Kirche ohne Kirche

Zu Besuch in der neuen Berliner Scientology-Zentrale

Am 13. Januar 2007 wurde die neue Hauptstadtrepräsentanz der umstrittenen Scientology-Organisation in Berlin-Charlottenburg eröffnet. Ab Mittag drängten sich mehrere tausend Mitglieder und Sympathisanten in den sechs Stockwerken des neuen Gebäudes unweit der Technischen Universität. Die Gäste waren aus ganz Deutschland, der Schweiz, den USA, Israel und zahlreichen osteuropäischen Ländern angereist.

Die Eröffnung war bestens organisiert; zahlreiche Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen zeigten sichtbare Präsenz. Mediengerecht wurden Fahnen aus Israel geschwenkt - selbst „spontane“ Friedenslieder aus Israel wirkten gut einstudiert.

Zur Eröffnung begrüßte Sabine Weber, Präsidentin der „Scientology-Kirche Berlin“, einige Ehrengäste. Auf längere Ansprachen verzichtete man an dieser Stelle jedoch, schnell wurde das Haus für die wartenden Gäste geöffnet. Hunderte drängten hinein. Wie man hört, wurde Journalisten der Zutritt verwehrt, die im Vorfeld kritisch berichtet hatten. Aber alle Gesichter konnte man sich dann doch nicht merken und so gelang es mir, zu den ersten Besuchern zu gehören. Das Erdgeschoss ist als audio-visuelles Öffentlichkeits- und Informationszentrum großzügig gestaltet. Die Seminar- und Büroräume in den oberen Stockwerken präsentieren sich in kühler Sachlichkeit. An den Wänden hängen Tafeln, auf denen Sinnsprüche des Gründers der Scientology, L. Ron Hubbard, zu lesen sind. Immer wieder findet man Flachbildschirme, auf denen Werbe- und Studienfilme der Organisation laufen.

Die Ästhetik und das Interieur sind gediegen und lassen vermuten, dass Scientology sich dieses Haus sehr viel Geld hat kosten lassen - auch der laufende Unterhalt dürfte beachtlich sein.

Auffällig war, dass zu den ersten Besuchern fast ausschließlich Scientologen zählten. Als ich mich bei flüchtigen Gesprächen als Fremder zu erkennen gab, war das Erstaunen häufig groß. Mitunter konnte man sich wie in den USA fühlen - auf den Gängen wurde vielfach Englisch gesprochen. So verstärkte sich der Eindruck, dass die Organisation zwar ein Berliner Zentrum eröffnet, aber noch lange nicht in Berlin bzw. Deutschland angekommen ist.

Eine kleine, fast zufällige Beobachtung führte mir die ganze Problematik der Scientology erneut vor Augen: Die Kapelle, das religiöse Zentrum der „Kirche“ mit etwa 60 Plätzen, war während der Eröffnungsfeierlichkeiten geschlossen. Trotz wiederholter Nachfragen blieb dieser seltsame Zustand erhalten. Daran schien niemand Anstoß zu nehmen. Und so war das meine erste Kircheneröffnung, bei der die Kirche geschlossen blieb.

Der Prachtbau kann nicht darüber täuschen, dass hinter der Scientology-Organisation eine gefährliche Ideologie steht. Die Logik ist simpel: „Da Scientology die totale Freiheit bringt, hat sie auch das Recht, die totale Unterordnung zu fordern“. Jeder, der sich der Scientology-Organisation in den Weg stellt oder sie kritisiert, gilt als Feind und Verbrecher. „Wir fanden“, so heißt es in einem Text von Scientology, „niemals Kritiker der Scientology ohne kriminelle Vergangenheit.“ Deshalb sei auch hier vor den Aktivitäten der Scientology, vor einem kostenlosen Persönlichkeitstest und vor weiteren Angeboten dringend gewarnt.

Dr. Andreas Fincke

ist Leiter der Stadtakademie und Studentenpfarrer in Erfurt. Zuvor war er u.a. Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. 

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 1/2007 ab Seite 03