Wirbel um einen Text-Remix von Pfr. i.R. Dr. Theo Lehmann
Die BILD-Zeitung in Chemnitz hat am 4. 1. 2016 einen Text aufgegriffen, der seit Oktober 2015 im Internet kursiert und im Dezember 2015 in einem Gemeinebrief nachgedruckt wurde. Unter der Überschrift „Dr. Theo Lehmann spricht Klartext. Eine eindringliche Botschaft zu uns Christen“ wird ein Zusammenschnitt verschiedener Texte präsentiert, der suggeriert, einen aktuellen Beitrag des pensionierten sächsischen Pfarrers Dr. Theo Lehmann zur Flüchtlingsdebatte darzustellen. Dies entspricht aber nicht der Wahrheit.
1) Der Kern des Textes wurde unter der Überschrift „Das Land ist still. Gegen ein immer seichteres Christentum in Deutschland“ bereits im September 2004 von Dr. Theo Lehmann veröffentlicht und richtet sich offensichtlich gegen von ihm als zu „seicht“ empfundene Ausprägungen eines pfingstlich-charismatischen Christentums. Demgegenüber verweist er auf den Ernst des Glaubens, der sich auch in Verfolgungssituationen bewähren können muss. In diesem Sinn meint seine Forderung nach „bibelfesten, feuerfesten, KZ-fähigen“ Christen eine Verankerung des Glaubens, die nicht nur in Wohlfühlzeiten gilt, sondern auch dann Bestand hat, wenn - wie z.B. in Nordkorea - Glaubensentscheidungen in ein Konzentrationslager führen können.
Auch wenn man Dr. Lehmann nicht in allen Details seines damaligen pointierten Textes zustimmen muss, so ist die Grundaussage an sich nicht skandalös. Sie ist dahingehend zutreffend, dass
1. die Religionsfreiheit weltweit und auch in Deutschland immer neu verteidigt werden muss und
2. der christliche Glaube in Situationen führen kann, wo er seinen Bekennern persönliche Opfer abverlangt.
2) Der über 10 Jahre alte Text von Dr. Theo Lehmann wurde ohne Kennzeichnung dieser Zusammenfügung mit einem Vorspruch versehen, der einem anderen Text entnommen ist und einen Bezug zur gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte enthält.
Dieser zweite Text stammt aus dem „Brief eines besorgen Pastors“ aus Syrien, der von der Organisation Open Doors am 6. Oktober 2015 veröffentlicht wurde. Dieser Text spricht sich um der Überzeugungskraft des Glaubens willen nachdrücklich dafür aus, den muslimischen Familien, die als Flüchtlinge nach Europa kommen, ein „warmherziges Willkommen“ zu bereiten, denn sie „sind gebrochen, verletzt und notleidend.“ „Lasst sie das wahre Gesicht des Christentums sehen (denn sie bringen die Vorstellungen vom Christentum mit, die man ihnen beigebracht hat). Muslime sind nicht unsere Feinde. Sie sind als Menschen Gottes geliebte Geschöpfe wie wir auch, mit vielen wunderbaren Traditionen des Orients. Beeilt euch und kümmert euch um sie, bevor sie sich (wieder) dem Islam zuwenden.“ heißt es in dem Text.
3) Die im Internet auf zahlreichen Webseiten und bei Facebook kursierende und u.a. in einem Gemeindebrief nachgedruckte Fälschung verändert die Aussage beider Texte erheblich. Die positiven Aussagen des syrischen Pastors zum freundlichen Umgang mit Muslimen wurden weggeschnitten. An ihre Stelle traten die Aussagen zur Christenverfolgung. Im Ergebnis hinterlässt dies beim Leser ein deutlich anderes Gefühl, als jeder der Texte für sich genommen: Es wird Angst vor dem Islam und den Flüchtlingen erzeugt.
Diejenigen, die solche zusammengeschusterten Falschmeldungen verbreiten, müssen sich fragen lassen, was sie damit bezwecken und wem sie damit dienen. Im Sinne des Christentums ist das keinesfalls.
Die Texte im Original:
https://www.opendoors.de/nachrichten/aktuelle-meldungen/syrien-brief-eines-besorgten-pastors
http://ikabod.de/Artikel/Theo-Lehmann---Das-Land-ist-Still.pdf
http://www.bild.de/regional/chemnitz/pfarrer/was-wir-brauchen-sind-kz-faehige-christen-44002402.bild.html
http://www.stadtmission-neustadt.de/smb/stadtmissionsbrief_2015-12.pdf (Brief Stand 12.09.2023 nicht mehr abrufbar)