Wahrheit im Christlich-Islamischen Dialog
Erfahrungen und Anstöße
Der Weg zum christlich-islamischen Dialog ist mit Schwierigkeiten gepflastert. Diese Schwierigkeiten entwickeln sich offenbar proportional zum Öffentlichkeitscharakter eines solchen Gespräches. Im privaten Umfeld sind sie durch gute Absicht, genaues Zuhören, viel Geduld und ein freundliches Lächeln mitunter noch zu meistern. Je größer das Publikum, desto komplizierter werden aber die Fallstricke.
Eine dieser Schwierigkeiten besteht in der Auswahl der Dialogpartner. Der Islam ist eine große und vielschichtige Religion. Folglich kann kein Muslim für den Islam an sich sprechen, sondern jeweils nur seine Auffassung der Dinge darlegen. Falls der Referent für eine große muslimische Organisation spricht, kann man vielleicht eine gewisse Repräsentativität unterstellen. Ob dies aber für alle seine Aussagen gilt, kann im Einzelfall zweifelhaft sein.
Der verweigerte Handschlag
Es kommt vor, dass - je nach Ziel der Veranstaltung - ein bestimmter Typ Muslim gesucht wird. Sabine Christiansen wollte für ihre Show einen scharfkantigen Muslim der fundamentalistischen Sorte. Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Anstalt für Religion (DITIB) war zwar zunächst eingeladen, ihr dann aber doch zu weichgespült - oder besser gesagt: zu dialogerprobt und in der westlichen Gesellschaft angekommen. Im Anzug und mit geputzten Schuhen? Da erkennt man ja keinen Muslim.
Weitaus besser passte der Imam der Leipziger Moschee Hassan Dabbagh ins Bild. Der gebürtige Syrer lässt sich schon lange den Bart wachsen, trägt traditionelle lange Gewänder und vertritt auch sonst mit der ihm eigenen Strenge stark konservative Positionen, die den wahren Islam in der goldenen Zeit der ersten vier Kalifen verklären und in die Gegenwart retten wollen. Dass er zum Ende der Sendung der Moderatorin den Handschlag verweigerte und dies mit islamischen Vorschriften zur Geschlechtertrennung begründete, war als Affront so telegen, dass es ihm gleich das nächste Talkshow-Arrangement verschaffte.
Das Fernsehpublikum bekam mit Hassan Dabbagh eine ganze Reihe ihrer Vorurteile gegen „den“ Islam bestätigt: schroff, unangepasst, diskriminierend. Dass andere Muslime, auch in Leipzig oder Dresden, den Islam ganz anders verstehen, bleibt in solchem Setting natürlich unerwähnt. Der Hardliner diktiert das Bild. Für Hassan Dabbagh hatten die Auftritte noch weitreichende Folgen. Sie steigerten seine Popularität deutlich und brachten ihm so manche neuen Freunde mit nicht gerade gemäßigteren Ansichten über den wahren Islam und dessen Beförderung. Der Kontakt zu diesen „Freunden“, verschaffte ihm dann im April 2008 eine Razzia das Bundeskriminalamtes in seiner Moschee wegen Verdachts auf Mitwirkung an der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Bekenntnis zur Religionsfreiheit
Szenenwechsel. Christlich-Islamischer Dialog in Dresden im Haus der Kirche. Muslimischer Referent ist besagter Bekir Alboga, zwischenzeitlich Mitglied des Koordinationsrates der deutschen Muslime, der auf politischen Druck hin zwischen Islamrat der Bundesrepublik Deutschland und Zentralrat der Muslime in Deutschland gebildet wurde - also durchaus ein Muslim mit Autorität. Seine Sätze sind gut gewählt und geben wenig Anlass zum Ärgern. Die von ihm vertretenen Positionen sind moderat vermittelnd. Gelegentlich kann er auch fordernd sein, etwa bei getrenntem Sportunterricht für Jungen und Mädchen, in wesentlichen Fragen der Demokratie und der Menschenrechte sind von ihm aber klare Aussagen zur Religionsfreiheit zu hören. Erfreulich, aber für welche Muslime spricht er da?
Es fehlten nicht die Stimmen nach dem Abend, die meinen, er hätte ein zu schönes, zu zahmes Bild vom Islam gezeichnet. Der wahre Islam sei anders, schroffer, gefährlicher, gewalttätiger.
Sind seine freundlichen Worte nur Taktik? Nur Propaganda vor einem mehrheitlich nichtmuslimischen Publikum? Gelten sie nur für die Diaspora-Situation, oder kann das Bekenntnis zur Religionsfreiheit als gültige Neuinterpretation der Scharia in Abkehr von der traditionellen Lehrmeinung der großen sunnitischen Rechtsschulen aufgefasst werden? Das wäre sehr zu begrüßen, müsste dann aber vor allem gegenüber den Muslimen kommuniziert werden. Was gilt nun?
Das Tor des Idschtihad
Kirchgemeinde Radebeul. Zu einer Dialogveranstaltung mit dem Titel „(keine) Angst vor dem Islam?“ ist Hamideh Mohagheghi aus Hannover als muslimische Referentin eingeladen. Ursprünglich stammt die engagierte Frau aus dem Iran, lebt seit 31 Jahren in Deutschland, studierte hier islamische Theologie und arbeitet u.a. als Lehrbeauftragte an der Universität Paderborn. Wer Frau Mohagheghi einmal kennenlernen konnte, weiß, dass sie sich nicht scheut, auch den Islam gegen den Islam zu verteidigen. Nachdrücklich tritt sie dafür ein, die freie Interpretation des Koran für die Gegenwart wieder zuzulassen, was derzeit von der Mehrzahl der islamischen Gelehrten nicht akzeptiert wird. Das Tor des Idschtihad bleibt noch geschlossen. Aber Hamideh Mohagheghi trommelt dagegen, zusammen mit anderen iranischen Theologen, mit denen sie in Kontakt steht. Das sind Stimmen und Bilder, die Mut machen können. Bei vermutlich fast jedem Ihrer Vorträge kommt aber auch die unvermeidliche Frage: Für wie viele Muslime kann sie sprechen? In wieweit sind ihre Positionen, für die man sich weite Verbreitung wünscht, überhaupt repräsentativ für „den“ Islam? Spricht sie nicht nur für eine kleine Minderheit?
Atomprogramm und Apostasiegesetz
Tag der offenen Tür in der Sächsichen Landeszentrale für politische Bildung, 12. 6. 2008. Das Thema Islam lockt einige Bürger zu den Vorträgen. Dr. Wahied Wahdat-Hagh vom Institut für Demokratie in Brüssel referiert über die Herrschaft des politischen Islam im Iran als eine neue Form des Totalitarismus. Seine Analyse zeichnet ein düsteres, um nicht zu sagen dramatisches Bild. Der iranische Präsident Ahmadinedschad zieht alle Geldanlagen aus europäischen Banken zurück ins eigene Land, um von Sanktionen unabhäniger zu sein und forciert das eigene Atomprogramm als Ausdruck des göttlichen Willens. Dabei fährt er eine scharfe, auf Konfrontation gerichtete Außenpolitik und missachtet die Menschenrechte im eigenen Land. Ein neues Apostasiegesetz ist in Vorbereitung, welches den Abfall vom Islam stärker strafrechtlich verfolgen soll und zu heftigen Pogromen gegen religiöse Minderheiten wie Christen und Bah‘ai im Lande führen kann. Dieser Vortrag machte Angst. Der Referent musste nach seinem Vortrag selbst einräumen, dass seine Darstellung zur Rechtfertigung eines kommenden Krieges verwendet werden kann. Ein solcher hätte aber verheerende Auswirkungen - nicht nur für den Iran, sondern für die Stabilität weltweit und würde den radikalen islamistischen Terrorgruppen scharenweise neue Anhänger zutreiben. Diese Perspektive blieb unberücksichtigt. Was seinem Referat an wissenschaftlicher Ausgewogenheit fehlte, ersetzte er durch deutliche politische Zielrichtung.
Teilweise widerspricht ihm Aiman Mubarak, angehender Politikwissenschaftler aus Leipzig und sudanesischer Muslim, der eigentlich über den Islam als Religion referierte, aber in der Diskussion sich auch den kritischen Fragen stellte. Während z.B. in Ägypten eine sehr konservative Gesellschaft von einem vergleichsweise säkularen Staatssystem regiert werde, ist es nach seiner Einschätzung im Iran eher umgekehrt: Einer sehr offenen Gesellschaft mit hoher Diskussionskultur steht dort ein sehr konservatives Regime gegenüber. Das außenpolitische Pathos als Held und letztes Bollwerk des Islam gegen die amerikanischen und israelischen Aggressoren hilft offenbar auch, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. In Leipzig ist Aiman Mubarak Vorsitzender von VASA e.V., einem Verein für arabische Studenten und engagiert sich für ein gutes Verhältnis der arabischen Studierenden zu ihren deutschen Kollegen.
Welches Bild ist richtig? Wer hat Recht? Jeder Referent hat seinen Blickwinkel dargestellt, sein Profil. Keiner kann für das Ganze sprechen - auch wenn dies aus der Außenperspektive oft erwartet wird. Erst in der Zusammenschau der Puzzlesteine entsteht das Mosaik, welches ein Gesamtbild erahnen lässt. Jeder Stein für sich ist durchaus richtig und wahr, aber zeigt eben nicht die ganze Wirklicheit. Es ist dieselbe Problematik, wenn Muslime mit Christen sprechen und jeweils versuchen, in ihren Gesprächspartnern das Christentum kennenzulernen. Es ist eine wichtige Lernerfahrung, dass es die abstrakte Religion an sich in Wirklichkeit nicht gibt, sondern nur ihre vielfältigen, durchaus zum Teil auch widersprüchlichen Ausprägungen im Glauben und Bekennen konkreter Menschen.
Eine wichtige Aufgabe für einen gelingenden Dialog scheint es darum zu sein, die jeweiligen Gesprächspartner möglichst gut zu kennen um zu wissen, was von ihnen erwartet werden kann und was nicht und wie ihre Äußerungen einzustufen sind.
Glaubwürdig werden die Stimmen muslimischer Verbandsvertreter sein - und nur dann - wenn sie sich nach innen vernehmlich ebenso äußern, wie nach außen. Ich wünsche mir mehr Publikationen und Informationsmaterialien, die von den Moscheeverbänden herausgegeben werden und sich an ihre eigenen Mitglieder richten, um auch ihnen die Positionen zu verdeutlichen, die so freundlich auf den Podien und in den Dialogen verbreitet werden.