Rostiger Ritter mit Malteserkreuz

Beurteilungskriterien

Zur Klassifizierung moderner Ritterorden

Die Übersicht über die modernen Ritterorden enthält ein dreistufiges Bewertungssystem. Die Bewertung soll darüber Auskunft geben, in wieweit aus der Sicht der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens mit der entsprechenden Organisation Kooperationen empfohlen werden können oder ob diesbezüglich Vorsicht angebracht ist.

Pseudomalteser

Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Aus einem Pfarramtsbüro kommt die Information und kurze Rückfrage, dass der Malteserorden in der Kirche eine Investiturfeier vornehmen wolle. Seltsam nur, dass als Kontaktadresse des Ordens lediglich eine Handynummer fungieren soll. Ein genauerer Blick zeigt, dass der anfragende „Marchese“, der als „S.E. Don Thorsten Burzlaff Grand Prior Ordine Ordine del Tempio di Gerusalemme di Germania“ firmiert, AfD-Kandidat im Landkreis Teltow ist und unter gleicher Adresse wie der angebliche Malteserorden einen Hausmeisterservice in Berlin Köpenick betreibt. Der „Orden“ unterstützt mit Spenden einen im rechtsextremen Umfeld aktiven Dresdner Verein „Obdachlosenhilfe“, der sich aber eben nur um deutsche Obdachlose kümmern will. Sein „Großmeister“ steht u.a. in Beziehung zu dem Reichsbürger Adrian Ursache, der 2018 wegen versuchten Mordes verurteilt wurde. Auf Facebook gibt er sich als Kommissar vom „Gerichtshof der Menschen“ aus – ebenfalls eine Einrichtung aus dem Reichsbürgermilieu, die eigene Gerichtsbarkeit beansprucht. Im äußeren Erscheinungsbild legt es dieser Phantasieorden allerdings darauf an, mit dem echten Malteserorden verwechselt zu werden. Nein, solchen Organisationen möchte die Evangelische Kirche keine Kirchengebäude zur Verfügung stellen.

Kriterien

Eine solche Klassifizierung bietet den unverkennbaren Nutzen einer schnellen Orientierung. Zugleich steckt darin ein Problem: Sehr unterschiedliche und vielgestaltige Organisationen werden damit in ein vergleichsweise enges Raster gezwängt. Darum soll nachstehend darüber Rechenschaft gegeben werden, wie es zu diesen Bewertungen kommt.

  • Formalia: Ein erster Bereich der Prüfungen ist eher formaler Natur: Ist die Internetpräsentation des Ordens „seriös“ aufgebaut? Verfügt sie über ein rechtskonformes Impressum? Sind Namen der Verantwortlichen angegeben? Gibt es ordentliche Kontaktadressen und nicht lediglich E-Mail-Adressen?
     
  • Geschichte: Ein zweiter Punkt in der Beurteilung ist die Frage nach Ehrlichkeit und Transparenz in Bezug auf die Geschichte der eigenen Organisation. Da nur die wenigsten Orden eine tatsächliche historische Kontinuität zu den mittelalterlichen Gründungen aufweisen, die meisten aber gern eine solche hätten, ist das ein heikler Punkt. Hier geht es also darum: Wie stark ist die Legendenbildung in Bezug auf die eigene Organisation? Wird eine nicht bestehende historische Kontinuität dennoch suggeriert oder sogar exklusiv behauptet („Nur wir sind der echte XXX-Orden!“). Oder besteht lediglich eine ideelle Anknüpfung und es wird offen kommuniziert, dass kein historischer Nachfolgeanspruch vertreten wird?
     
  • Sozialarbeit: Das dritte Segment betrifft die Sozialarbeit. Nahezu alle modernen Ritterorden verweisen auf karitative Aktivitäten als ihren eigentlichen Daseinszweck. Wie glaubwürdig sind diese Ansprüche? Ist eine tatsächliche nennenswerte Sozialarbeit erkennbar? Ist sie nachhaltig? Welchen Umfang nimmt sie in der Ordensarbeit ein? Bei sehr vielen Orden hat sie eher einen Feigenblattcharakter. Irgendwie Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln behaupten sie (fast) alle. Aber es ist ein Unterschied, ob ein Orden Krankenhäuser und Rettungsdienste betreibt und tausende Angestellte im medizinischen Bereich hat, oder lediglich einen Bruchteil der Ausgaben eines festlichen Ordensbanketts für die (Möchtegern-)adeligen Mitglieder im Nobelrestaurant als Spendenscheck einem anderen freundschaftlich verbundenen Verein überreicht.
     
  • Ökumene: Die konfessionelle Beheimatung der Ordensgründungen ist unterschiedlich. Manche sind dezidiert römisch-katholisch und drei auch päpstlich anerkannt. Andere kommen eher aus dem protestantischen Bereich. Unabhängig von der Herkunft ist die ökumenische Offenheit verschieden ausgeprägt. Es gibt straff konfessionalistische Gruppen mit vorkonziliarer, anti-ökumenischer Grundhaltung. Andere sind zwar ihrem Wesen nach römisch-katholisch, erlauben aber auch evangelische Mitglieder – zumindest in bestimmten Ländern. Wieder andere sind bewusst als ökumenische Orden konzipiert, die einen Beitrag zum Miteinander der Konfessionen leisten wollen. Daneben gibt es auch diejenigen, denen Fragen der Konfession und Ökumene egal zu sein scheinen, die keinerlei Kirchenbeziehung aufweisen sich nur auf ein diffuses allgemeines Christentum berufen. Manche haben gar keinen engeren Bezug zum Christentum, sondern sind eher im Esoterikmilieu beheimatet.
     
  • Menschenrechte: Schließlich geht es noch darum, welche Stellung des Ordens zu den Menschenrechten erkennbar wird. Gibt es ein glaubwürdiges Bekenntnis zur Völkerverständigung, zu Demokratie und Menschenrechten? Stehen diese – soweit vorhanden – im Widerspruch oder in Übereinstimmung zum faktischen Handeln von Verantwortungsträgern im Orden? Oder gibt es Unterstützung für rechtsnationalistische Positionen? Wird Polemik gegen bestimmte Menschen- und Religionsgruppen betrieben (z. B. Islamfeindlichkeit)?
     

Die Einschätzungen wurden in der Regel auf der Basis der jeweiligen Selbstdarstellungen der Orden im Internet vorgenommen. Soweit bekannt und verfügbar wurden gelegentlich auch weitere Quellen hinzugezogen. Direkte Kontakte und Gespräche mit Ordensvertretern hat es nur in einzelnen Fällen gegeben. Ein umfassender Anspruch, allen Aspekten des Ordens gerecht zu werden, ist mit dieser Einschätzung folglich nicht verbunden. Wo aufgrund des vorliegenden Materials keine Empfehlung gegeben werden konnte, ist dies auch angegeben. Schließlich ist so ein Feld auch immer in Bewegung. Die dargestellten Einschätzungen stellen also eine Momentaufnahme dar, die der Veränderung unterliegen kann.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio Themenheft 05 ab Seite 22