Neuer Promi-Kult um alte Mystik provoziert orthodoxe Juden

Kabbala-Center in der Kritik

Früher räkelte sich Madonna als „material girl“ lasziv durch ihre Videos auf MTV. Heute nennt sie sich Esther und verweigert am Sabbat strikt die Sangeskunst. Stattdessen orakelt sie lieber in der Zahlen-Mystik der jüdischen Kabbala: Nummern schieben einmal anders. Das Studium der Kabbala ist der neueste Eso-Trend aus der Traumfabrik Hollywood. Jüdische Glaubenswächter betrachten die Kommerzialisierung der alten Lehre jedoch mit Grausen.

Als sich Pop-Diva Madonna alias Esther jüngst am jüdischen Neujahrsfest mit 2 000 Kabbala-Anhängern in Tel Aviv zum Orakeln traf, waren strenggläubige Rabbiner nicht sehr begeistert: „Unkoscher“ lautete ihr zorniges Prädikat. Viele orthodoxe Juden berufen sich noch heute auf die mystische Lehre aus dem zwölften Jahrhundert und fühlen sich durch den neuen Promi-Kult provoziert.

Esther orakelt nicht allein: Angeblich versprechen sich auch Demi Moore, Liz Taylor, Victoria und David Beckham von der Kabbala eine dicke Portion Seelenheil. Für ihre „Kabbala-light“-Version braucht es - ganz entgegen traditioneller Regeln - weder die Konvertierung zum Judentum noch das Studium der Thora. Dringend notwendig ist jedoch ein dicker Geldbeutel: Die Kurse in den weltweit expandierenden Kabbala-Zentren kosten schnell einige hundert Euro. Dafür gibt es die im Esoterik-Allerlei üblichen Dienstleistungen. Eine Kölner Kabbala-Lehrerin: „Es ist im Grunde eine praktische Lebenshilfe. Anhand des Namens und mystischer Zahlenschlüssel lässt sich herausfinden, welche Wege die Seele nehmen muss, und in welche Richtung sich ein Mensch entwickeln sollte.“

Ähnliche Tipps und Tricks zur Existenzbewältigung geben bekanntlich auch die Astrologie, das Erforschen des Vogelflugs und die gewissenhafte Erkundung von Koffeinrückständen in Kaffeefiltern. Mancher rechnet nach und merkt es. Jerry Hall, Ex-Frau von Mick Jagger, soll unlängst wütend ein Kabbala-Zentrum verlassen haben: „Ich wusste nicht, dass ich zehn Prozent meines Einkommens abgeben muss, um durchs Tor der Wunder gehen zu dürfen.“

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2004 ab Seite 02