Mit Aposteln im Gespräch

Dialog mit Neuapostolischer Kirche auf der zweiten Begegnungstagung des Evangelischen Bundes intensiviert
Bei der zweiten Begegnungstagung zwischen Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche und der evangelischen Kirchen in Mitteldeutschland wurde am 1. und 2. April 2011 in Leipzig intensiv über das Thema „Apostolizität der Kirche“ diskutiert. Mit dem Treffen wurde ein Dialogprozess fortgesetzt, der im vergangenen Jahr zwischen dem Evangelischen Bund und der Neuapostolischen Kirche in Mitteldeutschland begann und zu einem besseren gegenseitigen Verstehen führen soll.

Mit der Frage nach dem Apostelamt wurde ein theologisch „heißes Eisen“ angepackt. Möglich war dies, weil in den bisherigen Begegnungen bereits eine gute Gesprächsatmosphäre mit gegenseitigem Respekt etabliert wurde. Zudem standen mit dem Ökumeniker Prof. Dr. Ulrich Kühn und dem theologischen Berater des Stammapostels PD Dr. Reinhard Kiefer ausgewiesene Fachleute zur Verfügung, um das Thema mit der nötigen Tiefe anzugehen.

Was bedeutet Apostolizität?

Apostolizität ist ein wichtiger Begriff sowohl in der Evangelischen als auch in der Neuapostolischen Kirche. Aber die damit verbundenen Inhalte werden unterschiedlich gewichtet. Grundsätzlich erweist sich die Apostolizität der Kirche darin, dass sie in der biblisch überlieferten Lehre der Apostel bleibt. Zugleich braucht es dafür ein kirchliches Amt (Dienst). In der Evangelischen Kirche wird dieses Predigtamt vom Bischofsamt hergeleitet. Durch die Predigt und die Sakramente wird das Evangelium heute zur Sprache gebracht und so die Lehre der Apostel weitergegeben. In der Neuapostolischen Kirche wird dieses Lehramt von dem Apostelamt übernommen, welches ähnlich wie das Bischofsamt in verschiedenen Ämtern zur Verkündigung und Sakramentsverwaltung entfaltet wird. Damit wird in der Neuapostolischen Kirche der personale Aspekt der Apostolizität stärker betont, während in der Evangelischen Kirche das Gewicht stärker auf der inhaltlichen Kontinuität zur apostolischen Überlieferung liegt.

Die Erneuerung des Apostelamtes aus einer Erweckung im Geist Gottes geschah zunächst im Rahmen der Endzeiterwartung englischer Christen in der Zeit nach der französischen Revolution. Mit der Berufung neuer Apostel ab 1863 wurde daraus ein Lehramt mit dem Ziel, die eigene Kirche im Glauben zu befestigen. In dem Maß, wie die übrigen Kirchen die Ablehnung der neuen Apostel durch die Katholisch-Apostolischen Gemeinden übernahmen und verstärkten, wurde die Neuapostolische Kirche von der anderen Christenheit stärker isoliert. Daraus folgte ein jahrzehntelanges Neben- und oft auch Gegeneinander. Heute ist demgegenüber eine wachsende Sehnsucht nach Kontakt mit anderen Christen zu spüren.

Dem Herrn entgegenführen

Dr. Reinhard Kiefer stellte in seinem Referat heraus, dass aus neuapostolischer Sicht das Apostelamt nicht auf die erste Generation zeitlich begrenzt war, sondern im Rahmen der neuen Apostelberufungen ab 1832 von Gott neu gesetzt wurde. Die gegenwärtigen Apostel haben die Aufgabe, die Botschaft der Bibel als Heilige Schrift laut werden zu lassen, d.h. in einer Weise zur Sprache zu bringen, die über einen rein rational-wissenschaftlichen Umgang hinaus geht. Diese Lehrfunktion in Zusammenhang mit der Sündenvergebung und der Spendung der Sakramente soll die Gemeinde dem Herrn entgegenführen.

Keine Garantie der Wahrheit

Mit 15 Thesen stellte Prof. Kühn dar, dass nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte die Apostel primär als Zeugen der Auferstehung von Jesus fungierten. Die Herausbildung des kirchlichen Amtes wie auch des Kanon der biblischen Schriften diente der Bewahrung der apostolischen Botschaft. In der Reformation entstand das Dilemma, dass die apostolische Lehre gegen die Praxis des kirchlichen Amtes stand, welches eigentlich diese Lehre sichern sollte, aber durch Missstände korrumpiert wurde. Eine Garantie der Wahrheit kann es allein durch formale Eingliederung in eine Amtsstruktur nicht geben. Das lehrt die geschichtliche Erfahrung. Zugleich bleibt aber die apostolische Botschaft nur dort lebendig, wo sie auch durch Personen ausgedrückt und repräsentiert wird.

Ziel: Kontakte verbessern

Die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Begegnungstagung konnten in den angeregten Diskussionen mehr davon verstehen lernen, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Glaubensverständnis beider Kirchen liegen. Es bestand Einigkeit darüber, dass es ein wünschenswertes Ziel darstellt, die Kontakte zwischen beiden Kirchen auf verschiedenen Ebenen zu verbessern. Auch ein solcher Dialog über theologische Grundsatzfragen soll fortgeführt werden, um auf biblischer Grundlage gemeinsam um die Wahrheit zu ringen. Als Thema für die nächste Begegnung steht das Gespräch über die theologische Bedeutung von Taufe und Versiegelung auf dem Programm.

Harald Lamprecht

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2011 ab Seite 12