Organische Christus-Generation

Bericht von einer Werbeveranstaltung im Sommer 2000 im Kulturpalast Dresden

In den letzten Wochen machte an verschiedenen Orten in Deutschland eine Organisation mit dem ungewöhnlichen Namen "Organische Christus-Generation" (OCG) auf sich aufmerksam. Eingeladen wurde zu einer Theateraufführung und zu einer als "Gemeindeschulung" bezeichneten Veranstaltung, bei der zwei "3-D-Life-Shows" zur Aufführung kamen: "Das Wesen der Liebe" und "Organisches Gemeindeleben".

OCG, Obadja und Ivo Sasek

Sich selbst stellt die OCG als eine "überkonfessionelle Bewegung zur Förderung des organischen Lebens und Zusammenwirkens aller Christen" dar. Betont wird, dass die OCG keinen Vereinsstatus habe und darum weder finanzielle Interessen noch Mitgliedergewinnung zum Ziel habe. Geistlicher Leiter und Gründer der OCG ist der Schweizer Ivo Sasek.

Ivo Sasek (*1956) begründete 1984 in Walzenhausen (CH) die freikirchliche Organisation "Obadja" zunächst als Rehabilitationsstation für Drogensüchtige. Durch das Hinzutreten weiterer Dienstzweige (Schriftendienst, Kassettendienst, Jüngerschule, Gemeindelehrdienst) zur Verbreitung seiner Theologie, die Aufnahme eigener Gottesdienste ("Versammlungen") und die Begründung von ca. 50 Hauskreisen in Deutschland, der Österreich und der Schweiz hat sich Obadja "zum de-facto-Gemeindeverband" entwickelt. (1)

Die Theologie Ivo Saseks ist radikal. Ihre Grundlage bildet eine völlige und rückhaltlose Hingabe des eigenen Lebens an Christus. Ziel allen Strebens soll es sein, nicht eigenen Wünschen, Vorstellungen oder Erwartungen zu folgen, sondern in allem nach Gottes Weg und Weisung zu suchen. Damit verbindet sich eine völlige Absage an die Welt: "Nur wer dieser Welt samt ihrer vielseitigen Lust gestorben ist, findet diesen Frieden (Gal. 6,14). Solange wir noch eigene Wünsche haben - und seien es auch biblisch fromme - so haben wir keinen bleibenden Anteil am Duft Christi."(2) Diese Grundeinstellung wird nicht immer direkt thematisiert, steht aber bei allen Beiträgen im Hintergrund.

3-D-live Show in Dresden

Obwohl sich die Veranstaltungen speziell an Christen richteten, fanden sie nicht in (frei-)kirchlichen Räumen statt. Offenbar ist es mit den zwischenkirchlichen Kontakten der Bewegung nicht zum Besten bestellt. Die Veranstaltung am 19. August 2000 im Studiotheater des Dresdener Kulturpalastes, von der im Folgenden berichtet werden soll, wurde von einem 14-köpfigen Vorbereitungsteam organisiert. Parallel dazu waren nach Aussagen der Veranstalter weitere Teams mit dem gleichen Programm unterwegs.

Nach einer einführenden Ansprache mit Gebet zeigten die Shows in verschiedenen als Standbilder nachgestellten Episoden beispielhaft christliche Verhaltensweisen auf. Interessant ist, dass auch übersteigerte Formen christlichen Eifers der Kritik unterzogen werden. So wurde z. B. in der ersten Szene des auf 1 Kor 13 basierenden ersten Teiles tätige Nachbarschaftshilfe für wichtiger als ein auf die persönliche Erbauung gerichtetes Zungengebet dargestellt. In Bezug auf die von Ivo Sasek gemäß der christlichen Haustafel aus Eph 5,21-24 gelehrte Unterordnung der Frau wurde gezeigt, dass die Vorordnung des Mannes nicht als Herrschaft, sondern Verantwortung zu verstehen sei. Problematischer gestaltete sich die Darstellung der körperlichen Züchtigung von Kindern als sachgemäße und biblisch gebotene Erziehungsmaßnahme. Die Beziehung zum Hohelied der Liebe war hier nicht erkennbar, wäre aber nötig gewesen.

organisches Gemeindeleben

Der zweite Teil zum Thema "organisches Gemeindeleben" entfaltete zunächst das Bild des Organismus als funktionales Zusammenwirken verschiedener Gaben auf einer theoretischen Ebene. Praktisch und mit schauspielerisch gestalteten Szenen illustriert wurde erst die Thematik der Sünden und Verfehlungen. Die saseksche Ablehnung der reformatorischen Auffassung von der bleibenden Sündhaftigkeit auch des gerechtfertigten Menschen wurde deutlich, als in einer Szene die Gnadenzusage eines Pfarrers im Gottesdienst allein mit dessen unlauterem Lebenswandel begründet wurde ("Bitte decke meine Sünden nicht auf, so wie ich die Sünden meiner Gemeinde nicht aufdecke.")(3) Auch wenn dies der notwendigen Vereinfachung einer solchen Präsentation zugerechnet werden könnte, bleibt ein perfektionistisches Streben nach individueller Heiligung deutlich erkennbar. Hinter den hohen ethischen und insbesonder moralischen Forderungen schimmert immer wieder unausgesprochen das Bild eines möglichst sündlosen Lebens hervor.

Problematisch erscheint auch die dargestellte antidemokratische Haltung der OCG. Zu einem Bild mit Trägern verschiedener Transparente ("Wählt mich", "Frauen auf die Kanzel" u. a.) lautet der Kommentar Ivo Saseks: "Wahrer Organismus trifft seine Entscheidungen nicht aufgrund von Stimmenmehrheit sondern von Stimmeneinheit, denn das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung. Dieser Geist der Weissagung gibt stets allen Kindern des Lichtes gemeinsames Zeugnis." (4)

Die starke Ausrichtung auf Ivo Sasek wurde von den Veranstaltern nicht von vornherein benannt, war aber in der Darstellung deutlich zu spüren. So fiel der Name Ivo Saseks erstmalig während der Veranstaltung nach einem Zitat aus dem Epheserbrief (!) "... ihr habt gehört, was Ivo gesagt hat..." und wenig später: "Hast du denn nicht kapiert, was Ivo Sasek heute gelehrt hat?" Der Verweis auf seinen Namen dient hier als Autoritätsbeweis und gerät (möglicherweise unbewußt) funktional auf eine Ebene mit der Bibel. Die am Schluss der Veranstaltung vorgebrachten Lebenszeugnisse zeigten den prägenden Einfluss Saseks auf die Organisatoren deutlich.

Die Angehörigen der OCG möchten mit ihren Veranstaltungen zu einem vertieften Christsein hinführen. Sie betonen, keine neue Denomination begründen zu wollen. Eine direkte Auseinandersetzung mit anderen Gestalten des Christentums fand bei dieser Veranstaltung nicht statt. Die Vielfalt des christlichen Glaubenszeugnisses kam statt dessen überhaupt nicht in den Blick, sondern erfuhr eine Einengung auf die speziellen Theorien Ivo Saseks. Dies ist in Verbindung mit dem gezeigten Missionseifer gegenüber Christen (!) bedenklich.

Harald Lamprecht
8/2000


Anmerkungen

(1) Georg Otto Schmid, Obadja, 1998 (http://www.ref.ch/zh/infoksr/obadja.html)
(2) Ivo Sasek, Die Königsherrschaft, Walzenhausen 1996, 120.
(3) Bild- und Textheft zur 3-D-Live-Show "Das Wesen der Liebe; Organisches Gemeindeleben", Walzenhausen o. J., 31
(4) Bild- und Textheft zur 3-D-Live-Show "Das Wesen der Liebe; Organisches Gemeindeleben", Walzenhausen o. J., 36

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