägt den Titel „4 Ahau“, was nach dem Glauben der Maya eine Anspielung auf vier Schöpfungen ist. Der erste Tag, also Schöpfungstag in der „Langen Zählung“, ist natürlich ein solcher „4 Ahau“ im religiösen Kalender. Obwohl der Titel Ahau immer wieder vorkommen kann, so ist doch der Titel „4 Ahau“ aufgrund der Seltenheit und aufgrund der mythologischen Relevanz etwas ganz Besonderes. Für die Übertragung der „Langen Zählung“ in den Gregorianischen Kalender gibt es verschiedene Möglichkeiten. Folgt man der verbreitetsten, so ergibt sich im Dezember 2012 ein besonderes Jubiläum im Maya-Kalender: Die Kombination von x.0.0.0.0 in der „Langen Zählung“ mit den „4 Ahau“ des religiösen Kalenders – mithin fast die gleiche Kombination wie am Schöpfungstag. Dazwischen liegen also 5125 Jahre gregorianischer Zeitrechnung. Bisher ist allerdings noch nichts von Weltuntergangsstimmung zu sehen, eher, dass es immer weitergeht. Ein „Ende“ des Maya-Kalenders oder der Maya-Zeitrechnung ist damit in keiner Weise verbunden.[1]

Das Ende?

Der sogenannte Dresdner Codex ist eine der äußerst wenigen erhaltenen Maya-Handschriften, die durch die Spanier nach Europa gebracht wurde und damit der Verbrennung durch einen übereifrigen Bischof im 16. Jahrhundert entging. In diesem findet sich ein bildlicher Vorgeschmack auf den angeblichen Weltuntergang: Finsternissymbole, ein Krokodil als Bild für das Milchstraßenband und Wassermassen.[2] Aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen die dem legendären Maya-Propheten Chilam Balam zugeschriebenen Bücher, in denen Texte aus kolonialer und vorkolonaler Zeit gesammelt sind. In diesen Prophezeiungen heißt es, dass an einem Tag der Struktur „x.x.0.0.0 Ahau 4“ etwas Außergewöhnliches geschehe. Insgesamt sind die Prophezeiungen Balams sehr düster. Es ist von Waffen, Blut und Hunger die Rede. Wenn man nun von einem der an sich vielen theoretisch möglichen Datierungspunkte des Schöpfungstages „0.0.0.0.0 ahau 4“ aus bis zum Tag „13.0.0.0.0 ahau 4“ rechnet, ist man im Jahr 2012 angelangt. Ein weiterer Mayaprophet, der mittlerweile verstorbene Lakandonschamane Chan K‘in Ma‘ax, kündet auch vom nahenden Untergang. Ein genaues Datum nennt er nicht, jedoch die Umstände: Wenn die Menschheit so weit zugenommen hat, dass kein Baum mehr Platz hat und alle Bäume gefällt worden sind. Dem kann man auch ohne Maya-Kalender eine gewisse Plausibilität nicht absprechen. Für das „Wann“ haben wir jetzt eine Theorie, die unserem „Wunschuntergangsdatum“ ganz gelegen kommt, fehlt noch das „Wie“...

Möglichkeiten des Untergangs

Was soll nun genau passieren, an diesem verhängnisvollen Tag im Dezember 2012? Außer dem Propheten Balam gingen die Maya wohl ebenso wie wir davon aus, dass nach der dreizehn weiter gezählt werden kann und ein neuer Zyklus beginnt. Trotzdem gibt es Ängste und auch viele unterschiedliche Vorstellungen, wie so ein Untergangsszenario wohl auszusehen hätte. Naturkatastrophen sind dabei ganz oben. Ein bisher unbekannter Planet soll mit der Erde zusammentreffen und alles auslöschen, jedoch sei bisher weit und breit nichts ungewöhnliches aus dem All zu berichten, so die Wiener Astronomin Maria Firneis. Ebenso gehe vom Yellowstone-Vulkan keinerlei Gefahr aus, da dieser weiter inaktiv sei. Die Angst vor einem Ausbruch des Vulkans im Yellowstone National Park 2012 geht wahrscheinlich direkt auf das Konto Roland Emmerichs. Weitere für den Fortbestand des Lebens auf der Erde ungünstige Planetenkonstellationen gebe es nach Aussage einer speziell für Aufklärung erstellten Website der NASA ebenfalls nicht.[3] In Anlehnung an die Bilder aus dem Codex Dresdensis stehen zwar wirklich im Dezember 2012 Erde und Sonne mit dem Zentrum der Milchstraße auf einer Linie, dies kommt jedoch jedes Jahr vor. Ein Ende der Erdrotation wird als unmöglich angesehen und ein Polsprung ist nicht in den nächsten Jahrtausenden zu erwarten. Auch erwartet man eine extrem starke Sonnenaktivität. Es wird von heftigen Sonnenstürmen gesprochen, die Stromausfälle und andere Schäden verursachen können. Nach Firneis sei die Aktivität der Sonne derzeit tatsächlich sehr ungewöhnlich, jedoch im gegenteiligen Sinne. Es passiert eher zu wenig, als zu viel, was jedoch während der Kleinen Eiszeit schon vorgekommen sein soll.

Neuanfang

Da in den nächsten Jahren mit keiner der bisher angenommenen Naturkatastrophen gerechnet werden kann, muss vielleicht nicht in erster Linie vom Ende, sondern von einem Neuanfang gesprochen werden. Anstatt der Vernichtung allen Seins hoffen Esoteriker auf einen einheitlichen Bewusstseinssprung, einen besseren Zustand. Diese Theorie findet Zustimmung bei vielen Menschen. Verständlich, in einer Zeit, die Krisencharakter trägt und sich ständig verändert. Mit dem Untergang des Alten wird immer auch die Hoffnung auf etwas Neues wach, so Kulturhistoriker Michael Kempe der St. Gallener Universität. Entweder überleben einige die Katastrophen, oder es findet ein Übergang auf eine höhere Stufe statt.

To be continued...

So sicher ist der Dezember 2012 also gar nicht. Es bestehen gute Chancen, dass die Menschheit im wesentlichen unbeschadet in das Jahr 2013 gehen wird. Doch warum glauben eigentlich so viele Menschen ausgerechnet den Maya? Vielleicht liegt es daran, dass manche Westeuropäer alles Exotische gern mit einem romantischen Blick betrachten. Die Kultur und die Mythologie der Maya fasziniert. Sie wirkt archaisch, authentisch, naturverbunden, frei von allem, was uns heute vermeintlich fesselt und hemmt. Es ist kein Novum, dass die Menschen sich in ihren Ängsten und Wünschen an das Alte erinnern, seien es nun indianische Stämme oder eine Erinnerung an eine angeblich heidnische und „ehrlichere“ Vergangenheit vor der Christianisierung Europas. Weltuntergangsvorstellungen wird es immer geben, sie gehören zum Leben dazu und genau genommen wollen die Menschen sie auch, wie Kassenschlager der Marke „2012“ verdeutlichen. Und falls es mit diesem Jahr nichts wird: Isaac Newton gab uns durch seine Berechnungen in Bezug auf das Buch Daniel für 2060 noch eine neue Chance…

Stephan Wagelöhner

war 2010 Praktikant in der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen.

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/246

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2010 ab Seite 06