Was hilft gegen Islamismus?
Frage: Wie gefährlich ist der Islamismus? Tun Staat und Politik genug dagegen? Ahmad Mansour kritisierte, dass in manchen islamischen Ländern (Ägypten, VAE) islamistische Hassprediger inzwischen härter verfolgt werden als in Deutschland. Was meinen Sie dazu?
Antwort: Leider wird in der Tat nicht genug gegen Islamismus getan und oft genug das Falsche. Das hängt daran, dass nicht ausreichend bedacht wird, was Islamismus eigentlich ist und was gegen ihn hilft.
Ideologie
Islamismus ist eine neuzeitliche Ideologie. Sie benutzt die Religion des Islam für politische Ziele. Dabei wird ein Gegensatz konstruiert: Auf der einen Seite steht „der Westen“, auf der anderen Seite „der Islam“. Der Westen wird als verkommen und dekadent gezeichnet. Dem wird eine verklärte Sicht „des Islam“ als vollkommene Gesellschaft gegenübergestellt.
Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Zum einen gibt es weder „den“ Westen noch „den“ Islam. Beides sind sehr komplexe Gebilde. Sie stehen sich auch nicht gegenüber, sondern durchdringen sich gegenseitig: Natürlich gibt es Muslime im „Westen“ wie im Osten (oder Süden). Dazu kommt:
Die positiven Ideale und Errungenschaften liberaler „westlicher“ Kulturen (Orientierung an Menschenrechten, Demokratie, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung, Frieden und Sicherheit usw.) werden in dieser Darstellung ebenso ignoriert wie viele reale Probleme der muslimischen Welt. Vor allem aber richtet sich diese Sicht auch gegen Millionen andere Muslime, denen eine radikalere Interpretation der eigenen Religion aufgezwungen werden soll. Ein erheblicher Teil des islamistisch motivierten Terrors richtet sich daher gar nicht gegen Menschen im „Westen“, sondern gegen andere Muslime, die diese Sicht der Scharfmacher nicht teilen.
Unterscheidung
Wichtig ist darum zunächst die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus. Die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen Islamismus sind die Muslime selbst. Niemand kann diese Auseinandersetzung besser führen als die Muslime selbst – denn es ist natürlich ein Problem des Islam. Genauer gesagt: es ist ein Ringen um die angemessene Interpretation der islamischen Quellen und ihrer Tradition in Koran und Sunna. An vielen Stellen gibt es engagierte Menschen in dieser Richtung. An der Al-Azhar-Universität in Ägypten habe ich mit muslimischen Gelehrten gesprochen, die sich sehr um eine Eindämmung solcher fundamentalistischen und islamistischen Deutungen des Islam bemühen. Auch in Deutschland gibt es viele Muslime, die sich gegen Islamismus wenden. Ahmad Mansour ist z.B. auch einer von ihnen. Daneben gibt es viele weitere. Das beste Mittel im Kampf gegen Islamismus ist die Unterstützung derjenigen Muslime, die diesen Kampf im Inneren führen.
Integration
Daneben gehört zum Kampf gegen Islamismus eine starke Zivilgesellschaft. In ihr kann ein Umgang miteinander gelernt werden, der auf Respekt und Mitmenschlichkeit basiert. Demokratie, Gleichberechtigung und Teilhabe werden dann keine leeren Formeln, sondern gelebte Wirklichkeit, wo Menschen erfahren: Es geht mir damit gut. Mein Leben wird besser. Ich kann mich einbringen. Meine Anliegen werden gesehen. Ich bin respektiert. Ich kann in Freiheit leben. Das ist insbesondere für Menschen wichtig, die aus Kulturen kommen, in denen das alles keine Selbstverständlichkeit ist. Sie brauchen Integration. Überall wo sie gelingt, zeigt sie deutlich: Die islamistische Ideologie vom grundsätzlichen Kampf „Islam gegen Westen“ ist eine Lüge. Auch Muslime sind Menschen, die in Ruhe und Frieden und in guter Nachbarschaft zu ihren Mitmenschen nach demokratischen Werten leben wollen und können.
Recht
Die dritte Säule im Kampf gegen Islamismus ist ein handlungsfähiger Rechtsstaat. Verletzungen der Menschenwürde, Aufstachelung zum Hass gegen Mitmenschen dürfen nicht geduldet und hingenommen werden. Verbrecher müssen bestraft werden – ein jeder für seine Taten nach den für alle geltenden Gesetzen. Da darf es keine Ausnahmen geben. Sonderrechte für bestimmte Gruppen gibt es nicht – das ist auch durchzusetzen.
Soweit - so schön. Die Realität sieht leider oft anders aus. Das hängt vor allem an zwei Problemen:
a) Keine Unterscheidung
Wo diese Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus undeutlich ist oder ganz fehlt, drohen viele Maßnahmen gegen Islamismus in ihr Gegenteil umzuschlagen. Dann passiert nämlich Folgendes: Die Kritik oder bestimmte Gegenmaßnahmen werden nicht genau auf die Islamisten adressiert. Damit gehen sie gegen „den Islam“ allgemein. Folglich treffen sie auch viele Muslime, die gar keine Islamisten sind. Ihnen wird nicht geholfen, sich in die Gesellschaft zu integrieren und von Islamisten zu distanzieren. Stattdessen werden sie regelrecht in deren Arme getrieben. Es wird ihnen deutlich gemacht: „Wir mögen euch nicht. Egal wie du dich anstrengst – du hast hier keine Chance. Du hast die falsche Herkunft oder die falsche Religion oder beides.“ Solches Handeln widerspricht demokratischen Werten und zu oft auch den Menschenrechten. Das wäre für sich schon schlimm genug. Aber dazu kommt: Es bestätigt auch die islamistische Erzählung vom angeblichen grundsätzlichen Gegensatz zwischen „Islam“ und „westlicher Kultur“. Es gibt den Islamisten recht, wenn diese behaupten, „der Westen“ wolle „den Islam“ bekämpfen, und deshalb müssten sich die Muslime zusammenschließen gegen die anderen. Einen größeren Gefallen kann man den Islamisten kaum tun.
b) Keine Kritik
Der Fehler einer mangelnden Unterscheidung kann genauso auch den Wohlmeinenden unterlaufen. Die haben nichts gegen den Islam an sich. Deshalb wollen sie aber mitunter nicht sehen, welche Gefahren der Islamismus bringt. Sie lassen es zu, dass sich die Islamisten hinter weniger radikalen Muslimen verstecken und meinen, die Muslime insgesamt gegen jegliche Kritik in Schutz nehmen zu müssen. Die nötige Unterscheidung fehlt. Dies ist es, was Ahmad Mansur in der deutschen Politik und Gesellschaft als „Kuschelkurs“ kritisiert, der am Ende nur den Islamisten nützt.
Fazit
Wichtigster Punkt im Kampf gegen Islamismus ist die möglichst genaue Unterscheidung zwischen Islam als Religion und Islamismus als politischer Ideologie. In dieser Auseinandersetzung sind die Mehrheit der Muslime nicht Gegner, sondern Verbündete. Diese brauchen Unterstützung – auch darin, mit den Anknüpfungspunkten für Islamismus in ihrer eigenen Religion kritisch umgehen zu lernen. Integration in eine glaubwürdig an Menschenrechten orientierte Gesellschaft ist das beste Gegenmittel. Umgekehrt fördert kaum etwas den Islamismus so sehr, wie die pauschale Ausgrenzung von Muslimen
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