Erleuchtung am Kiosk

Esoterik-Zeitschriften zwischen Lifestyle und Magie

Esoterik liegt im Trend. Ein beredtes Beispiel dafür gibt der Bahnhofsbuchhandel ab, wo immer neue Zeitschriften zu diesem Themenbereich in den Regalen auftauchen. Dabei stehen „Klassiker“, die schon seit Jahrzehnten ihren Platz am Markt verteidigen, neben immer wieder neuen Nummern, von denen manche bald wieder verschwunden sind, andere aber ihre Nische finden. Dabei ist das Spektrum breit und die Übergänge zu anderen Bereichen sind fließend. Auch Gesundheits- und Lifestyle-Zeitschriften enthalten hin und wieder Artikel zu „spirituellen“ Themen mit esoterischem Einschlag. Bei den hier vorgestellten Fundstücken ist die Zuordnung aufgrund der Schwerpunktsetzung des Blattes aber eindeutig. Der Preis der Hefte lässt übrigens keine proportionale Beziehung zur journalistischen Substanz oder auch nur zum inhaltlichen Umfang erkennen. Zwischen 1,40 Euro für 260 Seiten und 6,95 € für 68 Seiten ist vieles drin.

happy way

Als „Magazin für Glück, Gesundheit und Genuss“ präsentiert sich „happy way“ in seiner Erstausgabe. Der Untertitel markiert das Programm: Die neue Zeitschrift präsentiert einen sanften Einstieg in moderne westliche Adaptionen vorwiegend asiatisch geprägter Religiosität. Dabei liegt der Fokus klar auf Anregungen für ein erfülltes Leben im Hier und Jetzt. In der Rubrik „Spiritualität“ gibt es eine Einführung in das Reinkarnationsdenken („Habe ich schon einmal gelebt?“). Anschließend erklärt eine Heilpraktikerin und „Reinkarnationstherapeutin“, wie sie bei einem Wochenendseminar eine „Rückführung“ in zwei ihrer früheren Leben gemacht habe und mal als archaischer Krieger und mal als Auswandererfrau traumatische Erlebnisse gehabt haben will, die sie nun als Erklärung für gegenwärtige Schwierigkeiten (Aggression, Schwermut) ausmacht. Der enorm suggestive Charakter solcher angeblicher „Rückführungen“ wird in diesem Kontext natürlich nicht thematisiert. Eine kleine christliche Kapelle in der Fränkischen Schweiz wird als „magischer“ Orakelort vorgestellt, eine amerikanische Repräsentantin des „Positiven Denkens“ schildert ihre ins Geistige übertragene mechanistische Weltsicht, ein (unreligiöses) Experiment 7 Tage zu schweigen wird mit Buddha-Figuren illustriert, die unvermeidlichen Sex-Tipps versuchen Tao, Tantra und Kamasutra auf einer Doppelseite zu kombinieren. Dazu kommen Artikel über Kaiserin Sissi, Klangschalen in der anthroposophischen Medizin, die Ursprünge des Buddhismus, Yoga, ein Karma-Test und natürlich Rezepte aus der indischen Küche.

Welt der Spiritualität

Der Untertitel „Spiritualität & mehr! Engelwelt, Psychologie & Lebenshilfe, Grenzen und Möglichkeiten, Yoga und Ayurveda, Feng Shui, Ganzheitliche Gesundheit“ kennzeichnet das Spektrum dieser Zeitschrift aus dem Blom-Verlag. Chefredakteurin und Verlagsinhaberin Ana Blom ist zugleich Mitautorin des auch in der Zeitschrift beworbenen Buches zur „Excalibur-Technik“, die als „Formel der Schöpfung“ angepriesen wird. Damit soll es möglich sein, die Realität entsprechend der eigenen Wünsche zu kreiren. Um zu dem 1520 Euro (ohne Übernachtung und Verpflegung) teuren 3Tages-Seminar zugelassen zu werden, muss man einen als „Zulassungsprüfung“ bezeichneten Fragebogen ausfüllen. Immerhin ist diese magische Selbstüberhöhung im Erbe von Magier Franz Bardon mit einer Warnung versehen: „Die Excalibur-Technik ist nicht zu empfehlen für Menschen, deren Weltbild zu sehr von dem esoterischen Weltbild abweicht“. Zuviel Widerspruch ist der Methode offenbar nicht zuträglich. Die Zeitschrift selbst zeigt sich in ihren Artikeln und Inseraten deutlich von theosophischer und hermetischer Esoterik bestimmt. In den Rubriken Gesundheit, Spiritualität, Tarot, Feng Shui, Schamanismus, Engelwelt, Sufismus und Hermetismus werden vergleichsweise umfangreiche Texte präsentiert, die ein magisch geprägtes esoterisches Weltbild vermitteln.

bella luna

„Mein SeelenMagazin“ ist ein dünneres Heft im Stil einer Eso-Super-Illu für weniger intellektuell ausgerichtete Zielgruppen. Davon legen auch die zahlreichen Annoncen Zeugnis ab, in denen mit vollmundigen Versprechungen überwiegend telefonische Zukunftsdeutung, Ritualzauber und alle Arten von Wahrsagediensten angepriesen werden. Beachtenswert ist der Hinweis auf den jährlich von dem Millionär und Skeptiker James Randi ausgelobten Preis von einer Million Euro für denjenigen, der seine paranormalen Fähigkeiten in einem wissenschaftlichen Test bei der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP) nachweisen kann. Dessen ungeachtet findet man Artikel von Reinkarnationstherapeutinnen und über Huna-Heilung, Hellsehen, buddhistischer Vipassana-Meditation, die zum Mysterium stilisierten indischen Palmblatt-Bibliotheken, Magische Orte, Engelbotschaften, Lebensschicksale, erotische Kochrezepte sowie selbstverständlich Horoskope - hier auch in Form des „Bella-Luna Mondkalenders“ für diejenigen, denen das echte Horoskop zu kompliziert geworden ist.

Die große Pendelschule

In der Reihe „Das alte Wissen“ publiziert der Marvi-Verlag in Hannover mehrere Themenhefte zu einzelnen esoterischen Praktiken. Die Artikel des aktuellen Heftes „Die große Pendelschule“ stammen im wesentlichen alle von der gleichen Autorin, in diesem Fall Karin Biela, die auch als „JS Jupiter Spirit“ ihre Wahrsagedienstleistungen per Inserat anpreist, die per Vorkasse oder Paypal zu bezahlen sind.

Die Funktionalität des Pendelns wird in dem Heft damit erklärt, dass das Pendel als Hilfsmittel unbewusst wahrgenommene Energien sichtbar machen könne. Im Unterbewusstsein verfüge jeder Mensch über einen riesigen Schatz an Wissen. Auf dem Weg über feinstoffliche Schwingungen könne das Pendel die Antworten „aus der geheimnisvollen Truhe des Unterbewussten“ erhalten. In der Pendelpraxis solle man mit dem Pendel eine gedankliche Symbolverabredung treffen, was also welcher Pendelausschlag bedeuten solle. Die Autorin empfiehlt, Fragen zu stellen, die die eigene Person in den Mittelpunkt setzen. Dann könne man alles mögliche auspendeln: unerklärliche Träume, berufliche Unzufriedenheit, die Wahl des nächsten Urlaubsortes, die Empfindungen zu einer neuen Beziehung usw. Der praktische Nutzwert soll durch eine Reihe von halbkreisförmigen Pendelschablonen erhöht werden, mit denen nicht nur ja/nein-Fragen beantwortet, sondern auch „Lebensenergie“ in „Bovis-Einheiten“ gemessen sowie diverse Bach-Blüten-Essenzen, Räumlichkeiten und Entspannungsmethoden nach ihrer individuellen Nützlichkeit per Pendel befragt werden sollen.

Wenn das Pendel wie hier beschrieben als ein Indikator für das „Bauchgefühl“ herhalten soll, dann hat es genau diese Aussagekraft. Das kann richtig sein - manchmal liegt man aber auch daneben. Bedenklich ist es, weil damit vernünftige Entscheidungsbegründungen abgewertet werden. Die Gefahr dazu steigt, wenn das Pendel wie dort beschrieben magisch überhöht wird: man solle es vor dem Erstgebrauch „weihen“, niemals aus der Hand geben, sonst werde es energetisch verunreinigt, und von Zeit zu Zeit unter fließendem Wasser und durch Räucherungen reinigen. Aus diesen Gründen ist das Pendel als ernsthafte Auskunftsinstanz grundsätzlich ungeeignet.

Zukunftsblick

Schon ein Klassiker ist mit 10 Jahren Bestand und Ausgabenummer 122 das Kundenmagazin des Questico-Telefonberatungsunternehmens, von dem auch der Sender „Astro-TV“ betrieben wird. Unter dem Titel „Zukunftsblick“, ist es auch im Zeitschriftenhandel erhältlich, aber Vieltelefonierer erhalten es von Questico direkt. Eingelegt in das fast 200 Seiten umfassende und hoch professionell gestaltete Magazin ist ein kleineres Heft, in dem über 50 Seiten mit Inseraten der diversen Questico-Berater gesammelt sind - sortiert in die Rubriken Astrologie, Tarot, Channeling, Hellsehen und neuerdings auch Seminare. Den größten Teil des Hauptheftes füllt mit 72 Seiten ein aufgefächertes Horoskop, für das der Astrologe Winfried Noé verantwortlich zeichnet. In großen Tabellen kann man sich zu jedem Tag im Kalender entsprechend dem eigenen Geburtsdatum die Aspekte heraussuchen, die den Tag bestimmen sollen.


Fazit

Diese kleine Momentaufnahme eines Ausschnittes des esoterischen Zeitschriftenmarktes zeigt, dass diese Form der Weltdeutung ungebrochen Popularität genießt. Bestimmte Themen, wie z.B. die Reinkarnation und Rückführungen tauchen in fast allen Blättern immer wieder auf. Es differiert die Aufmachung, der Anteil nicht-esoterischer Artikel und der Stil der Inserate, die im Lifestyle-Sektor auf die typischen Wahrsagetelefonnummern verzichten. Struktureller Grundzug vieler Artikel ist, dass ein höheres Wissen aus dem Inneren des Menschen geschöpft werden soll, das dann zu einer besser gelingenden Gestaltung des Alltags befähigt. Der Rückgriff auf asiatische Religiosität bleibt aber ähnlich unbestimmt wie überhaupt die Einordnung zwischen Religion und Lebenshilfe. Vernünftig-kritischen Rückfragen halten die wenigsten der propagierten Verfahren stand. Das tut ihrer Popularität merkwürdigerweise keinen Abbruch.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2013 ab Seite 14