Weltuntergang oder Weihnachtseinkäufe?
Ein sächsischer Radiosender begründet seine Musikauswahl neuerdings mit „den Hits, die man noch gehört haben sollte, bevor die Welt untergeht.“ Das ist eine von den vielen scherzhaften Popularisierungen der Erwartung einer kosmischen Katastrophe, die mit dem angeblichen Ende des Maya-Kalenders am 21. 12. 2012 verknüpft ist. Dabei richten sich die Augen der Welt in besonderer Weise auf Dresden. Dort, im Buchmuseum der sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek, ist eine der wenigen erhaltenen Handschriften der Maya ausgestellt. Was kann er uns an Fakten jenseits der zahlreichen Spekulationen vermitteln?
Rätsel der Maya-Kultur
Die Maya umgibt aus drei Gründen ein besonderer Nimbus des Geheimnisvollen: 1. Sie waren eine bedeutende Hochkultur und verfügten aufgrund ihrer astronomischen Beobachtungen über einen hoch präzisen Kalender. 2. Bis heute rätselhaft ist das plötzliche Verschwinden dieser Hochkultur, von der die verlassenen Städte eindrucksvoll künden. 3. Die Quellenlage ist begrenzt. Abgesehen von den Steinen und Stelen der Tempelanlagen und Kunstgegenständen haben nur drei Handschriften die spanische Ausmerzung alles Heidnischen überstanden.
Die Maya-Kalender
Bei den Maya waren (mindestens) drei Verschiedene Kalender im Gebrauch. Der Tzolkin-Kalender umfasst einen Zyklus von 260 Tagen und diente für kultische Zwecke. Der daneben verwendete Haab-Kalender orientiert sich (wie unserer) an dem Sonnenjahr und umfasst daher ebenso 365 Tage. Er diente zur Bestimmung agrarischer Termine. Mit Tzolkin und Haab in Kombination ließen sich 18980 verschiedene Tage und somit etwa 52 Jahre unterscheiden. Weil das für Chroniken etc. nicht genügt, gab es noch einen dritten Kalender. Die sogenannte „Lange Zählung“ bildet schlicht eine fortlaufende Tageszählung seit einem (mythologischen) Null-Datum am Schöpfungstag.
Die Magie der Nullen und kein Ende
Ein Wechsel in der 5. Stelle der „Langen Zählung“ markiert den Beginn eines neuen Baktun, was aufgrund der Seltenheit des Ereignisses mit der emotionalen Erwartung unserer Jahrhundertwende vergleichbar ist. Autofahrer kennen auch das erhebende Gefühl, wenn der Kilometerzähler z.B. von 9999 auf 10000 umklappt. Ein solches neues Baktun, dann mit der Nummer 13.0.0.0.0, beginnt (nach der wahrscheinlichsten Berechnung der Übertragung in unseren Kalender) am 21. 12. 2012. Wie allerdings beim Auto der neue Kilometerstand nicht dazu führt, dass das Auto auf der Stelle fahruntüchtig wird und plötzlich stehen bleibt, ebenso endet auch der Mayakalender nicht an diesem Datum. Das Märchen vom angeblichen „Ende“ des Mayakalenders ist eine unsinnige, aber sich erstaunlich hartnäckig haltende Verdrehung der Tatsachen, die leider sogar vom öffentlich-rechtlichen Bildungsfernsehen noch kolportiert wird.[1] Nach dem 13. Baktun gibt es ein 14. bis zum 20., und es gibt im Maya-System sogar noch mehr Stellen: pictun, alabtun, kinciltun, alautun. Eine Maya-Stele beschreibt z. B. das Datum 1.0.0.0.0.8 5 Lamat 1 Mol, welches dem 23. Oktober 4772 n. Chr. entspricht - von Weltuntergang und Kalenderende ist da keine Spur.
Der wiederkehrende Schöpfungstag
Woher kommt dann diese Kalenderhysterie? Dafür lassen sich zwei Gründe ausmachen. Am (mythologischen) Schöpfungstag zeigte der Tzolkin-Kalender das Datum 4 Ahau und der Haab-Kalender das Datum 8 Cumcu. Beim Wechsel zum 13. Baktun kommt es nun erstmalig dazu, dass vier Nullen in der Langen Zählung mit dieser Kombination der beiden Kalender wieder zusammen fallen. Hinzu tritt, dass bei den Maya das rechnerische Datum 0.0.0.0.0 des Schöpfungstages wegen der symbolischen Bedeutung der 13 im Maya-System als 13.0.0.0.0 geschrieben wurde. Zusammen mit kultischem Tzolkin-Datum und Haab-Datum wäre das vollständige Maya-Datum des Schöpfungstages 13.0.0.0.0 4 Ahau 8 Cumcu - und genau dieses (und nur dieses) Datum wiederholt sich am 21. 12. 2012. Wer nun für die Wiederholung des Schöpfungstages eine Neuschöpfung annimmt, könnte vorher einen Untergang des Alten postulieren.
Der Dresdner Codex enthält dieses Datum nicht. Statt dessen finden sich in ihm eine Reihe astronomischer Berechnungen von Sonnenfinsternissen und Venusumläufen. Sehenswert ist nicht nur das Original, sondern auch die gut gestaltete Ausstellung im Buchmuseum, die kostenlos besichtigt werden kann. Die Bibliothek hat auch den kompletten Codex in hoher Auflösung im Internet bereitgestellt. [2]
Katastrophe zur Angstbewältigung?
Eine Vielzahl von Büchern überwiegend aus dem Esoteriksektor befasst sich inzwischen mit dem angeblichen Weltende 2012. Oft wird es auch zur großen kosmischen Transformation auf höhere Bewusstseinsstufen umgedeutet.
So paradox es klingen mag: Weltuntergangsspekulationen sind ein Mittel, um die Angst vor dem Unwägbaren einzudämmen. Wenn ich zu wissen meine, wann aufgrund von göttlichem Ratschluss oder mythischer Maya-Berechnung die Welt untergeht, trifft es mich nicht unerwartet und auch nicht schon nächste Woche.
Jesus warnt vor solchen Spekulationen, denn nur der Vater weiß Tag und Stunde des zukünftigen Geschehens. Und Martin Luther wird die Aussage zugeschrieben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
[1] Z.B. in der Sendung der Reihe ZDF History „Apokalypse 2012 - Das Geheimnis des Maya-Kalenders“.
[2] https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/2967/22