Pastafaris gegen Religionsfreiheit
Die sich auch als „Pastafarianer“ bezeichnenden Anhänger des „Fliegenden Spaghettimonsters“ testen in verschiedenen Ländern die Grenzen der Religionsfreiheit aus - mit wechselnden Erfolgen. In Neuseeland soll ihnen Medienberichten zufolge im September 2015 eine offizielle Anerkennung zuteil geworden und damit u.a. die Möglichkeit, auch Ehen zu schließen. In Deutschland endete ein Gerichtsverfahren unlängst für sie weniger erfolgreich: Das Landgericht Frankfurt(Oder) hat in einem Zivilverfahren entschieden, dass die Stadt Templin am Ortseingang keine Hinweisschilder für die „Nudelmesse“ der Pastafaris aufstellen muss, die sie angeblich regelmäßig freitags 10:00 Uhr begehen und bei denen gemeinschaftlich Nudeln und Bier verzehrt werden. Auch in Österreich lief es nicht so gut: dort wurde der Antrag auf Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft im Juni 2014 abgelehnt. Laut Kultusamt entsprechen die durch die Pastafaris vorgelegten Statuten nicht den formalen Kriterien des österreichischen Bekenntnisgemeinschaftsgesetzes.1
Von Nudeln und ID
Die Religionspersiflage der Pastafaris behauptet, dass unsere Welt von einem göttlichen Wesen in Gestalt eines fliegenden Spaghettimonsters erschaffen worden sei. Anlass dafür waren in den USA Versuche von Kreationisten, das „Intelligent Design“ (ID) im Biologieunterricht als Gegenentwurf zur Evolutionslehre zu verankern. All deren angeblich wissenschaftlichen Argumente für ID wurden von den Pastafaris kurzerhand auf ihr Spaghettimonster bezogen und damit als untauglich dargestellt. Nun haben sie mit dieser Kritik ja durchaus recht, denn Religion ist keine Wissenschaft und diese Ebenen sollten durchaus voneinander unterschieden bleiben. Aber der Pastafarianismus hat sich längst von diesen Anfängen entfernt. In dem Maß, wie insbesondere Vertreter eines kämpferischen Atheismus die Idee vom Sphaghettimonster aufnahmen, hat sie sich zu einer grundsätzlich religionskritischen Bewegung ausgeweitet.
Ernster Spaß
Inhaltlich schillert die Gemeinschaft zwischen satirischer Spaßreligion und todernster Religionskritik. Was formal als Inanspruchnahme von Religionsfreiheit für eine ironische Scherzreligion eingeklagt wird, sind bei Lichte betrachtet handfeste Kampagnen gegen die Religionsfreiheit. Sie bemühen sich darum, für diese offensichtlich absurde Scheinreligion die gleichen Privilegien und Möglichkeiten zugesprochen zu bekommen, wie sie auch etablierte Religionen haben. Dabei nutzen sie die Tatsache der Trennung von Religion und Staat: Weil der säkulare Staat keine eigene Kompetenz in religiösen Fragen beanspruchen darf, ist er quasi religionsblind. Das bedeutet, dass er sich eigentlich auch nicht anmaßen darf, von sich aus „gute“ von „schlechter“ Religion zu unterscheiden, sondern muss formal alle gleich behandeln. Deshalb gibt es in Deutschland (anders als in Österreich) auch keine offizielle staatliche „Anerkennung“ als Religion in Form eines juristischen Aktes.
Wenn nun die Scherzreligion des Pastafarianismus aus ideologischen Gründen die gleichen Rechte erstreitet, wie sie die anderen Religionen haben, so tun sie dies nicht, um der Religionsfreiheit Geltung zu verschaffen, sondern im Gegenteil. Es soll damit erwiesen werden, was aus Sicht der Pastafarianer längst als ausgemacht gilt: nämlich dass alle anderen Religionen im Grunde ebensolcher Blödsinn sind und es deshalb unsinnig sei, ihnen diese gesellschaftlichen Möglichkeiten einzuräumen. Deshalb rühmte sich Nico Alm in Österreich, dass es ihm gelungen war, mit einem Nudelsieb auf dem Kopf auf seinem offiziellen Führerscheinfoto zu erscheinen - nicht weil er das jetzt immer tragen möchte, sondern weil er dagegen ist, dass bei diesen Fotos Rücksicht auf religiöse Empfindungen genommen wird und solche Kopfbedeckungen erlaubt sind, während andere verboten bleiben.2 Ebenso sollen auch die Nudelschilder am Ortseingang von Templin nicht in erster Linie den Verzehr von Eierteigwaren und Bier erhöhen. Faktisch richtet sich das Ansinnen gegen die Existenz der anderen Schilder, die auf religiöse Veranstaltungen hinweisen, die aus Sicht der Pastafaris genauso absurd sind wie ihre eigene Scherzreligion.
Religion prüfen?
Nun ist es für staatliche und kommunale Behörden in der Tat nicht ganz einfach, die Ernsthaftigkeit eines religiösen Bekenntnisses und einer inneren religiösen Bindung prüfen zu wollen. Schließlich betrifft die religiöse Bindung den inneren Wesenskern eines Menschen, der äußerer Prüfung und Beurteilung prinzipiell nicht zugänglich ist. Auch besteht die Gefahr, dass durch eine solche Prüfung dann doch wieder durch die Hintertür eine staatliche Bewertung von Religion erfolgen könnte, die aus grundsätzlichen Gründen gerade nicht in die Kompetenz des Staates gehören soll.
Es gehört wohl zum Wesen von Freiheitsrechten, dass es immer wieder Menschen gibt, die diese Rechte benutzen, um sie abzuschaffen. Was bei rechtsextremen Gruppen u.a. im Blick auf die Versammlungsfreiheit gilt, kann man an dieser Stelle im Blick auf die Religionsfreiheit ebenfalls beobachten. Darum wird es auch hier darauf ankommen, mit Augenmaß und Realitätssinn vorzugehen.
Ein Grundsatz in der Rechtssprechung besagt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden soll. Ein Rückzug auf eine rein formale Gleichbehandlung aufgrund der erhobenen Ansprüche würde diesem Prinzip ganz offensichtlich nicht genügen können. Es ist bei nüchterner Betrachtung offensichtlich, dass die atheistischen Vertreter des Pastafarianismus gerade nicht auf das Spaghettimonster als „letzten Trost im Leben und im Sterben“ vertrauen. Sie behaupten faktisch das Gegenteil von dem, was sie tatsächlich „glauben“ und mit ihrem Handeln und ihrer Lebensgestaltung vertreten. Wenn Herr Alm es tatsächlich als innere religiöse Pflicht empfinden würde, stets ein Nudelsieb auf dem Haupt zu tragen, und dies auch außerhalb der Führerscheinstelle, im Urlaub, auf seiner Gerburtstagsparty, auf der Arbeit etc. praktizieren würde, dann wäre auch überhaupt nichts gegen sein Foto einzuwenden. In der Tat kann es ggf. aufwändiger sein, unwahre Behauptungen aus dem persönlichen Innenbereich zu widerlegen, als nach formalen Kriterien zu urteilen. Es kann aber den Entscheidern in Verwaltung und Justitz diese Mühe nicht erspart werden, wenn die Regelungen zur Religionsfreiheit ihren Sinn behalten sollen. Toleranz gegenüber der Intoleranz ist jedenfalls fehl am Platz.