Scientology-Vorwürfe gegen Brockmann & Knoedler und die Progredi AG

Hintergrundinformationen zu den Gründen

Informationen zu den Ursachen der Vorwürfe

Was ist passiert?

Das Dresdner Friseurunternehmen Brockmann und Knoedler ist seit vielen Jahren eng mit der Progredi AG unter Leitung von Hans Peter Huber verflochten und nutzt dessen Kommunikationstrainings und sonstigen Angebote im Rahmen der Frieseurausbildung gemäß der eigenen Unternehmensphilosophie „Organic Lifestye“ und für die hauseigenen Kurse der „Brockmann & Knoedler Business Academy“. 

In den letzten Jahren sind mehrfach Menschen aufgetreten (ehemalige Mitarbeiter, Kunden, Angehörige von Mitarbeitern), die sektenhafte Strukturen und Methoden in dem Unternehmen beobachtet haben. Auch der Vorwurf von Analogien zur Scientology-Organisation begleitet Brockmann und Knoedler bzw. die Progredi AG seit längerem. 

Der MDR hat am 29. 1. 2014 eine Reportage über Missstände im Bereich von beruflichen Fortbildungsangeboten gesendet. 
(http://www.mdr.de/exakt/die-story/weiterbildungsindustrie104.html )
Darin kamen zwei Friseurunternehmerinnen zu Wort, die über Methoden bei Brockmann und Knoedler/Progredi AG berichten, die starke Strukturparallelen zu Kursen der Scientology-Organisation aufweisen. Für diese Kurse wurden Seminargebühren im fünfstelligen Eurobereich bezahlt. 

Die Bild-Zeitung in Dresden ergänzte in den folgenden Tagen diesen Beitrag mit einem weiteren Betroffenenbericht. Weitere Medien griffen das Thema auf und berichteten.
http://www.mdr.de/exakt/video176108.html 
http://www.dresden-fernsehen.de/Aktuelles/Artikel/1345110/Sektenexperten-pruefen-Scientology-Vorwuerfe-gegen-Brockmann-und-Knoedler/ 
http://www.dnn-online.de


Am 3. Februar verkündeten Brockmann und Knoedler in einer Pressekonferenz in Reaktion auf die Vorwürfe die Trennung von der Progredi AG und Hans Peter Huber. Von dem Scientology-Verdacht versuchten sich die Beteiligten durch notarielle Erklärungen zu distanzieren.

Am 10. Februar hat sich Herr Hans Peter Huber über seine Mitarbeiterin Eva-Maria Kuss (eva-m-kuss@gmx.de) per eMail an eine bislang unbekannte Anzahl von christlichen und buddhistischen religiösen Organisationen gewendet, um Unterstüzung gegen seine angebliche „Verleumdung“ und eine Bescheinigung der Unbedenklichkeit seiner Methoden zu erhalten. Diese Aktion ist Anlass für diese Stellungnahme.

Was ist von den notariellen Distanzierungen zu halten?

Das Ehepaar Petra Brockmann und Thomas Brockmann-Knoedler haben erklärt, sie hätten am 3. Februar 2014 notarielle Erklärungen mit folgendem Inhalt abgegeben: 
„Keiner von uns gehört der Scientology-Kirche an oder steht mit der Scientology-Kirche in einer geschäftlichen Verbindung.“
Ferner wurde mitgeteilt, Herr Hans Peter Huber hätte eine analoge Erklärung abgegeben.

1) Die organisatorische Struktur der Scientology-Organisation ist sehr vielfältig. Mitglied der Scientology Kirche e.V. im juristischen Sinn sind nur sehr wenige Personen. Über eine sonstige Beziehung in Gegenwart oder Vergangenheit und – das ist noch entscheidender – über die Verwendung von entsprechenden Methoden sagt eine Nicht-Mitgliedschaft in der „Scientology-Kirche“ gar nichts aus. 

 

2) Eine Mitgliedschaft oder unmittelbare geschäftliche Verbindung wurde auch nicht behauptet – wohl aber die Verwendung ähnlicher Methoden.
Es wäre mir problemlos möglich, vor einem Notar zu erklären, dass ich nicht Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche bin. Wenn jemand daraus schlussfolgern würde, ich sei kein Christ mehr, befände er sich im Irrtum, denn ich bin selbstverständlich weiterhin Mitglied der Evangelischen Kirche. 
Was sagt dieses Beispiel? Die Distanzierung von einer Verbindung, die niemand behauptet hat und die nicht besteht, fällt leicht. Das schließt aber überhaupt nicht aus, dass eine andere ähnliche Beziehung weiterhin bestehen kann und noch weniger, dass entsprechend gehandelt wird.

 

Was sagt die „Bestätigung“ der Progredi AG über deren Methoden?

Bei der Pressekonferenz von Brockmann und Knoedler am 3. Februar wurde ein Schriftstück mit folgendem Inhalt präsentiert, das alle Seminarteilnehmer der Progredi AG schon seit längerer Zeit zu unterschreiben hätten:

Bestätigung

Ich bestätige, dass ich keine Übung gemacht habe, die ich nicht verstanden habe und der ich nicht zugestimmt habe.

Ich habe die Quellen/Zitate und Beispiele für das Resonanzgesetz verstanden.

Ich habe persönlich festgestellt, dass in der Ausbildungsmethode der Business Academy keine manipulativen Ansätze enthalten sind.

Ich wurde von der Progredi AG darüber informiert, dass sie keine Verbindung zur Scientology-Kirche oder zu sonstigen religiösen oder politischen Organisationen hat.

Ich als Teilnehmer bestätige, dass auch ich keine Verbindung zur Scientology-Kirche habe.

Ort, Datum              Unterschrift

 

Dazu einige Fragen:

- Warum muss unterschrieben werden, dass keine Übungen gemacht wurden, denen nicht zugestimmt wurde? Ist das nicht selbstverständlich? Müssen die Seminarteilnehmer etwa erst durch Ihre Unterschrift daran erinnert werden, dass sie das selbst gewollt haben sollen?

- Warum will ein Anbieter sich unterschriftlich bestätigen lassen, dass keine manipulativen Methoden zur Anwendung gekommen sein sollen? Befürchtet er etwa diesbezügliche Klagen? Hält er seine Ansätze etwa selbst für manipulativ und will sich deshalb mit einer Unterschrift gegen eventuelle Klagen absichern?

- Warum wird die sogenannte „Scientology-Kirche“ (eine Selbstbezeichnung, die faktisch fast nur von ihr selbst verwendet wird) in eine Reihe mit „sonstigen religiösen oder politischen Organisationen“ gestellt? Ist eine Mitgliedschaft in der SPD oder der katholischen Kirche oder einer buddhistischen Gruppe genauso schlimm? 

- Könnte die den Teilnehmern abverlangte Erklärung, nicht in Verbindung zu Scientology zu stehen, nicht vielmehr den Sinn haben, Herrn Huber davor zu bewahren, dass seine Verwendung scientologischer Methoden durch andere (ehemalige) Scientologen entdeckt und angezeigt wird?

Diese Fragen möge jeder Leser für sich selbst beantworten und sich sein Urteil bilden. 

Wer nicht Nebelbomben werfen, sondern ernsthaft die Anwendung scientologischer Methoden im Unternehmen verhindern will, verwendet die seit fast 15 Jahren etablierten Technologie-Erklärungen , die auf die Verwendung der Technologie von L. Ron Hubbard abstellen und nicht auf kaum aussagekräftige Mitgliedschaften. Das ist hier nicht erfolgt.

Woher kommt der Scientology-Verdacht?

In Reaktion auf die Medienberichterstattung haben sich weitere Personen gemeldet, die mit Brockmann und Knoedler in Beziehung standen und teilweise in diesem Rahmen Trainings und Seminare der Progredi AG vermittelt bekamen. Diese berichten weitgehend übereinstimmend u.a. von folgenden Elementen: 

 


1) Am Anfang der Trainings steht eine intensive Befragung nach intimen persönlichen Verhältnissen (u.a. persönliche Stärken und Schwächen, eingenommene Medikamente, Mitgliedschaft in Organisationen, auch Fragen über Familienmitglieder etc.) Diese Befragung sammelt persönliche Daten, ohne dass ein Bezug zum Friseurhandwerk zu erkennen ist.

Beobachtung: In der Scientology-Organisation dient ein Fragebogen (Oxford-Kapazitäts-Analyse) zur Einschätzung neuer Kunden und dazu, den Kunden Therapiebedarf durch scientologische Methoden nahezulegen. 


2) In den Trainings der Progredi AG müssen die Teilnehmer immer wieder Lebenssituationen mit Bauklötzen nachstellen

Beobachtung: In der Scientology-Organisation ist das Nachstellen von Lebenssituationen mit Bauklötzen üblicher Seminarbestandteil. 


3) In den Trainings der Progredi AG spielen „Wahrnehmungsübungen“ und sog. „Nullpunktübungen“ eine Rolle, in denen die Teilnehmer z.B. sich lange Zeit gegenseitig in die Augen schauen oder dazu bringen sollen, bestimmte Handlungen zu begehen. 

Beobachtung: In der Scientology-Organisation werden ganz ähnliche Übungen praktiziert. Letztlich haben diese die Funktion, die Ausübenden zu lehren, andere Teilnehmer durch ihren Willen zu dominieren. 


4) Die Trainer der Progredi AG bzw. der Brockmann & Knoedler Business Academy haben wöchentliche umfassende Berichteüber alle Vorkommnisse in den Salons und über ihre eigene persönliche Entwicklung an Herrn Hans Peter Huber verfasst. Die Salonmitarbeiter haben wöchentliche Checklisten, was alles im Salon zu erfüllen ist, ausgefüllt. Diese Listen wurden möglicherweise über den Salonleiter an Herrn Huber weitergeleitet. 

Beobachtung: In der Scientology-Organisation gibt es ähnliche Systeme der Überwachung und Kontrolle. Insbesondere exakt wöchentlich abzugebende Statistiken über die Erfüllung von Aufgaben oder Arbeitsleistungen spielen eine große Rolle. 

5) Die vom MDR interviewten Personen berichten von einem System erniedrigender Strafarbeiten, wenn Mitarbeiter irgendwo gegen hausinterne Regeln verstoßen hatten. 

 

Beobachtung: In der Scientology-Organisation gibt es ganz ähnliche Einrichtungen erniedrigender Strafarbeiten. 

6) Bei Brockmann und Knödler habe den Berichten zufolge eine „Ethik-Kommission“ die Aufgabe gehabt, die Mitarbeiter auf Verstöße der Standards zu überwachen und entsprechende Vergehen zu ahnden.  

Beobachtung: Der Begriff „Ethik-Kommission“ für ein Gremium zur Überwachung und Bestrafung von Vergehen ist typisch scientologischer Sprachgebrauch. Außerhalb von Scientology hat das Wort „Ethik“ eine völlig andere Bedeutung. 

Es gibt noch eine Reihe weiterer Beobachtungen. Diese Aufzählung beschränkt sich auf die Wichtigsten. 

Zur Situation:

1) Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Brockmann und Knoedler haben dazu Transparenz und Unterstützung zugesagt. Die dargestellten Sachverhalte beruhen auf den glaubwürdigen Schilderungen der Betroffenen. Weitere Dokumente und Unterlagen zu den Seminarmethoden der Progredi AG sollen noch überprüft werden.

2) Jede einzelne dieser Parallelen kann zufällig sein. Für jede einzelne lassen sich mit etwas Mühe möglicherweise auch alternative Erklärungen finden. Ihre Kombination überschreitet aber das Maß dessen, was als zufälliges Produkt als wahrscheinlich angesehen werden kann. Zudem ist die Entsprechung bis in die Begrifflichkeit hinein auffällig. 

Im Zusammenspiel führen sie dazu, dass ein System aus mentaler Manipulation, Überwachung und Kontrolle entsteht, das die Betroffenen als sektenhaft erleben.

3) Eine organisatorische Verbindung zur Scientology-Organisation muss damit nicht zwangsweise verbunden sein. Es ist ebensogut denkbar, dass durch die Progredi-AG Methoden der Scientology-Organisation für eigene Zwecke kopiert und adaptiert wurden.

Das Ergebnis ist freilich ähnlich: Menschen werden psychisch manipuliert und für die Erfüllung einer bestimmten Ideologie benutzt. In der Hoffnung auf persönliche Weiterbildung und höhere Entwicklung bezahlen sie dafür im Einzelfall fünf- bis sechsstellige Summen, nehmen dafür Kredite auf und verschulden sich. 

Die Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens hat kein Interesse an der Verbreitung verleumderischer Aussagen und hat in den vergangenen Jahrzehnten viele zu unrecht Beschuldigte vor substanzlosen Verdächtigungen in Bezug auf angebliche Scientology-Beziehungen in Schutz genommen. In diesem Fall aber sind die Indizien erheblich und erfordern eine eingehende Prüfung. 

Über deren Ergebnis wird zu gegebener Zeit zu berichten sein.

Harald Lamprecht,  17. Februar 2014

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