Taufe und Asyl

Ergebnisse von einem Fachtag an der Evangelischen Akademie Meißen

Immer wieder kommt es vor, dass Asylbewerber aus mehrheitlich islamisch geprägten Ländern in Deutschland zum christlichen Glauben finden und in Kirchgemeinden die Taufe erbitten. Welche Auswirkungen hat das für die Betroffenen? Für die Kirchgemeinden und Pfarrer ist es nicht immer leicht einzuschätzen, welchen Anteil an der Motivation zu dem Taufbegehren die Hoffnung spielt, die Taufe könnte im Asylverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Mit diesen Problemen befasste sich eine Fachtagung am 13. März 2013 an der Ev. Akademie Meißen.

Wesen der Taufe

Das Sakrament der Taufe begründet die Mitgliedschaft in der christlichen Kirche. Wer getauft ist, wird Glied am Leib Christi. Damit ist die Taufe kein Ende, sondern der Anfang eines Weges mit Gott, erläuterte OKR Dr. Thilo Daniel. In der Taufe wird dem Täufling Gottes Zusage ausgesprochen. Taufe und Bekenntnis gehören zusammen: das Apostolikum, welches jeden Sonntag im Gottesdienst gesprochen wird, ist ein Taufbekenntnis.

Rechtsfolge der Taufe ist die Mitgliedschaft in einer Kirche. Grundsätzlich werden die kirchlichen Taufen im Rahmen des Selbstordnungsrechts der Kirchen vom Staat als innerkirchliche Entscheidung anerkannt, erklärte OLKR Klaus Schurig. Im Asylverfahren wird die Ernsthaftigkeit von Übertritten geprüft. Problematisch ist aber, wie der Staat eine solche Prüfung vornehmen will, denn wenn der Staat die Voraussetzungen zur Aufnahme in die christliche Kirche bestimmen will, verletzt dies das Neutralitätsgebot. Der Staat kann folglich eigentlich keine Konversion beurteilen. Was er hingegen zu beurteilen versuchen kann, ist die Verfolgungsprognose: wie sich das Christsein möglicherweise für den Betroffenen auswirkt. Dazu kann gehören, wie wichtig ihm die Verbreitung seines Glaubens ist. Das Problem bei solchen Einzelfallprüfungen ist, dass auf dem Weg über die Dolmetscher gern 30-40% Informationsverlust auftreten - was bei diffizilen religiösen Fragen erheblich und asylentscheidend werden kann. So gehörte die Notwendigkeit von mehr christlichen anerkannten Übersetzern im Asylverfahren zu einem der wesentlichen Erkenntnisse dieses Fachtages.

Verfolgung wegen des Glaubens

Über den Zusammenhang von religiösem Bekenntnis und Asylgründen berichtete Vanessa Kaiser, Rechtsanwältin in Dresden. Juristisch wird zwischen dem Forum internum, eine Weltanschauung bzw. einen Glauben zu haben, und dem Forum externum, diesen Glauben auch kundzutun und entsprechend zu handeln, unterschieden. Ausländer dürfen nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem deren Leben oder die Freiheit wegen ihrer Religion bedroht ist. Ein noch relativ neues Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom September 2012 hat die Auslegung von Artikel 10 der entsprechenden Qualifikationsrichtlinie klargestellt. Bisher konnte es vorkommen, dass Menschen auch in Länder mit religiöser Verfolgung abgeschoben wurden, weil ihnen zugemutet wurde, ihren Glauben eben nur innerlich und privat, aber nicht öffentlich zu pflegen. Diese Unterscheidung ist nicht mehr statthaft. Wenn die öffentliche Religionsausübung die Gefahr der Verfolgung begründet, so soll dies künftig die Abschiebung verhindern.

Glaubensprüfung

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befragt die Asylbewerber intensiv, was den Charakter einer Glaubensprüfung annehmen kann. Frau Kaiser schildert den Fall einer iranischen Familie, deren Tochter seit 5 Jahren getauft war, regelmäßig in die Gemeinde ging und erst auf Drängen der Anwältin diesen Aspekt im Asylverfahren vorgebracht hat. Vom Bundesamt wurde sie abgelehnt, weil sie die theologischen Prüfungsfragen nicht ausreichend beantworten konnte. So hatte sie z. B. die Frage nach dem Vater Jesu Christi nicht verstanden – denn als Gottes Sohn ist das doch Gott? Sie ist sehr fromm und lebt aus dem Glauben, war aber intellektuell und sprachlich nicht in der Lage, das zusammenhängend zu formulieren. Wie soll das Bundesamt in solchen Fällen die Ernsthaftigkeit des Glaubens prüfen?

Probleme gibt es auch bei der Unterbringung in den Asylbewerberheimen. Ein afghanischer Asylbewerber, der schon vorher das Christentum kennengelernt hatte, war 16 Jahre lang in einem entlegenen Heim untergebracht, von dem aus er nirgends in seinem begrenzten Ausgangsbereich einen Gottesdienst hätte besuchen können - ganz abgesehen vom Sprachproblem. In Berlin kannte er einen Pfarrer, bekam aber nur sehr unregelmäßig einen „Urlaubsschein“ zum Verlassen des Landkreises, um dort am Gottesdienst teilnehmen zu können. Dann wurde er mit einem anderen streng islamisch-religiösen Landsmann in einem Zimmer untergebracht, so dass er sich nicht mehr wagte, dort erkennbar seinen christlichen Glauben zu leben. Die Bitte auf andere Unterbringung fand kein Verständnis bei den Ausländerbehörden.

Fallen im Asylverfahren

Die Position des BAMF wurde von deren Chemnitzer Leiterin Birgit Bublinski-Westhof vorgestellt. Dieses sieht sich an die von der Politik beschlossenen und in Gesetzesform gebrachten sehr engen Vorgaben gebunden. Als Kernproblem zeigte sich hier, dass die meisten Konversionen verständlicherweise erst in Deutschland erfolgen. Schafft aber jemand erst in Deutschland nach Abschluss des ersten Asylverfahrens die Gründe, die zu seinem Schutz Anlass geben, dann stehen diese grundsätzlich unter Missbrauchsverdacht und werden nicht anerkannt – es sei denn, es gelingt dem Asylbewerber, diesen Missbrauchsverdacht auszuräumen. Dazu müssen aber gute Gründe vorgebracht werden. Die Taufe allein reicht dafür nicht. Gleichwohl soll kein Glaubensexamen (mehr) abgefragt werden. Es geht bei der Prognose, ob Verfolgung droht, um die Ermittlung der Glaubensidentität. Dazu gehören der Weg zur Konversion, die religiöse Prägung, die Glaubenshandlungen, wie auch die Reaktionen der Familie.

Der Tag hat viele wertvolle Impulse gebracht. Im Rückblick ist allerdings auch unübersehbar, dass die gegenwärtige sehr restriktive deutsche Asylpolitik zu viele tragische Schicksale hinterlässt.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2013 ab Seite 18