Tödliche Lichtnahrung

„Am Anfang war das Licht"
Der menschliche Organismus braucht Nahrung zum Überleben. Diese eigentlich banale Grundaussage ist von Esoterikern immer wieder in Frage gestellt worden – nun erneut mit tödlichem Ausgang.

Der Film des österreichischen Regisseurs Peter-Arthur Straubinger „Am Anfang war das Licht“ zeigt eine Reihe von Protagonisten der sogenannten „Lichtnahrung“ wie z.B. den Schweizer Anthroposophen Michael Werner, den indischen Yogi Prahlad Jani und die Australierin Ellen Greve, die als „Jasmuheen“ mit ihrem Lichtnahrungsprozess bereits mehrfach in die Schlagzeilen gekommen war. Sie alle behaupten, inzwischen ohne physische Nahrung auszukommen und sich nur von kosmischem Licht, dem sogenannten „Prana“ zu ernähren.

Eine Schweizerin hat nach dem Sehen des Films offenbar beschlossen, den Empfehlungen von Jasmuheen zu folgen. Demnach sollen dreiwöchiges Fasten und Meditieren im Körper einen Umwandlungsprozess hervorrufen, der zur Aufnahme von Prana führe. Anna Gut hat diese Versuche nicht überlebt. Ihre erwachsenen Kinder fanden sie verhungert in ihrer Wohnung vor. Sie ist damit das vierte Todesopfer der Lichtdiät nach dem Münchner Timo Degen 1997, der Neuseeländerin Lani Morris 1998 und der Australierin Verity Linn 1999. Die Anhänger ficht das nicht an. Filmemacher Straubinger bedauert auf seiner Facebookseite den tragischen Todesfall, meint aber weiterhin, dass der Lichtnahrungsprozess aus seiner Sicht „entweder natürlich, quasi als Nebeneffekt eines gewissen Zustandes, oder gar nicht“ funktionieren würde. Der schweizer Journalist Hugo Stamm ist den prominenten Fällen nachgegangen. Jasmuheen wollte unter ärztlicher Aufsicht nachweisen, dass sie ohne Nahrung auskommt. Der Test musste aber nach wenigen Tagen abgebrochen werdenn, weil Jasmuheen gefährlich ausgetrocknet war und rasch an Gewicht verloren hatte. Auf Vortragsreisen wurde sie mehrfach beim heimlichen Essen ertappt.

Michael Werner hatte in einem Berner Spital einen zehntägigen überwachten Selbstversuch vorgenommen, der ihm großes Medienecho verschaffte und als Beweis für die Möglichkeit von Lichtnahrung vermarktet wird. Der medizinische Bericht darüber wird aber unter Verschluss gehalten. Wie der „Tagesanzeiger“ recherchiert hat, geht aus ihm hervor, dass Werner in einen Hungerzustand gefallen ist und von seinen Körperreserven gelebt hat. Von Lichtnahrung also keine Spur. Es scheint nicht ganz unberechtigt, dass Straubingers Film 2011 zum „herausragendsten Unfug des Jahres“ gekürt wurde (vgl. Confessio 4/2011, 3). Als Rezept gegen den Welthunger ist Prana definitiv nicht geeignet.

HL / tagesanzeiger.ch, sueddeutsche.de, facebook.com/AmAnfangwardasLicht

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