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Islamische Dachverbände sind keine Religionsgemeinschaften

Neues Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster

Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am 9. November 2017 entschieden, dass der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. sowie der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V. keine Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 GG sind. Damit haben sie keinen Anspruch auf die Bestimmung der Inhalte für den islamischen Religionsunterricht.

Das Verfahren hat eine längere Geschichte. Bereits im Jahr 2003 hatte das OVG Münster so entschieden (AZ 19 A 997/02). Im Jahr 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht weitere Kriterien für die Einordnung eines auf mehreren Ebenen organisierten Dachverbandes definiert und den Fall erneut dem OVG Münster zur Entscheidung übergeben. Bislang ist nur die Pressemitteilung zum Urteil veröffentlicht, die genaue Urteilsbegründung wird in Fachkreisen noch mit Spannung erwartet.

In der Pressemeldung zum Urteil heißt es, zur Einstufung als Religionsgemeinschaft gehöre unter anderem, „dass der Dachverband in seiner Satzung mit Sachautorität und -kompetenz für identitätsstiftende religiöse Aufgaben ausgestattet ist und die von ihm in Anspruch genommene religiöse Autorität in der gesamten Gemeinschaft bis hinunter zu den Moscheegemeinden reale Geltung hat. Diese Voraussetzung hat der Senat in Bezug auf beide klagenden Islamverbände verneint.“

Anerkennung?

In Bezug auf die staatliche „Anerkennung“ von Religionsgemeinschaften in Deutschland gibt es in Diskussionen oft Verwechselungen, denn eigentlich ist dies im deutschen Recht gar nicht vorgesehen. Die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit gemäß Art. 4 GG steht grundsätzlich allen Bürgerinnen und Bürgern offen und benötigt keine Form der staatlichen Anerkennung.

Die übliche Organisationsform ist der Verein. Sofern bestimmte Transparenzkriterien erfüllt werden, kann der Verein Gemeinnützigkeit und damit Steuerbefreiung erlangen. Eine zweite Stufe stellt die Körperschaft des öffentlichen Rechts dar, die eine größere Zahl an Mitgliedern und stabile Organisation voraussetzt. Eine staatliche „Anerkennung als Religion“ ist weder mit dem Vereinsstatus, noch mit den Körperschaftsrechten verkoppelt, wie u.a. die Verleihung der Körperschaftsrechte an den Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg zeigt. Das ist ein Unterschied etwa zu Österreich, wo es ein geregeltes Verfahren staatlicher Anerkennung von Bekenntnisgemeinschaften und Religionsgemeinschaften gibt.

Im aktuellen Urteil geht es nicht um die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, sondern allein um die Frage, in wieweit die klagenden Dachverbände als Gegenüber und Partner des Staates gemäß Art. 7 Abs. 3 GG auftreten können.

Viel Politik, wenig Religion

Das Land NRW hatte die Verbände als Kooperationspartner abgelehnt, weil diese überwiegend kulturelle, soziale und politische Zielsetzungen verfolgten…“. Das mag auf den ersten Blick verwundern, weil es zweifellos Organisationen sind, die sich an Muslime richten und auch den Bezug auf den Islam im Namen tragen. Wer allerdings konkret mit Vertretern der Verbände zu tun hatte, kann das leichter nachvollziehen. In den meisten Fällen sind das nämlich keine (islamischen) Theologen – also Religionsexperten – sondern Politikwissenschaftler. So hat z.B. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, Volkswirtschaft und Politikwissenschaft sowie Arabistik studiert, aber er ist kein islamischer Religionsgelehrter. Sein Vorgänger war Physiker, die Generalsekretärin ist Juristin. Auch der langjährige Vorsitzende des Islamrates Ali Kızılkaya ist kein Theologe, sondern Politikwissenschaftler. Das Gleiche gilt für seinen Nachfolger und früheren Generalsekretär Burhan Kesici. Schon rein personell wird daraus deutlich: Die Verbände liefern einen äußeren Rahmen. Die religiöse Füllung kommt von anderswoher. Das ist das Problem.

Bereits im Herbst 2015 hatten die beiden Politiker Volker Beck und Cem Özdemir ein programmatisches Papier vorgelegt, das darauf hinwies, dass die vier großen Verbände (DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und Verband der islamischen Kulturzentren) „in ihrer Zusammensetzung national, politisch oder sprachlich aber nicht bekenntnisförmig“ geprägt sind und daher nicht als Religionsgemeinschaften im Sinn von Artikel 7 (3) GG anzusehen seien. Sie betonen, dass das deutsche Religionsverfassungsrecht offen für die Anerkennung von Religionsgemeinschaften ist, die nicht zur jüdischen oder christlichen Religion gehören, wie z.B. Körperschaftsrechte für die Bahá’í-Gemeinde in Deutschland und die Ahmadiyya Muslim Jama‘at belegen. Aber die Mindestforderungen einer auf Mitgliedschaft beruhenden bekenntnisförmigen Organisation solle auch gegenüber Muslimen gelten, um damit echte Religionsfreiheit zu ermöglichen. Ansonsten dominierten die Verbände mit starken Verflechtungen ins Ausland.

Zwischenlösung: Beiratsmodell

In Nordrhein-Westfalen wurde 2012 ein provisorischer islamischer Religionsunterricht eingeführt, bei dem ein Beirat die vom Grundgesetz vorgesehene Rolle der Religionsgemeinschaft einnimmt und die Inhalte des Unterrichts festlegt. Da nach dem aktuellen Urteil die Verbände diese Rolle nicht übernehmen, kann das Beiratsmodell fortgeführt werden.

 

Urteil
Entscheidungsdatum
Leitsatz
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. sowie der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V. sind keine Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 GG.
Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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