Essen für Krishna

Evangelischer Bund Sachsen zu Besuch im Leipziger Tempel der Hare-Krishna-Bewegung

Indien in Leipzig? Um diese Frage hatte es im Jahr 2009 Streit gegeben, als das „Zentrum für vedische Kultur e.V.“ im Rathaus einen „Indischen Abend“ organisiert hatte. „Stadt holt Sekte ins Rathaus“ titelte daraufhin die Leipziger Volkszeitung, denn besagter Verein gehört zu ISKCON, der „Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein“. Was hat es auf sich mit dieser Organisation und ihrer Leipziger Gruppe?

Jugendsekte

Die ISKCON hatte nach ihrer Gründung 1966 in New York zunächst in den USA, dann auch in Europa zahlreiche Anhänger gewonnen und dabei nicht wenige Konflikte heraufbeschworen. Die Ratgeberliteratur der 1970er und 80er Jahre klassifizierte diese Gruppe als „Jugendsekte“. Es gab Berichte von rigorosen Kontaktabbrüchen Jugendlicher zu ihrem Elternhaus, von jungen Menschen, die Studium oder Berufsausbildung abbrachen, um fortan im Tempel zu wohnen, Mantras zu chanten und bettelnd ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Als der Gründer Bhaktivedanta Swami Prabhupada 1977 starb, übernahm eine Gruppe von 11 Sukzessor-Gurus die Führung, von denen manche auch in Waffenhandel und Drogengeschäfte verwickelt waren. Als dies bekannt wurde, verloren sie ihre Ämter.

Reformbemühungen

1994 fand ein viel beachteter Kongress in Wiesbaden statt, auf dem die ISKCON erstaunlich schonungslos mit ihrer Vergangenheit aufräumte. Kindesmisshandlungen in Gurukula-Schulen in Indien wurden veröffentlicht und versucht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Von Beobachtern wurde festgestellt, dass ein solch selbstkritischer Umgang mit eigenen Fehlentwicklungen untypisch für „Sekten“ ist. Seitdem ist es um diese Organisation bedeutend ruhiger geworden.

Sächsische Geschichte

In Sachsen entstand kurz nach der politischen Wende eine Wohngemeinschaft mit Krishna-Tempel in Leipzig. Nach einigen Jahren verstreute sich diese Gruppe wieder. Auch die von dem Krishna-Geweihten Markus Schmieke geleitete „Veden Akademie“ im Elbsandsteingebirge (Schöna) hatte in Sachsen keinen dauerhaften Bestand und zog 2007 nach Berlin um. Unter dem Namen „Bhakti-Yoga-Zentrum“ sammelten sich in Dresden einige Anhänger des ebenfalls in der Traditionslinie von Prabhupada stehenden Gurus Bhaktivedanta Narayana Maharaja. Diese gehören obwohl inhaltlich nahezu identisch allerdings nicht zur ISKCON, sondern stehen in Konkurrenz dazu. Seit fünf Jahren gibt es wieder eine neue aktive Gruppe von ISKCON-Mitgliedern in Leipzig. Diese ist deutlich aktiver als alle bisherigen sächsischen Gruppen und oft in der Leipziger Fußgängerzone aktiv: singend, tanzend, Bücher verkaufend. Deren Aktivitäten führten zur Bildung neuer Gruppen in Chemnitz, Dresden, Jena u.a., die mit dem Leipziger Zentrum in Verbindung stehen und zu gemeinsamen Festen zusammenkommen.

Wie steht das neue Leipziger Zentrum in der Tradition der ISKCON? Sind die alten Beschreibungen aus den 70er und 80er Jahren in Bezug auf diese Gruppe sachlich zutreffend? Welche Folgen hatten die Reformbemühungen der 90er Jahre erbracht? Um sich davon ein Bild zu machen, besuchte die Arbeitsgemeinschaft Religiöse Gemeinschaften des Evangelischen Bundes Sachsen den Leipziger Tempel in der Stöckelstraße.

Besuch im Leipziger Tempel

Unser Hauptgesprächspartner war der Leiter des Zentrums, Sadbhuja Dasa (bzw. mit bürgerlichem Namen Sten Börning-Schmidt). Er selbst stammte aus einer atheistischen Familie und hatte zunächst Sozial- und Erziehungswissenschaften studiert, begab sich dann aber ohne Abschluss auf eine Weltreise zur spirituellen Sinnsuche. Längere Zeit lebte er in China, Thailand und Südeuropa. Dabei fand er fernöstliche Spiritualität und insbesondere den Daoismus sehr anziehend. Er hat viel meditiert, Yoga und Qi-Gong praktiziert, bis er intensiver in vedischen Schriften gelesen hatte und im Jahr 2000 zur Krishna-Bewegung gestoßen ist.

Nachdem er auf einem Bauernhof im bayerischen Wald initiiert wurde und dort 2-3 Jahre mit anderen Krishnaanhängern gewohnt hatte, eröffnete er mit vier weiteren in Berlin einen Tempel. Später ging er mit drei weiteren nach Leipzig und gründete dort den Tempel. Inzwischen gehören 10 Mönche zur Wohngemeinschaft.

Mönchischer Tagesablauf

Der typische Tagesablauf beginnt bereits um 4:00 Uhr früh. Zum Morgenprogramm gehören Singen, Puja (hinduistischer Gottesdienst) und die Verehrung der Gottheiten auf dem Hausaltar. Daran schließt sich individuelle Mantra-Meditation an, die z.B. auch bei einem Spaziergang erfolgen kann. Als Mantra kann dabei jeder Vers aus den heiligen Schriften dienen und viele von ihnen werden gesungen („gechantet“). Bei öffentlichen Anlässen wird allerdings das so genannte Maha-Mantra bevorzugt, welches üblicherweise in 16 „Runden“ insgesamt 1728 mal am Tag gechantet wird: „Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare, Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare.“ Insgesamt ergibt sich daraus etwa anderthalb Stunden Mantrasingen am Tag, welches für das entsprechende spirituelle Level sorgen soll.

7:15 Uhr folgt die zweite Verehrung der Gottheiten am Altar, danach stehen etwa eine bis anderthalb Stunden Übersetzung, Erläuterung und Diskussion von Texten aus der Bhagavadgita auf dem Programm. Mit dem Frühstück gegen 9:00 Uhr enden die gemeinsamen Aktivitäten. Danach gestaltet jeder seinen Tag entsprechend seiner Anliegen und Aufgaben (Saubermachen, Kochen, Festvorbereitung, Buchverkauf etc.). Wenn es sich ergibt, trifft man sich 18:00 Uhr zum Abendgesang wieder, hört einen Vortrag aus der Bhagavadgita und geht relativ früh schlafen.

Zum Altardienst gehört – wie im Hinduismus üblich – die Versorgung der Götterfiguren, als ob es der Dienst an einem König wäre, der von seinen Dienern versorgt wird. Von allen Mahlzeiten, die im Tempel gekocht werden, wird ein Teil den Figuren vorgesetzt. Dadurch gilt die gesamte Speise als geheiligt. Dazu gehört z.B. auch, dass zu manchen Zeiten die Vorhänge vor dem Altar zugezogen werden, damit die Götter in Ruhe speisen können.

Leben im Tempel…

Finanziert wird das Tempelleben vorwiegend durch den Verkauf von Büchern und Essen, sowie Spenden, wobei die jungen Anfänger aber kaum Beiträge zu leisten haben. Durch den Verzicht auf weltliche Vergnügungen sind die Lebenskosten vergleichsweise niedrig. Beim Eintritt in den Tempel verpflichten sich die Mitglieder auf vier Prinzipien: Mitgefühl (das schließt eine vegetarische Ernährung ein), Reinheit (natürliches Sexualleben ohne Verhütung), Entsagung (keine Drogen), Wahrhaftigkeit (kein Glücksspiel). Wer mit diesen Regeln nicht klar komme, würde von selbst bald wieder ausziehen.

Eltern sind in den meisten Fällen nicht besonders glücklich, wenn ihre Kinder beschließen, einem weltlichen Leben zu entsagen und in ein Kloster zu gehen. Das gilt auch für ein geweihtes Leben im ISKCON-Tempel. Der Über-Enthusiasmus junger Mitglieder verschärft diese Konflikte gelegentlich noch weiter. Um dort gegenzusteuern werden Elternabende im Tempel organisiert und Wert auf Kontakte und Besuche gelegt. Wenn die Eltern dann sehen, dass ihre Kinder eine gesunde Lebensweise führen und in ihrem Charakter reifen, würde sich die Beurteilung verbessern, betonte Sadbhuja Dasa. Das Tempelleben sei wie eine Ausbildung und in vielen Fällen von begrenzter Dauer. Während in Indien 5-16 Jahre im Tempel üblich seien, wäre die durchschnittlicher „Lehrdauer“ im Leipziger Tempel drei Jahre. Viele hätten sich nach dem Verlassen des Tempels selbständig gemacht, z.B. mit vegetarischem Catering, andere seien in ihre erlernten Berufe zurückgekehrt.

… und außerhalb

In der Lebenspraxis der Anhänger außerhalb des Tempels gibt es eine große Bandbreite. Manche kommen regelmäßig zur Altarverehrung in den Tempel, andere kommen vor allem zu den Festen. Bei den etwa zweimal pro Woche bis einmal pro Monat stattfindenden Umzügen durch die Innenstadt ziehen die Mönche in ihrer orangefarbigen Ordenskleidung begleitet von bis zu 70 Sympathisanten singend und tanzend durch die Straßen. Die Reaktionen der Bürger darauf sind unterschiedlich - manche interessiert, andere ablehnend. Von besonderer Bedeutung sind die zwei großen Feste zu Krishnas Geburtstag und das Wagenfest, bei dem im August bei einer großen Prozession ein bunt geschmückter Wagen mit viel Musik und Tanz durch die Straßen gezogen wird. Inzwischen führen die meisten Krishna-Devotees ihr Leben außerhalb des Tempels. Der äußere Kreis, auch „Freunde Krishnas“ genannt, beläuft sich auf ca. 800 Personen, die z.B. aller zwei Wochen einen Newsletter erhalten.

ISKCON = Indien?

Sadbhuja Dasa legte großen Wert darauf, dass ISKCON von den Indern voll als hinduistische Richtung anerkannt sei – wie auch in Indien. Weltweit seien die ISKCON-Tempel auch Anlaufstelle für Inder. Der Londoner ISKCON-Tempel zähle bei 55 000 Gästen mit zu den besucherreichsten Hindu-Tempeln außerhalb Indiens. Zum dem großen Tamilen-Tempel in Hamm bestehen allerdings keine Kontakte, weil er im anderen Teil Deutschlands liege. Auch ein Internetverzeichnis von Hindu-Tempeln führt die ISKCON-Tempel mit auf.
Gespräche mit Dresdner Hindus relativierten etwas dieses Bild. Ein aus Vrindaban stammender Brahmane berichtete, dass in der Tat die ISKCON-Tempel in Indien groß und bekannt seien. Allerdings seien sie ihm in Indien durch Dogmatismus negativ auffallen, mit dem sie ihre Interpretation der Bhagavadgita als einzig angemessene herausstellen. Von daher ergibt sich ein mehrschichtiges Bild: Zwar gehört ISKCON mit zum Bild des modernen Indien, aber sie stellen auch dort eine sehr spezielle Richtung dar.       (http://www.shaivam.org/siddhanta/toi_germany.htm)

Gewicht auf das Spirituelle

Politische Einflussnahme gehört nicht zum Programm der Krishna-Bewegung. Zwar betreibt man keine Politikfeindschaft und hat auch schon an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilgenommen, aber vom Grundansatz her wird zur Lösung gesellschaftlicher Probleme eher der Rückzug ins Spirituelle propagiert. Die Zuflucht zu Gott wird als Ansatz verstanden, der an den Ursachen statt an den Symptomen arbeitet. So fühle er sich auch nicht als Deutscher, sondern lediglich als jemand, dessen Körper in Deutschland geboren wurde.

Europäische Kasten?

In der Vergangenheit war ISKCON u.a. durch eine Schrift eines früheren Leiters Harikesa Swami in die öffentliche Kritik geraten, der darin das Kastenwesen verteidigte und als auch für Europa einzuführende Gesellschaftsordnung forderte. Davon distanzierte sich unser Gesprächspartner und stellte die in der ISKCON vertretene Deutung des Kastensystems vor. Unterschieden wurde zwischen den klassischen Kasten, in die man hineingeboren werde, und dem System von „varnashramadharma“, welches als von Gott gegebene Gesellschaftsstruktur mit verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und daraus folgender wechselnder Verantwortlichkeit vorgestellt wurde. In welche dieser „Kasten“ man gehöre, sei demnach nicht durch Geburt festgelegt, sondern dies werde durch die eigenen Interessen und Neigungen sowie durch die daraus folgenden Entscheidungen und Taten bestimmt. Eine solche Interpretation unterscheidet sich zwar deutlich von dem verbreiteten indischen Konzept, ist aber weniger anstößig.

Eine neue Generation

Überhaupt wurden an verschiedenen Stellen Veränderungen und Entwicklungen deutlich, die zeigen, dass die Leipziger Gruppe der ISKCON nicht ohne weiteres mit der gesamten Geschichte der Organisation verhaftet werden kann. Schon rein altersmäßig waren viele von den jetzt aktiven Anhängern noch gar nicht auf der Welt, als die Sektenhandbücher mit Erfahrungen über die Hare-Krishna-Bewegung gefüllt wurden. Sadbhuja Dasa meinte, dass die Organisation jetzt gereifter sei als in den wilden Anfangsjahren. Vieles sei dezentraler organisiert und nicht mehr so autoritär. So sei in früheren Zeiten die Gruppe stärker durch die Mönche und deren Herangehensweise geprägt gewesen. Heute hingegen wären sie mehr am Aufbau einer Gemeinde interessiert, zu der auch viele gehören, die ein ganz normales Leben außerhalb des Tempels führen. Das führe dazu, mehr Dinge als früher mit dem gesunden Menschenverstand zu beurteilen. Unter dem Hinweis, dass Materie nur Illusion sei, wurde früher zu wenig Rücksicht auf materielle und körperliche Bedürfnisse der Mitglieder genommen, stellt Sadbhuja Dasa im Rückblick fest. Auch das Verständnis der spirituellen Meister hätte sich geändert: Sie gelten heute nicht mehr als unfehlbar und direkt aus der göttlichen Welt herabgestiegen, sondern als irrtumsfähige Menschen, die lediglich auf dem spirituellen Weg bereits einen Schritt weiter sind und darum andere führen können.

Vedisches „Wissen“

Gefragt nach dem Missionsverständnis wurde erläutert, dass man nach „vedischem Verständnis“ niemanden bekehren wolle, weil ja alle bereits Kinder Gottes seien. Allerdings steht diese Aussage in deutlichem Kontrast zu der unübersehbar missionarischen Intention der Einladungen und öffentlichen Veranstaltungen. So wird dann auch zugestanden, dass es deren Ziel sei, das „Wissen“ und die spirituellen Praktiken im Westen bekannt zu machen „um das Leiden der Menschheit zu minimieren“.

Was ist dieses „Wissen“? Es bleibt das Charakteristikum der Hare-Krishna-Bewegung, eine spezifische, von westlichen Formen geprägte Version hinduistischen Denkens zu präsentieren. Dies wird unter anderem daran deutlich, wie über die Veden gesprochen wird. Die Jahrtausende währende Überlieferung des literarisch sehr unterschiedlichen Materials wird in dem Begriff „Vedisches Wissen“ zusammengefasst, als sei es wie eine Bedienungsanleitung des Universums zwischen zwei Buchdeckeln kodifiziert. Wahrscheinlich wäre eine Charakterisierung der Krishna-Bewegung als „Hindu-Evangelikale“ nicht wirklich passend. Spürbare Ähnlichkeiten bestehen aber sowohl im Hinblick auf die Betonung der persönlichen inneren Gottesbeziehung als auch im Blick auf den Umgang mit der eigenen religiösen Tradition und ihren schriftlichen Quellen. Die Tendenz zur inneren Harmonisierung der Überlieferung in Verbindung mit einer normierten Auslegung zu einer Welt- und Lebensauffassung mit universellem Anspruch ist jedenfalls deutlich.

Der Meister und die Schüler

Entscheidender und nach wie vor prägender Gewährsmann ist der Gründer Bhaktivedanta Swami Prabhupada. Auf Kritik an ihm reagiert Sadbhuja Dasa sehr sensibel. Man spürt: Dies rührt an sehr persönliche Grundlagen des Glaubenslebens. Der Meister ist – auch fast 40 Jahre nach seinem Tod – von enormer Bedeutung. Immer wieder im Gespräch wird das besonders tiefe Verständnis gelobt, das Prabhupad von den Dingen gehabt hätte und worin ihm die nachfolgenden Gurus (und insbesondere Harikesha Swami) nicht folgen konnten. Auch von allen anderen indischen Gurus wird er deutlich abgesetzt. Osho und alle anderen seien selbsternannte Gurus, die ihre Schüler das lehren, was diese hören wollen und sich selbst in den Mittelpunkt stellen würden. Prabhupad hingegen stehe in einer Schüler-Nachfolge und bestehe die schwere Prüfung anhand der Schriften und der indischen Heiligentradition. Sein Verdienst sei es, das Wissen der gesamten Schülernachfolge auf einfache und verständliche Weise für Hörer im Westen präsentiert zu haben. Im Lob des Meisters fällt ein gewichtiger Satz: Der wirkliche spirituelle Meister kreiert nicht Nachfolger, sondern neue Meister.

Das klingt gut. Aber was sagt das über die ISKCON und ihre unübersehbare Verehrung von Swami Prabhupada? Haben sie eigene Meisterschaft erreicht, indem sie sich von ihrem geschätzten Lehrer emanzipieren können? Oder zwingen sie ihn mit ihrer hingebungsvollen Verehrung ungewollt in die Rolle des falschen Meisters, der doch nur Anhänger produziert? Das Dilemma kennen auch andere Gruppen, die ihren Gründer auf einen zu hohen Sockel gehoben haben.

Fazit

Die Leipziger Gruppe der ISKCON bleibt eine Konfrontation mit einer anderen Welt: Europäisches und ein spezifisches traditionelles indisches Wertgefüge, entsprechende Lebensweisen und Glaubensvorstellungen prallen aufeinander. Es wäre illusionär zu glauben, dass so etwas völlig ohne Konflikte bleiben kann. Allerdings sind die besonderen Verschärfungen der Problemlage, die in den vergangenen Jahrzehnten die Auseinandersetzung mit der Hare-Krishna-Bewegung bestimmt haben, nicht mehr für die Leipziger Gruppe zutreffend. Das Bemühen um Verständigung und gute Kontakte zum Umfeld verdient Respekt. Somit kann die Bewegung als ein besonderes Stück Indien mitten in Sachsen und damit als Ausdruck religiöser Vielfalt in einer globalisierten Welt wahrgenommen werden. Aus christlicher Sicht bleibt die Frage, warum das spirituelle Suchen dieser Menschen erst im Rückgriff auf indische Religiosität Erfüllung fand. Somit kann das neue Wachstum der ISKCON in Sachsen auch als selbstkritische Anfrage an die christlichen Gemeinden und als Anzeige eines starken Bedarfes nach einladender spiritueller Gemeinschaft gelesen werden.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/257

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2010 ab Seite 08