Im Kloster für Christus

Zu Besuch im Zisterzienserinnenkloster Marienstern Panschwitz-Kuckau

Das Leben im Kloster ist heute für viele Menschen schwer vorstellbar geworden. Dass auch junge Menschen freiwillig das Versprechen ablegen, auf eigene Familie und Kinder zu verzichten, um in der Gemeinschaft eines Klosters zu leben und der Äbtissin bzw. dem Abt gehorsam zu leisten, ist ungewöhnlich. Dennoch kommt es vor – auch in Sachsen. Was motiviert sie dazu? Wie sieht das Leben im Kloster heute aus? Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Catholica“ des Evangelischen Bundes Sachsen haben das Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau besucht und mit Schwester Thaddäa darüber gesprochen.

Reformbenediktiner

Das Kloster Marienstern liegt zwischen Bautzen und Kamenz im sorbischen Gebiet und gehört zum Orden der Zisterzienser. Dieser entstand im 12. Jahrhundert als eine Reformbewegung innerhalb des Benediktinerordens mit dem Anliegen, das ursprüngliche Armutsideal wieder aufleben zu lassen. Auch wenn dies nicht dauerhaft durchgehalten werden konnte, so tritt doch neben die Regel des Benedikt von Nursia im Zisterzienserorden eine stärkere Betonung der Schlichtheit und Einfachheit des Lebens. Dies zeigt sich z.B. im Klosteraufbau, der in der Regel ohne Kirchturm bleibt (höchstens mit Dachreiter), wie auch in den Lebensgewohnheiten der Mönche und Nonnen.

Eine Besonderheit des Klosters in Panschwitz-Kuckau besteht darin, dass es seit seiner Gründung im Jahr 1248 ununterbrochen besteht. Der Komplex wurde für damalige Verhältnisse sehr groß errichtet und zum Teil aus Ablässen finanziert, so dass aus ganz Europa dafür gespendet wurde. Die spirituellen Hintergründe des Klosterbaus erläuterte Schwester Thaddäa mit der Regel Benedikts, die mit der Aufforderung „Audire!“ („Höre“) beginnt. Um andere Menschen und auf Gott hören zu können, muss man selbst still sein und zur Ruhe kommen. Das Kloster bietet mit der Abschottung von der Hektik und Betriebsamkeit der Welt dafür ein bauliches Korsett: Es soll Hilfe und Stütze zu gemeinsamem geistlichen Leben sein.

Motivation damals…

Marienstern ist von Anbeginn an ein Frauenkloster gewesen. Die Motivationen zum Eintritt in ein Kloster haben im Lauf der Geschichte verschiedene Schwerpunkte entwickelt. Schwester Thaddäa berichtet mit leuchtenden Augen von der besonderen spirituellen Ausstrahlung des Ordensgründers Bernhard von Clairvaux, der eine innerliche Frömmigkeit wiederbelebt hatte, die vom Zwiegespräch der Seele mit Jesus ihre Kraft bezieht. So hätten die Frauen teilweise ihre Männer eingeschlossen, wenn Bernhard predigte, damit sie nicht von ihm begeistert davon liefen und als Mönch ins Kloster gingen. Während in dieser Anfangsphase auch in den Frauenklöstern eine spirituelle Motivation stark gewesen sein dürfte, verschob sich dies im Spätmittelalter auf den Aspekt der Versorgung unverheiratet gebliebener Töchter. Auch dies schließt allerdings nicht aus, dass jene das geistliche Leben mit seinen Schönheiten für sich entdeckten.

… und heute

Der Entschluss zum Eintritt in ein Kloster besteht auch heute in der Regel aus einem Bündel von Motivationen. Für manche steht die geistliche Suche nach erfüllender Spiritualität im Vordergrund, für andere ist es eher eine Flucht aus der Gesellschaft, mit deren Problemen sie nicht klarkommen. Der früher dominantere Versorgungsaspekt ist auch heute nicht völlig wegzuleugnen, bietet das Leben im Kloster trotz aller Kargheit doch dafür Ruhe und Sicherheit frei von materiellen Versorgungsängsten.

 Welche Motivation stark, welche schwach, welche kurzfristig und welche bleibend tragfähig sind, dies zu klären ist die Aufgabe in der Probezeit. Es gibt nicht nur das eine Motiv. Aber es muss ein starkes Motiv geben, welches dauerhaft genug ist, um auch die Zeiten der Anfechtung und der Zweifel überstehen zu können. Mit großer Offenheit berichtete Schwester Thaddäa, dass z.B. der Wunsch nach einer Familie und eigenen Kindern mit dem Eintritt ins Kloster nicht plötzlich völlig verschwunden ist. Dafür braucht es dann eine starke Motivation, und diese muss letztlich auch geistlicher Natur sein. Ohne das sichere Gefühl einer persönlichen Berufung zum Leben der Nachfolge Christi im Kloster „kann man es vergessen“, lacht sie. Im Kloster Marienstern dauert die Probezeit, während der die Schwestern weiße statt schwarzer Schleier tragen, mindestens 4,5 Jahre. Sie kann bis auf 9 Jahre verlängert werden, wenn entweder die Novizin oder die Klostergemeinschaft noch Unsicherheiten verspüren. Bei Neubekehrten und Konvertiten, die erst katholisch werden, um ins Kloster eintreten zu können, verlängert sich die Probezeit automatisch um ein Jahr.

Mit dem Eintritt in das Kloster erhält die Nonne einen zusätzlichen geistlichen Namen, der im Kloster verwendet wird. In Marienstern darf sie dafür drei Wünsche äußern, von denen die Äbtissin dann einen auswählt. Mit dem neuen Namen wird der Beginn des neuen Lebensabschnittes zum Ausdruck gebracht. Die Profeß, also das Gelübde zum Klosterleben wird übrigens nicht für das Mönchtum allgemein, sondern für ein konkretes Kloster und seine Gemeinschaft von Menschen abgegeben.

Herkunftsfamilie

Nicht jede Familie lässt ihr Kind gern und freudig ins Kloster gehen. Selbst für tief katholische Eltern, die regelmäßig für Berufungen ins Kloster beten, ist es nicht leicht, wenn es die eigene Tochter betrifft. Entsprechend schwerer ist es für komplett atheistische Elternhäuser, eine solche Entscheidung zu verstehen und zu respektieren. Oft lösen sich ein Teil der Sorgen, wenn Eltern das Kloster besuchen und sehen, wie das Leben abläuft und dass die Kinder damit glücklich sind. Wo die Fremdheit so groß ist, dass keinerlei Kontakt zum Kloster gewünscht wird, ist dieser Weg leider versperrt. Das Kloster selbst organisiert einmal im Jahr einen Familientreff, bei dem sich auch die verschiedenen Herkunftsfamilien der Schwestern gegenseitig kennenlernen sollen. Besuche von Verwandten im Kloster sind auch sonst möglich, aber reguliert, damit die Versorgungsbelastung des Klosters in Grenzen gehalten wird und keine Ungerechtigkeit durch verschieden intensive Familienbesuche unter den Schwestern aufkommt. Aller 5 Jahre ist eine Woche Familienurlaub zu Hause möglich. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zur Teilnahme an besonderen Festen bei Verwandten 1. Grades.

Klostergemeinschaft

Das tägliche Leben im Kloster ist durch die gemeinsam begangenen Gebetszeiten strukturiert. Überhaupt liegt ein Schwerpunkt auf den liturgischen Vollzügen, die für Schwester Thaddäa ein wesentlicher Grund für ihren Eintritt ins Kloster waren.

Gebetsgemeinschaften mit frei formulierten Gebeten sind weniger üblich. An diese Stelle tritt das Rosenkranzgebet. Über die Klosterpforte werden regelmäßig Fürbittanliegen an die Schwestern übergeben, welche diese in ihre Gebete mit aufnehmen. Einzelne Schwestern treffen sich zudem regelmäßig 15:00 Uhr, um in der Sterbestunde von Jesus seines Kreuzes zu gedenken.

Die Ordensregel gibt die Spielregeln für das Zusammenleben vor und ist damit eine große Hilfe, weil sie für Klarheit sorgt. Das ist nötig, wenn man so eng beieinander lebt. Insofern dient die Regel als „prophylaktische Friedensmaßnahme“. Dennoch bleiben verständlicherweise Konflikte untereinander nicht völlig aus. Meist sind es ja die kleinen Dinge, über die man sich am Anderen am meisten aufregen kann. Vornehmste Aufgabe der Äbtissin ist es, Einheit und Frieden unter den Schwestern zu stiften – und dies möglichst auch vorbeugend. Dazu dient auch, dass sehr auf Gerechtigkeit unter den Schwestern geachtet wird. Neben dem Sakrament der Buße dient auch das einmal monatlich abgehaltene „Schuldkapitel“ der Beilegung von Konflikten. Diese Zusammenkunft dient dazu, sich voreinander einzugestehen, wo man schuldig geworden ist. Damit ist vieles an Entschärfung von Spanungen möglich.

Obwohl die Äbtissin die letzte Autorität hat und in der kirchlichen Hierarchie der Ebene eines Bischofs vergleichbar ist, gibt es auch demokratische Elemente. So wählen die Schwestern einen Rat und die Äbtissin ist gehalten, möglichst alle wesentlichen Entscheidungen gemeinsam mit dem Rat zu treffen.

Klausur

Das Leben im Kloster bedeutet ein Leben in gewisser Abgeschiedenheit von der Welt. Ein Strandurlaub auf den Kanaren passt nicht zum Leben als Nonne. Dies bedeutet aber nicht, dass die Zisterzienserinnen das Kloster nie verlassen dürften. Zwar tragen die Schwestern aus Marienstern auch außerhalb des Klosters stets ihren Habit, um auf diese Weise schon optisch von ihrer Berufung Zeugnis abzulegen. Das hindert sie aber nicht daran, in der Welt herumzukommen. Den Urlaub verbringen sie in der Regel in befreundeten Klöstern. Aber auch fünfwöchige theologische Kurse in Rom an dem Internationalen Kolleg, das der Benediktinischen Hochschule St. Anselmo angeschlossen ist, haben einige junge Schwestern des Klosters besucht, weil sie mehr über den Glauben lernen möchten. Dazu hilft ihnen auch die Klosterbibliothek mit ihren ca. 30 000 Bänden. Etliche Bände sind noch aus dem Mittelalter erhalten, der Großteil entstammt jedoch einer geerbten Bibliothek eines Prälaten.

Austritt

Auch die besten Vorsätze können scheitern. Was geschieht, wenn die eigenen Vorstellungen doch nicht auf Dauer mit dem Leben im Kloster in Übereinstimmung gebracht werden können? Was, wenn jemand entgegen der ursprünglichen Absicht das Kloster doch wieder verlassen will? Solches kommt vor. Schwester Thaddäa hat in ihrer Zeit im Kloster Marienstern drei Weggänge erlebt. In der Regel steht vor einem solchen Entschluss für die betroffene Person ein längerer, schmerzhafter Prozess. Die Entbindung von dem Gelübde liegt nicht in der Macht der Klostergemeinschaft. Dafür muss ein Antrag in Rom gestellt werden. Bevor diesem entsprochen wird, muss mindestens ein Jahr in „Exklaustration“, also außerhalb des Klosters gelebt werden. Das ist in etwa wie das Trennungsjahr bei einer Ehescheidung. Überhaupt sind die menschlichen Konflikte in diesem Zusammenhang ähnlich. Man hat einander Treue versprochen, aber es sind verschiedene individuelle Gründe, welche die Einhaltung dieses Versprechens vereiteln. Gottes Geist kann nur in Freiheit wirken. Darum kann und will die Klostergemeinschaft niemanden gegen seinen Willen festhalten. Verletzungen und Enttäuschungen bleiben dennoch. Neben diesen menschlichen Problemen stehen die bürokratischen und finanziellen Aufwendungen für das Kloster. Anders als während der DDR sind heute die Nonnen nicht rentenversichert, da das Kloster für sie sorgt. Bei einem Austritt muss mit großen Summen nachversichert werden.

Ora et labora

Die Benediktregel prägte mit dem Motto „ora et labora“ - bete und arbeite - die Grundeinstellung der Benediktiner, neben dem intensiven Gebet möglichst von der eigenen Hände Arbeit zu leben. In der Gegenwart ist es jedoch für die Schwestern schwer, mit ihren kleinen Unternehmungen nachhaltigen Gewinn zu erwirtschaften. Es gibt eine kleine Kerzenproduktion, einen Klosterladen und den Gästebereich im Kloster, der durch die Nonnen bewirtschaftet wird. Wirtschaftlich ist der Landwirtschaftsbetrieb, der durch angestelltes Personal aufrechterhalten wird, am ergiebigsten. Die lange Zeit zum Kloster gehörenden Schulen wurden im zweiten Weltkrieg geschlossen und konnten als katholische Schulen in der DDR nicht wieder installiert werden. Seit 1973 ist an das Kloster ein Heim für geistig Behinderte angegliedert, in dem 175 Behinderte betreut werden. Neben dem Wohnbereich für 100 Personen gibt es eine Förderschule mit 26 Schülern und eine Förderwerkstatt. 10 Behinderte arbeiten mit den Schwestern zusammen im häuslichen Bereich.

Ausblick

Christus hat seiner Kirche zugesagt, dass sie bleiben wird, aber nicht speziell dem Zisterzienserorden, stellt Schwester Thaddäa auf die Frage nach der Zukunft nüchtern fest. Jedes Kloster hat die Aufgabe, Menschen zu Christus zu führen. Wenn es diese Funktion nicht mehr erfüllen kann, ist es auch nicht mehr nötig. Allerdings sieht sie die Zukunft nicht so trübe. Sie ist mit ihren 35 Jahren keineswegs die jüngste Schwester in Marienstern. 5 der 18 Schwestern sind derzeit unter 40 Jahre alt. International sieht die Situation auch anders aus als in Deutschland. In Vietnam z.B. gibt es zum Teil über 100 Novizen in den Klöstern. Dies ist ein schwacher Trost angesichts der Überalterung vieler Klöster in Deutschland. Letztlich kommt es aber darauf an, dass jeder Mensch an dem Ort, wo er lebt, seiner Berufung gerecht werden kann, meint Schwester Thaddäa. Darin ist ihr nur zuzustimmen.

 

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/272

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2011 ab Seite 16