Evangelisch in einer globalisierten Welt

Ökumenischer Lagebericht des Konfessionskundlichen Instituts
In einer Zeit wachsenden religiösen Pluralismus ist der Beitrag des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes stark gefordert. Evangelisches Christsein hat einen spezifischen Beitrag für die ökumenische Gemeinschaft, betonte Prof. Dr. Michael Plathow im Rahmen der Präsentation des ökumenischen Lageberichtes am 15. 10. 2005 vor der Generalversammlung des Evangelischen Bundes in Bonn.

Profilierung der röm.-kath. Kirche

Konfessionskundlich bedeutendste Ereignisse waren der Wechsel im Papstamt und das röm.-kath. „Jahr der Eucharistie“ mit dem XX. Weltjugendtag in der Mitte. Den Weltjugendtag wertete Plathow als Profilierung der röm.-kath. Kirche mit der Fokussierung auf Amt und Person des Papstes als Identifikationssymbol der röm.-kath. Christenheit. Papst Benedikt XVI. war trotz seiner Dominanz und den Anzeichen von Personenkult ein Zeuge des christlichen Glaubens: klar wies er von sich weg auf die Wahrheit in Jesus Christus hin. Freilich fremd und befremdlich bleibt evangelischen Christen die Papstbegeisterung der anwesenden Jugendlichen aus vielen Ländern. Kritisch hinterfragen evangelische Christen die wieder erwachte „eucharistische Anbetung“ des „Allerheiligsten“ der „Kirche der Eucharistie“ und den ebenfalls wiederum verkündeten Ablass. Ökumene blieb auf dem Weltjugendtag ebenso eine Randerscheinung und spielte eine winzige Nebenrolle wie Diskussionsveranstaltungen zu Glaubensthemen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen.

Das Papstamt, auch in der diskutierten Form eines universalen Petrusdienstes oder Sprecheramtes der Christen, gehört nach evangelischem Verständnis zur veränderbaren Gestalt, nicht aber zum Wesen der Kirche. Darum sind verschiedene Formen möglich. Das Papstamt vereint verschiedene Ämter und Titel. Dem Repräsentanten des völkerrechtlichen Subjekts „Vatikanstaat“ können evangelische Christen ebenso mit Respekt begegnen wie dem Papst als Repräsentanten der römisch-katholischen Kirche. Die fundamentale theologische Differenz - nicht nur zu reformatorischen, sondern auch zu anderen christlichen Kirchen - konzentriert sich im Unfehlbarkeits- und Jurisdiktioinsprimat des Papstes. Mit dem Papstamt gehören das Amts- und Kirchenverständnis zu den kontroversen Themen ökumenischer Lehrgespräche und ökumenischen Zusammenlebens.

Glaubensmut und Toleranz

Ein zunehmend wichtiges Thema in den verschiedenen Konfessionen ist der interreligiöse Dialog geworden. Dies zeigt sich in Diskussionen zum Kopftuchstreit und zur Islamischen Charta wie am Thema der kommenden EKD-Synode im November 2005 in Berlin: „Glaubensmut und Toleranz im religiösen Pluralismus“.

Die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen standen im Schatten der römischen Ereignisse. Während die Dialoge der EKD mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und der Russisch Orthodoxen Kirche fortgesetzt wurden, ist das Verhältnis der röm.-kath. Kirche zu den Orthodoxen noch von starken Spannungen belastet. Im Blick auf die Armenische Orthodoxe Kirche ist die Einrichtung des Lepsius-Hauses in Halle (Saale) zu erwähnen. Damit wird 90 Jahre nach dem Genozid an den Armeniern das Wirken des evangelische Pastors Johannes Lepsius hervorgehoben, der sich 1915 gegen den Völkermord engagiert hatte. Eine Aufarbeitung durch die Türkei lässt noch auf sich warten.

Freikirchen in Verantwortung

Der Baptistische Weltbund konnte sein Jubiläum zum 100jährigen Bestehen im Juli 2005 in Birmingham feiern, allerdings mit verringerter Basis: der 16 Millionen Mitglieder umfassende fundamentalistische Bund der Südlichen Baptisten in den USA war zum 1. 10. 2004 ausgetreten. Theologisch bedeutsam ist der Dialog über die Taufe zwischen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF), in denen die Taufe als „Anfang christlichen Lebens“ hervorgehoben wurde. In einem Wort „Zur aktuellen sozialen Lage in Deutschland“ hat die Evangelisch-methodistische Kirche zu mehr Steuergerechtigkeit aufgerufen.

Evangelischer Glaube als Zeugnis

Evangelische Christen leben aus dem Geschenk der Vergebung und Versöhnung. Die Entchristlichung der Gesellschaft fordert sie neu zum Zeugnis und Dienst heraus. Kommende ökumenische Ereignisse sind die IX. Vollversammlung des ÖRK in Porto Alegre (2006), der VI. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Budapest (2006) und der II. Ökumenischen Versammlung der Konferenz Evangelischer Kirchen (KEK) und des Rats der katholischen Bischofskonferenzen in Europa (CCEE) in Sibiu (2007).

Der komplette Jahresbericht ist als epd-Dokumentation Nr. 42 erschienen und beim GEP zu beziehen (069/58098189)

Harald Lamprecht / Michael Plathow

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/138

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2005 ab Seite 18