Peters phantastische Visionen
Der von dem Esoteriker Peter Fitzek gegründete Phantasiestaat „Königreich Deutschland“ (KRD) vermag es offenbar erfolgreich, immer wieder neue Personen in seinen Einflussbereich zu ziehen. Mit welchen Mitteln gelingt das? Was haben diejenigen, die sich darauf einlassen, realistischerweise zu erwarten?
Reichsbürger
Peter Fitzek wurde 1965 in Halle (Saale) geboren und hat eine Ausbildung zum Koch abgeschlossen, später auch als Karatelehrer gearbeitet und eine Videothek betrieben.1 Das „Königreich Deutschland“ wurde von ihm 2012 in Wittenberg ausgerufen. Auf dem von ihm gemieteten Gelände des ehemaligen Krankenhauses würden – so seine Behauptung – nun die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gelten, sondern nur noch die des „Königreiches“. Auch wenn bei Peter Fitzek Anknüpfungen an das frühere Deutsche Reich geringer sind – seine Argumentation zur Delegitimierung der Bundesrepublik Deutschland und die verqueren Argumentationslogiken zur Ausrufung seines Phantasiestaates entsprechen im Wesentlichen denen der Reichsbürgerszene. Mit den Behörden hat er folglich auch schon eine längere Konfliktgeschichte. In Sachsen wurden unlängst von Anhängern für das KRD mehrere repräsentative Immobilien erworben: Das Wolfsgrüner Schlösschen in Eibenstock und das Schloss Bärwalde bei Boxberg. In Bärwalde wird zu Arbeitseinsätzen zum Aufbau eines „Gemeinwohldorfes“ aufgerufen. Demgegenüber soll das Wolfsgrüner Schlösschen zum Seminarzentrum ausgestaltet werden.
Esoterik
Peter Fitzek ist in seinem Denken stark von der Esoterik geprägt. Das wird in der aktuellen Berichterstattung oft weniger beleuchtet, weil dort mehr die Reichsbürger im Zentrum stehen. Dabei ist der Bezug zur Esoterik ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis seiner Unternehmungen. Neben dem Interesse an Wahrheitsfindung durch Suche im eigenen Inneren ist ein wesentlicher Grundzug von Esoterik der Vorrang des Gefühls vor dem Verstand. Kritisches, rationales Denken wird stark abgewertet zugunsten eher intuitiver Formen der Erkenntnis. Damit verbindet sich ein starkes Bemühen um Zusammenschau und Verbindung von Gegensätzen. Eine auffällige Ignoranz gegenüber logischen Widersprüchen ist die unmittelbare Folge davon. Diese zeigt sich auch bei den diversen Fitzek’schen Unternehmungen.
Leitbegriff: Gemeinwohl
Zentraler Begriff in der Werbung neuer Interessenten für das Projekt ist der Begriff „Gemeinwohl“. Die Webseite vom KRD begrüßt ihre Besucher mit der Aussage „Willkommen in Deinem Gemeinwohlstaat! Das Königreich Deutschland (KRD) ist eine Vereinigung freiheitsliebender und gemeinwohlorientierter Menschen. Es steht für einen Neuanfang des deutschen Staates nach den Grundsätzen des Völkerrechts und der Völkerfreundschaft.“2 Markant ist die üppige Verwendung wohlklingender positiv besetzter Begriffe für die eigenen Aktivitäten. Der Verweis auf das Völkerrecht ist sachlich vollkommener Unsinn. Dort gibt es zwar grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker, aber keine Rechtfertigung dafür, um das eigene Grundstück einen Zaun zu ziehen und dort einen eigenen neuen Staat auszurufen.
Sozialutopische Visionen
Die Beschreibung des KRD setzt fort: „Es bietet praktische Lösungen für alle aktuellen systemischen, menschlichen und gesellschaftlichen Probleme: Von einem zins- und schuldenfreien Geldwesen und einem autarken Wirtschaftskreislauf bis hin zu einem erneuerten, ganzheitlichen Gesundheits- und Bildungswesen“. Wo so vollmundig die Lösung „aller menschlichen und gesellschaftlichen Probleme“ versprochen wird, sollte man hellhörig werden. Das ist genau betrachtet nicht weniger als eine Beschreibung paradiesischer Zustände. Der Realitäts-Check ist aber auch bei den anderen Begriffen angebracht. Sie verweisen auf konkrete Projekte in Fitzeks Reich, die aber so ziemlich alle an einem grundlegenden Problem kranken: Sie beschreiben phantastische, unrealistische Wünsche unter Ignoranz aller Widersprüche.
Staatsvision
Das beginnt mit dem Konzept des Staatswesens. Das KRD wird beschrieben als „eine Basisdemokratie in Verbindung mit einer Räterepublik und einem repräsentativen König“. Das klingt nicht nur widersprüchlich, es ist es auch. Denn der König ist in der Konstruktion des KRD eben nicht nur symbolischer Repräsentant, sondern hat durchaus sehr weitreichende Befugnisse. Für das KRD wurde auch eine „Verfassung“ erarbeitet. Diese ist zu manchen Teilen dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nachempfunden – was belegt, dass es so schlimm mit der Bundesrepublik nun doch nicht sein kann. Interessant sind die Änderungen. Da gibt es zunächst den König. Der ist ja angeblich „konstitutionelle Wahlmonarchie“ (Art. 3). Aber nur der allererste König – nämlich Peter – wird gewählt. Dieses Amt hat sich Peter Fitzek „auf Lebenszeit“ gesichert (Art. 8). Der König schlägt seinen Nachfolger vor und kann seinen Nachfolger jederzeit bestimmen. Ja was denn nun? Vorschlag oder Festlegung? So geht es weiter. Art. 7 regelt: Alle Staatsgewalt ist im König und in dem Demos verankert“. Ein fröhliches „und“ verbindet unbeschwert einander logisch ausschließende Konzepte. Der König selbst untersteht nicht der Gerichtsbarkeit (Art. 10.2). Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der Zustimmung des Königs (Art. 12.1). Der König kann nach Belieben Gerichtsurteile abändern und Untersuchungen niederschlagen (Art. 12.2). Er kann Staatsverträge kassieren und fungiert zugleich als Verfassungsgericht, denn er kann jede Rechtsverletzung eines Amtsträgers „per Anordnung“ aufheben. Jeder Richter kann entlassen werden, wenn der König der Meinung ist, dass dieser „durch Auslegung zersetzend auf die Grundrechte“ eingewirkt habe (Art. 45.2). Der König ist (vorerst) Eigentümer der Staatsbetriebe. Er entscheidet vorranig über die Verwendung von deren Mitteln (Art. 29). Das ist schon eine gewaltige Machtfülle. Da spielt es kaum noch eine Rolle, dass ein Amtsenthebungsverfahren theoretisch möglich ist.
Es kann hier nicht die ganze Verfassung diskutiert werden. Nur ein Punkt sei noch vorgestellt, weil er sehr typisch ist. Art. 41 beschreibt das Ziel der Rechtsprechung. Dort heißt es: „Die Rechtsprechung ist darauf auszurichten, gerechte Lösungen in allen gesellschaftlichen Belangen für alle Menschen zu finden und zu gewährleisten. Gerechtigkeit steht über dem niedergeschriebenen Recht.“ Wie soll das denn zu verstehen sein? Ist das eine Pauschalerlaubnis, geschriebenes Recht zu ignorieren, wenn es dem eigenen Bauchgefühl von Gerechtigkeitsempfinden nicht entspricht?
Klimagie
Ein Punkt, an dem man das Wesen von Peter Fitzeks visionärem Unternehmertum sehr deutlich sehen kann, ist das Projekt „Klimagie“ (klimagie.org). Dort wird ein angeblich neues3 Heizsystem angepriesen: „Wir heizen und kühlen, wie es die Natur vormacht. Dass auf diese Weise die Umwelt und auch Ihr Geldbeutel geschont werden, ist ein erfreulicher Nebeneffekt. KLIMAGIE schafft ein gesundes Raumklima auf schon fast magische Weise.“ Die Gerätschaften werden mit vollmundigen Versprechungen beworben, die allerdings in technischer Hinsicht komplett widersprüchlich sind. So würde das „Magus 5/20“ genannte Gerät „nach dem Prinzip einer Wärmepumpe“ arbeiten, aber „der Umwelt (Umluft, Wasser, Erdreich) überhaupt keine Wärme“ entziehen – was nun gerade das Prinzip von Wärmepumpen ist. Es benötigt auch nur einen elektrischen Anschluss – was nahelegt, dass es sich dann auch nur um eine reine Elektroheizung handeln kann. Die wirkliche Funktionsweise bleibt im Nebel. Das wird allerdings durch einen wohlklingenden Wortschwall bedeckt. Da ist von Quantenenergie die Rede. Fragen der Wärmeerzeugung (Heizung) werden mit deren Verteilung (Heizkörper) vermengt. Teilweise ist es echter physikalischer Blödsinn: „Durch die Erzeugung von Strahlungswärme ist eine Außendämmung nicht mehr erforderlich. So kann Ihr Haus atmen. Die Wände sind trocken, Schimmel hat keine Chance und häufiges Lüften kann entfallen.“4 Zugleich wird das System mit seinen angeblichen Kühlfähigkeiten als Ersatz für alle gängigen Klimaanlagen angepriesen.
Wie es alles genau und im Detail funktioniert, steht nicht in den Broschüren – denn dafür gibt es Seminare, die (natürlich kostenpflichtig) gebucht werden können. Das ganze System wird auch als Möglichkeit angepriesen, sich als neuartiger Heizungsbauer selbständig zu machen und damit aus dem BRD-System auszusteigen. Damit sei es möglich „ungeimpft, ungetestet und unmaskiert einer Tätigkeit nachzugehen, die auch noch der Persönlichkeitsbildung dient und unser aller Gemeinwohl und Vorwärtskommen begünstigt“ – wie es Peter Fitzek selbst in einem entsprechenden Werbevideo anpreist. Das ist insofern clever, weil 1. an den Seminaren und „Ausbildungen“ kräftig verdient werden kann und 2. die Haftung für die (erwartbare) Unzufriedenheit der Menschen in kalten Wohnungen mit immensen Stromrechnungen nicht bei Peter Fitzek liegt, sondern bei denjenigen, die das selbst geglaubt und anderen gutgläubigen Menschen für teures Geld eingebaut haben.
Reichsbank und Krankenkasse
Nach einem ähnlichen Strickmuster funktionieren auch etliche andere „Betriebe“ des Königreiches. Es werden mit einem Schwall positiv klingender Worte utopische Visionen erzeugt, die vernebeln, dass die suggerierten Leistungen gar nicht funktionieren können. Am Ende sind die Investoren die Betrogenen.5
Die „Deutsche Heilfürsorge“ bezeichnet sich als „eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Krankenversicherungen“6. Da kann man kräftig einzahlen – einen ggf. nötigen Krankenhausaufenthalt wird diese Kasse aber eher nicht finanzieren, sondern lediglich Weiterbildungsangebote, Sport oder Yoga und Entgiftungskurse bei den Kooperationspartnern vermitteln. Auch eine freie Arztwahl ist nicht vorgesehen.
Die „Deutsche Rente“ sei „eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Rentenversicherungen“. Sie wird als „Rentenkasse ohne Generationsvertrag“ beworben und biete „sichere Wertanlage für den Ruhestand“ und ermögliche „ein früheres Renteneintrittsalter als üblich“ – so der Werbeflyer. Faktisch fließen alle Rentenbeiträge direkt in das Gesamtkonstrukt KRD. Dort sollen sie (idealerweise) Renditen erwirtschaften, die dann (irgendwann vielleicht einmal – wenn alles gut läuft) als Rentenbeiträge wieder ausgezahlt werden können – aber nur im KRD-eigenen „Engelgeld“.
Die „Gemeinwohlkasse“ sei eine „sinnvolle Alternative zu den üblichen Banken und Sparkassen“. Sie sei „nicht Teil des internationalen Finanzsystems und somit die einzige Alternative zum derzeitigen System“. Dort könne man sein Geld gewinnbringend einsetzen und „Kapital aufbauen“ – ganz ohne Zinssystem. Das bedeutet konkret: Man darf einzahlen, es gibt aber keine (gesicherte) Auszahlung. Kurz gesagt: Alles „angelegte“ Geld ist faktisch eine Schenkung an das KRD: „Eine Rücküberlassung des Kapitals liegt dabei vollständig im freien Ermessen des Kapitalempfängers.“7 Etwas verklausuliert wird auf den „KÜV“ hingewiesen: den „Kapitalüberlassungsvertrag“ und dass man „kein Einlagengeschäft im Sinne des bundesrepublikanischen KreditWesenGesetzes (KWG)“ betreibe – obwohl genau das mit Aufbau einer „Bank“ und Begrifflichkeit von „Konten“ und „ähnlich wie ein Sparbuch“ suggeriert wird. Entsprechend bemüht sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), zum Schutz der Anleger diese unerlaubten Geldgeschäfte zu unterbinden.
Fazit
Die Widersprüche, die Peter Fitzek scheinbar harmonisiert, sind zahlreich. Es wird Individualität und Selbstentfaltung ohne staatlichen Zwang und Steuern und zugleich maximale Förderung des Gemeinwohls versprochen. Das Gemeinwohl ist aus Fitzeks Perspektive wohl eher ein GeMEINwohl. Die Verfassung beschreibt nur scheinbar eine Räterepublik, faktisch aber eine ziemlich absolutistische Monarchie. Die „Reichsbank“ verfolgt genau einen Zweck: Zahlungen, die ihrem Charakter nach sich so gut wie nicht von Spenden unterscheiden, werbetechnisch wie Geldanlagen aussehen zu lassen, die einem noch gehören. Es wird suggeriert, „magisch“ mit Quantenenergie heizen zu können usw.
Wer durch „Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält“ und „das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt“ begeht Betrug. So steht es in der Definition im Strafgesetzbuch (§263 StGB).
Das Kuriose hier ist: man bekommt das Gefühl, die Staatsangehörigen wollen fast betrogen werden. Sie wollen so sehr glauben, dass die Visionen von Fitzek wahr sein könnten, dass es einen Staat ohne Steuern, billige Heizung aus dem Nichts, wirksame Medizin ohne Pharmaforschung, Basisdemokratie mit einem König, frühe Rente aus wenig Kapital usw. geben könne. Darum sind sie bereit, das kritische Denken in diesen Punkten abzuschalten. Kritik konzentriert sich nahezu ausschließlich auf die als Feind markierte Außenwelt – die BRD, die Pharmaindustrie, die Finanzwirtschaft – gespickt mit Verschwörungsideologie. Das esoterische Konzept „Gefühl über Verstand“ ist hier offenbar recht erfolgreich. Die Folgen durch die Delegitimierung der demokratischen Institutionen sind allerdings beträchtlich und betreffen nicht nur die betrogenen Menschen, sondern die Gesellschaft insgesamt.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Fitzek
2 https://koenigreichdeutschland.org/de/
3 Mimikama hat desssen Herkunft aufgespürt: https://www.mimikama.org/klimagie-mit-quantentechnik-ist-alter-schmaeh
4 klimagie.org, Prospekt S. 4/5.
5 Eine Liste Fitzek'scher Unternehmungen gibt es auf https://wiki.sonnenstaatland.com/wiki/Liste_von_Peter_Fitzeks_Projekten
6 Flyer deutsche Heilfürsorge V. 13.06.2022
7 https://krb.koenigreichdeutschland.org/de/kapitalueberlassungsvertrag.htm
Neuen Kommentar hinzufügen
Mit der Abgabe eines Kommentars werden die Regeln für Kommentare akzeptiert. Kurzfassung: