Warum die AfD verboten werden könnte
Die AfD verbieten?
Analyse des „Deutschen Instituts für Menschenrechte“ gibt Empfehlungen
Der Nationalsozialismus hatte Deutschland in die Katastrophe geführt. Die noch junge Demokratie der Weimarer Republik war mit einer nur relativen Mehrheit von 33,1% der Stimmen für die NSDAP bei der Reichstagswahl im November 1932 zu Fall gebracht worden. Monarchistische und konservative Kräfte hatten es verhindert, sich rechtzeitig wirksam gegen die aufstrebende NSDAP zu stellen, weil ihnen der Feind links gefährlicher erschien.
Als 1949 die Bundesrepublik Deutschland sich im Grundgesetz (GG) eine erneuerte Ordnung gab, sollte dies eine wehrhafte Demokratie sein. Ihre erneute Abschaffung sollte nicht durch einfache Mehrheiten möglich sein. Zu diesen Instrumentarien gehört auch die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht Parteien verbieten kann, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“ (Art. 21,2 GG).
Keine Lösung für alles
Ein Verbot von Parteien löst die Probleme nicht, die dahinter stehen. Mit dem Verbot sind die Menschen ja nicht weg, die in dieser Partei Mitglied waren oder die sie gewählt haben. Wer meint, ein solches Verbot würde gegebenenfalls genügen, die gesellschaftlichen Probleme durch menschenverachtende Einstellungen zu beseitigen, irrt. Darin sind sich eigentlich die allermeisten Menschen, die in politischer Bildung aktiv sind, ziemlich einig.
Dennoch gibt es Umstände und Situationen, in denen auch ein Parteiverbot angemessen und notwendig sein kann. Das gilt z.B. wenn und weil durch die staatliche Parteienfinanzierung erhebliche Mittel an Steuergeldern in Unterstützung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus fließen, was den Zielen des GG diametral gegenübersteht. Das gilt vor allem aber dann, wenn die Partei durch ihren Rückhalt in der Bevölkerung und ihren Erfolg bei Wahlen im Begriff ist, mindestens regional so viel Macht zu gewinnen, dass sie die weitere Entwicklung der Demokratie nachhaltig behindern kann. Es gibt auch ein „zu spät“.
Analyse des DIM
Das renommierte Deutsche Institut für Menschenrechte ist die gesetzlich fundierte nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Es wird vom Deutschen Bundestag finanziert. Von dort wurde im Juni 2023 eine Analyse von Hendrik Cremer mit dem Titel „Warum die AfD verboten werden könnte. Empfehlungen an Staat und Politik“ veröffentlicht. Diese Publikation verdient es, aufmerksam gelesen und diskutiert zu werden.
Rassismus und Rechtsextremismus
Zunächst betrachtet die Analyse die rechtlichen Rahmenbedingungen, also die Grundlage für ein Parteienverbot in Art. 21 GG und die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes dazu.
Art. 3 Abs 3 GG verbietet u.a. rassistische Diskriminierung. Rassismus konstruiert homogene Menschengruppen unter Bezugnahme auf biologistische Begründungsmuster, bzw. neuerdings zunehmend in Bezugnahme auf „ihre Kultur“, die dann pauschal abgewertet werden. Kennzeichnend für rechtsextreme Positionen ist eine auf Rassismus basierende Konzeption einer Nation. „Sie gehen davon aus, dass es ein „angestammtes“ und damit vorgegebenes homogenes Volk gebe, dessen Mitglieder als Bestandteil dieses exklusiven Kollektivs unbedingten Vorrang gegenüber Menschen hätten, die prinzipiell nicht dazugehören könnten.“ (S. 21). Häufig ist damit eine Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus verbunden.
Einordnung der AfD
Anhand zahlreicher Beispiele aus Programmen und Grundsatzreden führender Vertreter der AfD weist die Analyse auf fast 40 Seiten nach, dass eine solche national-völkische Ausrichtung inzwischen in der Gesamtpartei fest verankert ist. Markant ablesbar ist das u.a. auch an der Bedeutung des Thüringer Parteivorsitzenden Höcke. „Höcke macht unverhohlen deutlich, dass er danach strebt, die in der AfD fest verankerte rassistische nationalvölkische Ideologie zur Herstellung eines homogenen Volkes mit Gewalt durchzusetzen, zumal er sich – wie andere Führungspersonen und Mandatsträger*innen der AfD auch – am Nationalsozialismus orientiert.“ (S. 45) Dabei geht die Partei nicht nur planvoll vor, sondern droht auch mit ihren Zielen Erfolg haben zu können. Der letzte Punkt unterscheidet sie wesentlich von der NPD. Im Ergebnis kommt die Analyse zu dem Schluss: „Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot der AfD liegen demnach vor“ (S. 60).
Antragsberechtigungen
Ein Verbotsverfahren kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Damit es diesbezüglich aktiv wird, benötigt es einen Antrag. Dieser kann nur vom Bundesrat, dem Bundestag oder der Bundesregierung gestellt werden. Nun ist es eine offene politische Frage, ob eine dieser Institutionen einen solchen Antrag stellen will. Unabhängig davon, ob sie dies tun, hat allerdings die Erkenntnis, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen, durchaus Folgen. Das beginnt mit der nicht selten anzutreffenden Argumentation gegen Kritik an der AfD, diese „sei ja nicht verboten“.
Konsequenzen
Konkret fordert das Dokument,
dass sich alle anderen politischen Parteien „unmissverständlich – sowohl inhaltlich als auch formal und praktisch – von der AfD abgrenzen.“
Sämtliche Bildungsinstitutionen müssen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus „als wichtige Themenfelder verinnerlichen“, „wozu auch die Thematisierung und Einordung der AfD gehört“.
Das Waffenrecht ist in Bezug auf AfD-Mitglieder konsequent anzuwenden, indem diese entwaffnet werden.
Für Beamte, denen eine besondere Treuepflicht zum demokratischen Staat auferlegt ist, sind Disziplinarverfahren angezeigt, wenn diese öffentlich für die AfD eintreten.
Das gilt unabhängig von einer Mitgliedschaft, die – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – zu einer Entlassung aus dem Staatsdienst führen müsse.
Schließlich sei auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung von der staatlichen Förderung auszuschließen und ihr die Gemeinnützigkeit zu entziehen, da sie rassistisches und rechtsextremes Gedankengut verbreitet, das sich gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG verbrieften Garantien richtet (S. 66).
Diese Forderungen gelten unabhängig davon, ob ein Verbotsantrag gestellt wird oder nicht. Angesichts der vorgestellten Inhalte erscheinen sie logisch geradezu zwingend.
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