Der Wille des Tieres 666

Aleister Crowley und seine Epigonen

Die wohl berühmteste Gestalt des modernen Satanismus war streng genommen gar keiner. Alexander Edward Crowley (1875-1947) verehrte keinen Teufel, sondern bezeichnete sich selbst als das große Tier aus der Johannesoffenbarung und nannte sich The great Beast 666 (gern auch griechisch: to mega therion).

Anfänge

CrowleyCrowley stammte aus einer sehr frommen, puritanischen Familie, die den Plymyth Brethren angehörte. Seine Mutter hatte keine glückliche Hand in der Erziehung des eigenwilligen Kindes und ihre Versuche schlugen in das Gegenteil um. Er erfreute sich an seinem grenzenlos schlechten Ruf und gab sich die größte Mühe, dass er ihm stets vorauseilte.

Seine grundlegenden Erfahrungen mit ritueller Magie und esoterisch–okkulter Tradition machte er im Hermetic Order of the Golden Dawn, der am Streit um ihn zerbrach. Crowley bereiste die Welt und verprasste das ererbte Vermögen, um fortan auf Kosten seiner Anhänger zu leben.

Thelema

In Kairo entdeckte er 1904 im ägyptischen Museum eine Stele des ägyptischen Gottes Horus, die die Museumnummer 666 trug - für ihn eine Offenbarung. Im Anschluss verkündete er das Gesetz von Thelema, das ihm von dem Geistwesen Aiwass im Liber Al vel Legis diktiert worden sei, als Gesetz des neuen Aons.

Wieder in Europa wurde er Mitglied des von Theodor Reuß begründeten Ordo Templi Orientis (O.T.O.), der in seinen inneren Graden Sexualmagie praktizierte und damit auf Crowleys besondere Vorlieben traf. Crowley übernahm den Orden, der zeitweise mehr Grade als Mitglieder hatte, und benutzte ihn als Geldbörse und Spielwiese für seine exzentrischen Ideen. Er gründete Ableger in den USA, mit denen auch L. Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, in Berührung kam.

1920 bezog er mit einigen Anhängern in Sizilien ein Haus, das er zur „Abtei Thelema“ erhob. Es war ein Ort wilder Ausschweifungen, mit hohem theatralischem Aufwand inszenierter sexualmagischer Riten und heftiger Drogenexzesse. Als Crowley 1947 starb bezeichnete ihn die Presse als verderbtesten Menschen der Welt.

Gegenwärtig existieren eine unübersichtliche Vielzahl von O.T.O.-Nachfolgeorganisationen, die sich auf das Gesetz von Thelema berufen und in Crowleys Tradition stehen.

Seine komplizierte Lehre ist nicht leicht verständlich und vermischt verschiedene Elemente miteinander. Besonders die ägyptische Götterwelt hatte es ihm angetan. Nach seiner Auffassung beruht das Universum auf dem Zusammenwirken dreier Wesenheiten: Nuit, Hadit und Ra-Hoor-Kuit. Nuit steht für das Nichts und den unbegrenzten Raum, Hadit für das Zentrum bzw. den Willen und Ra-Hoor-Kuit für die ständige Vereinigung von Nuit und Hadit.

Fazit

Crowleys Popularität ist ungebrochen. Etliche seiner Schriften werden in Neuauflagen wieder herausgebracht. Für manche ist Crowley als Schwarzmagier und Satanist abschreckendes Beispiel oder gar Verkörperung des Antichrist, für andere Vorbild und größter Magier des Westens. John Symonds schrieb anhand von Crowleys Tagebuchaufzeichnungen und anderen Dokumenten aus dem Nachlass Crowleys Biographie. Diese zeigt weder den Antichrist, noch den größten Magier, sondern eine Geschichte menschlichen Elends voll krankhafter Selbstüberschätzung und einer Bindungs– und Heimatlosigkeit, über die auch die stets neuen Provokationen der Umwelt nicht hinwegtäuschen können.

Harald Lamprecht, 9/2001
 

Das Gesetz von Thelema

Das Gesetz des Starken: Das ist unser Gesetz.
Und die Freude der Welt.
Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz.
Du hast kein Recht als deinen eigenen Willen zu tun. Tue den, und kein anderer soll Nein sagen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.

Es gibt keinen Gott außer dem Menschen. Der Mensch hat das Recht nach seinem eigenen Gesetz zu leben. Zu arbeiten wie er will, zu spielen wie er will, zu ruhen wie er will, zu sterben wann und wie er will.

Der Mensch hat das Recht zu essen was er will, zu trinken was er will, zu wohnen wo er will, zu reisen auf dem Antlitz der Erde wie er will.

Der Mensch hat das Recht zu denken was er will, zu sagen was er will, zu schreiben was er will, zu zeichnen, malen schnitzen, ätzen, gestalten und bauen wie er will. Der Mensch hat das Recht zu lieben wie er will; auch erfüllet euch nach dem Willen in Liebe, wie ihr wollt, wann, wo und mit wem ihr wollt.

Der Mensch hat das Recht all diejenigen zu töten, die ihm diese Rechte zu nehmen suchen.
Die Sklaven sollen dienen.
Liebe ist das Gesetz. Liebe unter Willen!

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio Themenheft 01 ab Seite 22