Yoga im Gemeindehaus?
Immer mal wieder gibt es diese Situation: Der Kirchenvorstand der Gemeinde bekommt die Anfrage, ob die Gemeinderäume zu einer bislang nicht genutzten Zeit regelmäßig an eine Yogalehrerin oder einen Yogalehrer vermietet werden können, um dort Kurse anzubieten. Welche Aspekte sind bei einer Entscheidung zu bedenken?
1. Grundsätzlich ist Yoga keine Gesundheitsübung, sondern ein spiritueller Erlösungsweg im Kontext hinduistischer Weltvorstellungen. Integraler Bestandteil dieser Weltvorstellung ist ein im Grunde monistisches Konzept, wonach Menschliches und Göttliches (Atman und Brahman) wesenhaft eins sind und diese Einheit in der Meditation erkannt werden soll.
Das widerspricht grundlegend dem christlichen Konzept der Schöpfung, wonach Gott als Schöpfer der Welt als seiner Schöpfung gegenübersteht und folglich Gott und Mensch grundsätzlich unterschieden sind. Keine religiöse oder spirituelle Technik kann daher den Unterschied zwischen Gott und Mensch verwischen. Wir können uns bereit machen, Gottes Wirken in unserem Leben zu erkennen, aber wir können (und müssen zum Glück) nicht selbst göttlich werden.
Wer Zweifel am hinduistisch-spirituellen Grundcharakter des Yoga hegen sollte, möge einfach mal eine beliebige Ausgabe der Zeitschrift Yoga aktuell im Bahnhofskiosk erwerben und durchblättern.
2. In der westlichen Praxis geht es bei Yoga in den unteren Stufen in der Regel nicht um diese spirituellen Aspekte im engeren Sinn, sondern um Gesundheitsübungen und Entspannung – nicht selten auf Krankenkassenrezept. Die Leute im Yogakurs suchen meistens nicht die Einheit mit dem Göttlichen, sondern wollen ihre Rückenschmerzen oder die Alltagshektik los werden. Sie wollen fit und gesund bleiben, aber nicht die Religion wechseln. Folglich bieten einige Yogalehrer diesem Bedarf folgend eine Art Yoga-light an, das die Gesundheitsaspekte betont und die spirituellen Aspekte in den Hintergrund stellt.
3. Im Umgang mit Yoga aus christlicher Sicht ist die Ebene des individuellen Gemeindegliedes von der der Kirchgemeinde zu unterscheiden.
a) Als Christ ist es natürlich möglich, ein gesundheitsorientiertes Yoga (2.) bis zu einem gewissen Grad ohne Konflikt mit dem eigenen Glauben mitzumachen und von den positiven Aspekten zu profitieren. Wer weiß, wo er zu Hause ist, kann auch andere Wohnungen besuchen, ohne dort gleich einziehen zu wollen, sich von Einrichtungsgegenständen inspirieren lassen und Details in die eigene Wohnung übernehmen, ohne deswegen in einem anderen Haus zu wohnen.
Aber es gibt immer diesen Bereich, wo auch das Gesundheitsyoga in die Religion übergeht. Die Grenze ist nicht scharf, sondern fließend und es hängt sehr von der Lehrperson ab, wo sie verläuft, ob sie von Anfang an sichtbar ist, oder erst in höheren Leveln erscheint. Aber sie ist immer da. Dessen sollte sich jeder Christ bewusst sein, der Yoga praktiziert und für sich persönlich entscheiden, wo diese Grenze verläuft und was von den Übungen und dem ggf. vorhandenen spirituellen Rahmenprogramm mit praktiziert wird und was bewusst weggelassen wird, weil es zu stark mit hinduistischen weltanschaulichen Konzepten verbunden ist.
b) Als Kirchgemeinde ist die Situation grundlegend anders. Die Kirchgemeinde hat eine Verantwortung dafür, was in ihren Räumen stattfindet. Menschen begegnen der Kirche mit einem großen Vertrauensvorschuss und erwarten, dass das, was in den Räumen stattfindet, kirchlich geprüft und mit der christlichen Lehre vereinbar ist. Im Unterschied zum Individuum kann die Gemeinde aber nicht selektiv vorgehen, sondern muss immer das Gesamtpaket betrachten.
Wenn einer Yogalehrerin bzw. einem Yogalehrer Gemeinderäume zur Verfügung gestellt wurden, gibt es nicht die Möglichkeit, des selbst verantworteten geräuschlosen Abgangs, wenn es zu hinduistisch-spirituell werden sollte, wie dies auf der individuellen Ebene problemlos möglich ist. Ob das der Fall ist, kann das Leitungsgremium auch gar nicht so einfach entscheiden, sofern nicht selbst an (allen!) Kursen teilgenommen wird. Von möglichen Grenzüberschreitungen erfährt man nur, wenn hinreichend mit der Gemeinde verbundene Personen an den Kursen teilnehmen.
Wenn die Genehmigung einmal erteilt wurde, ist sie nur mit Mühe und z.T. unter Konflikten mit Kollteralschäden zu widerrufen. Es wird in der Einschätzung des Übergangsbereiches zwischen Gymnastik und Religion immer verschiedene Positionen geben, wo genau die Grenze verläuft und ob diese und jene Praxis nun im Detail noch hinnehmbar ist, oder ob sie inzwischen das christliche Fundament verlassen hat. Das bedeutet: Wenn die Gemeindeleitung entscheiden sollte, dass nun der kritische Punkt überschritten ist und eine weitere Duldung in den kirchlichen Räumen nicht mehr mit dem kirchlichen Auftrag vereinbar sei, wird es immer Personen in der Gruppe geben, die das nicht einsehen, den Kurs/die Lehrperson so toll finden. Diese Menschen werden einen Riss in ihrem Verhältnis zur Kirche erhalten, die sie nun als zu dogmatisch verknöchert wahrnehmen, weil diese ihr Glaubensbekenntnis ernst nimmt.
Interreligöse Begegnung im Gemeindehaus ist durchaus möglich und erwünscht, aber bitte in Dialogform, wo eine sachbezogene Auseinandersetzung geschieht. Das Setting in einer Yogastunde ist aber anders. Da kann die Lehrperson (je nach individuellem Geschick) leicht von ihrer Rolle des Coaches in die Rolle des Priesters übergehen. Vor allem aber geht es primär um eigene praktische Verinnerlichung der gelehrten Prinzipien und nicht um eine kritisch reflexive, vergleichende Diskussion der weltanschaulichen Hintergründe.
4. Fazit
Eine selbstverantwortete Teilnahme an Yogakursen durch Christen ist grundsätzlich möglich, wenn und solange auch persönlich über die individuelle Grenzziehung reflektiert wird.
Eine Überlassung kirchlicher Räume für Yogakurse ist grundsätzlich problematisch, weil fast immer (zumindest in den höheren Stufen) Elemente hinduistisch-spiritueller Weltsicht vermittelt werden, die zum christlichen Glauben in Konflikt geraten.
Ausnahmen sind allenfalls dann möglich, wenn
- die Lehrperson in der Gemeinde sehr gut bekannt und verankert ist,
- sichergestellt wird, dass die Lehrperson sich selbst dieser Grenze zwischen Gesundheitsübung und Religion bewusst ist und sie beschreiben kann,
- die Lehrperson im Gemeinderaum nur die Gesundheitsübungen praktiziert und gewissermaßen ein „entkerntes“ Yoga betreibt, das nur die äußerlichen Gesundheitsübungen, nicht aber den begründenden hinduistisch-spirituellen Überbau vermittelt.
Das wäre dann aber genau genommen kein Yoga mehr, das diesen Namen verdient und was die Lehrperson in ihren Kursen gelernt hat. Ehrlicherweise sollte es dann auch besser nicht Yoga heißen, sondern z.B. „Gesundheitsübungen im Stil des Yoga“ um diese Unterscheidung deutlich zu machen. Solche Angebote gibt es tatsächlich, aber sie sind sehr selten. Auf schätzungsweise 95% des gegenwärtigen Angebotes trifft das jedenfalls nicht zu.
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