Mozart, die Zauberflöte, die Freimaurer und die Kirche

Thesen zu ihrem Verhältnis

2006 ist Mozartjahr. Aus Anlass des 250. Geburtstages des berühmten Komponisten wird an vielen Orten auch seine berühmteste Oper, die Zauberflöte aufgeführt oder diskutiert. So fanden auch an der Katholischen Akademie Dresden eine Reihe von Abenden zur Zauberflöte statt. Die Freimaurer bezeichnen mitunter die Zauberflöte als „ihre“ Oper und verweisen darauf, dass Mozart als Freimaurer darin Elemente aus den freimaurerischen Ritualen verarbeitet habe. Dies ist ein Anlass, das Verhältnis von Freimaurerei und Kirche vor dem Hintergrund der Zauberflöte zu beleuchten.

Zunächst ein Beispiel aus der Praxis des Beauftragten für Weltanschauungs- und Sektenfragen. Von aufgeregten Kirchenmitgliedern wurde der Kirchenleitung wurde eine grobe Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen. Sie mache durch faule Kompromisse dem Teufel die Tür auf, weil sie eine Veranstaltung der Freimaurersekte in einer Chemnitzer Kirche nicht tatkräftig verhindert hätte. Schließlich werde bei den Freimaurern ab dem 30. Grad direkt Satan angebetet. Weil das gewünschte Verbot nicht erfolgte wurde mit einem Fernsehteam der Vorfall dokumentiert, die Kirche und die Werbeschilder gefilmt. In das Innere der Kirche haben sich diese Beobachter aber nicht begeben, um nicht von der dort herrschenden dämonischen Beeinflussung in Mitleidenschaft gezogen zu werden. So blieb ihnen leider die Einsicht versperrt, dass dort keineswegs satanische Rituale abgehalten wurden, ja nicht einmal Freimaurer versammelt waren, sondern es sich um ein harmloses Treffen eines Rotary-Clubs handelte.

Freimaurer und Kirche - wie dieses Beispiel zeigt ist das bis heute und auch in Sachsen für manche ein radikaler Gegensatz und so gegensätzlich wie Gott und Teufel. Mozart und seine Zauberflöte stehen dazwischen.

Mozart - Christ und Freimaurer

Zunächst ist festzuhalten: Mozart war selbstverständlich Christ. Schon seine Vornamen drücken etwas davon aus. Getauft wurde er auf den Namen: Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart. Die griechische Fassung des Theophilus gibt Anlass, die geläufigere lateinische Fassung des Amadeus zu übersetzen: der Gott Liebende. Dass dies nicht nur ein Name war, zeigt sein Schaffen: immerhin hat Mozart mehr Kirchenmusik komponiert als Opern. Auch wenn Mozart in seinem Lebenswandel sicherlich nicht der fromme Asket war, so war er doch selbstverständlich Katholik in Wien, wie man in der damaligen Wiener Gesellschaft auch mit gewisser Selbstverständlichkeit Freimaurer war. Freimaurer betonen mitunter, Mozart sei ein engagiertes Mitglied der Loge gewesen. Allerdings wird man auch in Betracht ziehen müssen, dass die sozialen Kontakte zu potenziellen Auftraggebern innerhalb der Freimaurerei für einen freischaffenden Künstler damals in gewisser Weise existenzsichernd waren. (*)

Woher kommt die bei nicht wenigen Christen tief verwurzelte Furcht und Ablehnung der Freimaurerei? Es scheint nötig und hilfreich, nach den Gründen dieser Spannungen zu fragen. Dann kann man sehen, was davon heute noch bedeutsam ist und was nicht.

1. Historische Gründe für die Spannungen

Grund 1: Aufklärung und Absolutismus

Der erste Grund liegt in den geschichtlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Entstehung der Freimaurerei. Genauer: dem Verhältnis zwischen Kirche und absolutistischem Staat im Zeitalter der Aufklärung.

Die Freimaurerei hatte nach ihrem Aufkommen im 18. Jh. ein rasantes Wachstum und entwickelte sich schnell zu ihrer größten Blüte. Freimaurerlogen waren dabei oft Träger aufklärerischer Ideen und Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. (Inwiefern es ihnen gelungen ist, die Standesschranken innerhalb der Logen wirklich zu überwinden ist noch ein eigenes Thema, das hier nicht vertieft werden kann.) Für unseren Zusammenhang ist lediglich wichtig, dass die Kirchen der Zeit und insbesondere die röm.-kath. Kirche in der Regel nicht in gleichem Maß Träger der Aufklärung waren, sondern im Gegenteil diese oft als Bedrohung empfanden. Nun hat sich die Aufklärung in Deutschland weit weniger kirchenkritisch entwickelt als etwa in Frankreich. Das Papsttum war eng mit den absolutistischen Fürstentümern verbunden. Dazu kam die Sorge um eine Relativierung von Grundwerten des Christentums durch den Deismus der Aufklärung, wie er in den Logen transportiert wurde. Dies führte zu einer deutlich ablehnenden Haltung der Päpste zur Freimaurerei.

Erster Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war die päpstliche Bulle „In Eminenti“, mit der Papst Clemens II. 1738 die Freimaurerei verurteilte. Die folgenden Jahrhunderte waren davon geprägt, dass sich die Gräben zwischen Papsttum und Freimaurerei noch vertieften. Die Ursachen dafür liegen einerseits in der zunehmend antimodernistischen Ausrichtung der röm.-kath. Kirche bis zum 2. Vatikanischen Konzil. Andererseits hat das freimaurerische Geheimnis seinen Teil zur Verschärfung der Spannungen beigetragen, denn dieses ermöglichte das Entstehen einer besonderen Literaturgattung: der Enthüllungsliteratur.

Grund 2: Der Satanismusvorwurf

 

Der Taxil-Schwindel

Leo Taxil, mit bürgerlichem Namen Gabriel Jogand-Pagés hatte während seiner Schulzeit in einer Jesuitenschule tiefen Hass gegen die katholische Kirche erworben und war ein scharfzüngiger Kirchenkritiker. 1881 war er in eine Freimaurerloge eingetreten, aus der er nach lediglich 7 Monaten wieder ausgeschlossen wurde. 1884 erschien eine neue päpstliche Bulle gegen die Freimaurer, und die brachte Taxil auf eine Idee, wie er sich an beiden, der Kirche und den Freimaurern, rächen könnte. 
Lautstark verkündete er seine Bekehrung zum Katholizismus und kündigte an, fortan im Dienste der Kirche die schrecklichen Geheimnisse der Freimaurer zu verraten. Er enthüllte, die Freimaurer seien alle Teufelsanbeter, in ihren geheimen Logenversammlungen trete der Leibhaftige persönlich auf und es würden wilde Orgien gefeiert. Seine Bücher wurden Bestseller. Selbst der Papst gewährte ihm Audienz und forderte ihn zum Weitermachen auf. Taxils Erfindungen wurden immer dreister. Er behauptete sog. Palladistenlogen, in denen die Teufel verkehrten, eine von ihnen gezeugte Tochter namens Diana Vaughan sei mit dem Teufel Asmodäus vermählt worden, dann aber ausgebrochen und würde nun an Taxils Seite an den Enthüllungen arbeiten. Zwölf Jahre lang trieb Taxil sein Spiel, bis seine Entlarvung drohte. 1897 lud er in Paris zu einer Pressekonferenz, bei der er besagte Teufelstochter erstmalig der interessierten Öffentlichkeit präsentieren wollte. Statt dessen offenbarte er der verdutzten Menge, dass er alles nur erfunden habe, um zu zeigen, wie leichtgläubig die Katholiken seien.  

Für die Geschichte der Freimaurerei und insbesondere das Verhältnis zum Christentum ist ein Vorgang wichtig geworden, der hier etwas im Detail dargestellt werden soll. Es handelt sich um die angeblichen Enthüllungen von Leo Taxil (siehe Kasten). Was sich dort als Bloßstellung einer bornierten und leichtgläubigen röm.-kath. Kirchenhierarchie darstellte, war in der Wirkung dennoch ein schwerer Schlag gegen die Freimaurerei, von dem sie sich bis heute nicht erholen konnte. Die vorurteilsbeladene Leichtgläubigkeit des Klerus ist vergessen, der Vorwurf des Satanismus in den Logen geistert aber weiter durch die Köpfe und ist nur schwer dort herauszubekommen.

 


Grund 3: Verschwörungstheorien

Ein anderer, ähnlich schwerer Schlag gegen die Freimaurerei wie der Taxil-Schwindel im 19. Jahrhundert stellt die antifreimaurerische Propaganda während der Nazi-Zeit dar, insbesondere die Propaganda des Ehepaares Ludendorff. Erich und Mathilde Ludendorff gehörten zu den Vordenkern der Völkischen Bewegung und der germanisierenden Rassetheorien des 3. Reiches. Mit zunehmenden Alter bekam Erich Ludendorff aber Wahnvorstellungen und entwickelte wilde Verschwörungstheorien, nach denen Freimaurer, Juden, Jesuiten und Kommunisten an allem Elend der Welt schuld seien und im Hintergrund geheime Fäden zögen. Von Erich Ludendorff stammen Bücher wie: „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse.“ (München: Ludendorff, 1927), „Schändliche Geheimnisse der Hochgrade“ (München: Ludendorff 1932). Die wirren Gedanken der Ludendorffs wurden von den Nazis bereitwillig aufgenommen und für ihre Politik der Zerstörung der Logen eingesetzt.

Die Verschwörungstheorien sind historisch unhaltbar, passen sachlich auch nicht zur Struktur der Freimaurerei, begleiten ihren Ruf seitdem aber und haften wie Pech. Begriffe wie „Freimaurerisch-zionistische Weltverschwörung“ sind leider keineswegs ausgestorben. Im Bahnhofsbuchhandel erhältliche Zeitschriften wie z.B. „Aufklärungsarbeit“ (vgl. Confessio 3/2003, S. 5) verbreiten solches Gedankengut und das Internet wimmelt von Verschwörungstheorien, in denen oft den mysteriösen Freimaurern eine zentrale Rolle zugedacht wird.

2. Reale Anhaltspunkte

Wie so oft im Leben beziehen die dreistesten Lügen ihre Plausibilität dadurch, dass sie an ein Fünkchen Wahrheit angekoppelt werden. Dies trifft in gewisser Weise auch auf die beiden eben genannten Punkte zu.

a) Satanismus: Grundsätzlich bleibt es dabei: Satanismus im eigentlichen Sinn wird man in Freimaurerlogen nirgends finden. Allerdings haben sich aufbauend auf die drei allgemeinen Grade Lehrling, Geselle und Meister noch verschiedene sog. Hochgradsysteme entwickelt. In diesen Hochgraden nehmen die esoterischen Anteile in den Ritualen und Legenden deutlich zu. Aus solchen Hochgradsystemen sind wiederum verschiedene magisch arbeitende Geheimgesellschaften hervorgegangen, u.a. auch der Ordo Templi Orientis, der wiederum gelegentlich mit Satanismus in Verbindung gebracht wird weil Aleister Crowley später dessen Leitung übernahm. Mit der regulären Freimaurerei hat dies aber nichts zu tun.

b) Verschwörungen: Freimaurer sind ein elitärer Zirkel. Es wird nicht jeder aufgenommen und mancherorts bildet sich so ein Club einflussreicher Personen eines Ortes. Dass dort manchmal auch geschäftliche Dinge beredet werden und so etwas geklüngelt wird, liegt in der Natur der Sache. Dies ist im Golf-Club nicht anders. Die traditionelle Geheimniskrämerei der Freimaurer in Ritualdingen kann aber die Fantasie erheblich anstacheln.

3. Kirche und Freimaurerei heute

a) Römisch-katholische Kirche

Die zunächst bestimmende radikal ablehnende Haltung ist oben bereits skizziert worden. Das 2. Vatikanische Konzil (1962-65) brachte eine gewisse Lockerung des Verhältnisses, die offizielle Gespräche ermöglichte. 1969 wurde von Rom eine Gesprächsgruppe eingesetzt, die mit den deutschen Freimaurern in Dialog trat und 1970 ihre Ergebnisse in der Lichtenauer Erklärung veröffentlichte. Das Dokument ist ein deutlicher Versuch, mit den Vorurteilen aufzuräumen und plädiert dafür, „dass die päpstlichen Bullen, die sich mit der Freimaurerei befassen nur noch eine geschichtliche Bedeutung haben und nicht mehr in unserer Zeit stehen. Wir meinen dies auch von den Verurteilungen des Kirchenrechtes, weil sie sich nach dem vorher Gesagten einfach nicht rechtfertigen lassen von einer Kirche, die nach Gottes Gebot lehrt, den Bruder zu lieben.“1 So enthusiastisch versöhnlich blieben die Töne nicht, aber es war ein gewisser Dammbruch weg von dem Transport von Vorurteilen hin zu einer inhaltlichen Beschäftigung. 10 Jahre später, im Mai 1980, veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz nach erneuten Dialoggesprächen eine Erklärung, die dennoch eine Unvereinbarkeit von katholischem Glauben und Freimaurerei feststellte. So heißt es in dem Text: „Die Freimaurerei hat sich in ihrem Wesen nicht gewandelt. Eine Zugehörigkeit stellt die Grundlagen der christlichen Existenz in Frage.“2 Als Gründe für die Unvereinbarkeit werden genannt:

1. Die Weltanschauung der Freimaurer, die nicht verbindlich festgelegt ist und deutlich relativistische und subjektivistische Tendenzen enthält. Damit zusammen hängt

2. der Wahrheitsbegriff der Freimaurerei, der objektive Wahrheitserkenntnis verneint und jegliche Dogmen ablehnt,

3. der Religionsbegriff der Freimaurer der alle Religionen gleich bewertet,

4. der Gottesbegriff der Freimaurer, der eine deistische Konzeption wiedergibt

5. der Offenbarungsbegriff, der eine Selbstoffenbarung Gottes nicht zulässt,

6. die Toleranzidee auch gegenüber konträren Auffassungen

7. die Ritualhandlungen, die sakramentsähnlichen Charakter aufweisen

8. die Erwartung einer Vervollkommnung des Menschen, die von Gnade und Rechtfertigung gelöst wird

9. die Spiritualität der Freimaurer, die einen Totalitätsanspruch der Zugehörigkeit auf Leben und Tod fordert.

1983 erschien der neue Codex Iuris Canonici in dem - welche Überraschung - die Freimaurer nicht mehr erwähnt wurden, folglich auch der seit 1917 bestehende Kirchenbann wegfiel. (In die Freude mischten sich schon Verschwörungstheorien, jetzt sei der Vatikan freimaurerisch unterwandert.) Diesen Verdächtigungen konnte noch im November des gleichen Jahres 1983 Kardinal J. Ratzinger abhelfen, als er die „Declaratio de associationibus massonicis“ veröffentlichte. Darin wurde die ablehnende Haltung gegenüber der Freimaurerei erneut zum Ausdruck gebracht, allerdings keine unmittelbar wirkenden Kirchenstrafen mehr damit verbunden. Gläubige, die Freimaurerlogen angehören, befinden sich nach dieser Erklärung in einem Stand schwerer Sünde.

b) Evangelische Kirche

In der Evangelischen Kirche wurde das Verhältnis in der Regel etwas entspannter gesehen. Eine Ausnahme stellt der evangelikale Bereich dar, wo die Verdächtigungen des Satanismus noch nachwirken und aufgrund ihrer großen Okkultangst manche ein leichtes Opfer von Verschwörungstheorien werden. An der Basis kann es also auch dort heftige Auseinandersetzungen geben, wie das Eingangsbeispiel gezeigt hat. Die offiziellen Kirchenleitungen haben auf evangelischer Seite aber bislang keine solche Unvereinbarkeit zwischen evangelischer Kirche und Freimaurerei gesehen. In den 1970er Jahren fanden die letzten offiziellen Gespräche zwischen Vertretern der deutschen Großlogen und der Evangelischen Kirche in Deutschland statt. 1973 wurde ein Ergebnisdokument veröffentlicht. In seinen für die Freimaurerei positiven Feststellungen wird ausgesagt:

„3. In ihrem Gottesverständnis und in ihrem ethischen Wollen steht die Freimaurerei in keinem ausschließenden Gegensatz zum Christentum. ...“

6. „[Die kirchlichen Gesprächspartner] haben es den freimaurerischen Gesprächspartnern abgenommen, dass das Ritual nach seiner Intention und seiner Gewichtigkeit weder Ersatz für den Gottesdienst und das Sakrament ist, noch dem evangelischen Glauben entgegensteht.“ Somit kommen sie zu dem Fazit: „7. Ein genereller Einwand gegen eine Mitgliedschaft evangelischer Christen in der Freimaurerei kann nach Meinung der evangelischen Gesprächsteilnehmer nicht erhoben werden. Die Entscheidung über die Mitgliedschaft in der Freimaurerei muss dem freien Ermessen des Einzelnen überlassen werden.“3

Der einzige kritische Paragraf ist auch sehr vorsichtig formuliert, dennoch gibt er zu denken:

„5. Es war für die kirchlichen Gesprächspartner nicht möglich, sich über das Ritual in seiner Bedeutung und Erlebnisqualität eine abschließende Meinung zu bilden. Dabei bewegte sie die Frage, ob das Ritualerlebnis und die Arbeit des Maurers nicht die Rechtfertigung aus Gnaden in ihrer Bedeutung für den evangelischen Christen mindern könnten.“

Diese Frage soll den Übergang zu meinem letzten Punkt bilden, in dem ich aus eigener Perspektive versuchen möchte, das Verhältnis von Kirche und Freimaurerei zu beschreiben.

c) Die eigene Perspektive

Grundsätzlich gilt, dass es eine Aufgabe christlicher Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit darstellt, die Freimaurer vor allen ungerechtfertigten Anschuldigungen und Verdächtigungen in Schutz zu nehmen, denen sie im Laufe der Geschichte ausgesetzt waren. Dazu zählen insbesondere die vorhin erwähnten Vorwürfe des Satanismus und der Weltverschwörung. Was bleibt, sind inhaltliche Anfragen, die weiter mit Freimaurern diskutiert werden müssen.

1) Freimaurerei und Religion:

Freimaurer verstehen ihren Bund mehrheitlich nicht als Religion, wobei auch dies gelegentlich intern kontrovers diskutiert wird. Die Definition kann vielleicht auch offen bleiben. Wichtiger scheint mir die Frage, welche Funktion die Mitgliedschaft für das einzelne Mitglied annimmt. Das kann individuell verschieden sein. Im Grundsatz besteht zwischen Freimaurerei und evangelischer Kirche zwar keine absolute Unversöhnlichkeit, aber doch eine gewisse Konkurrenzsituation in manchen Bereichen.

2) Selbstvervollkommnung und Heiligung:

Das, was die Freimaurer als Arbeit am rauhen Stein bezeichnen: die Arbeit an der eigenen Selbstvervollkommnung, ist zunächst ein ehrenwertes ethisches Ziel. Christen kennen dies unter dem Begriff der Heiligung. Dort allerdings steht dies in einer direkten inneren Beziehung zum Erlösungsgeschehen: Weil ich mich von Christus geliebt, erlöst und angenommen weiß, bekomme ich die Kraft, an meinem Leben zu arbeiten. Diese Reihenfolge von Indikativ vor dem Imperativ ist prägend für die christliche Theologie. Bei der freimaurerischen Ritualarbeit fällt der erste Teil aber weg.

3) Ritual und Sakrament:

Der Evangelische Bund Sachsen hatte kürzlich ein hoch interessantes Gespräch mit dem Meister vom Stuhl einer sächsischen Loge. Dieser hatte eine typische DDR-Biografie, war kein Christ und vor Kurzem das erste mal in seinem Leben in einer Kirche. Je mehr er aber davon erzählte, was das Ritual für ihn bedeutet, desto mehr wurde deutlich, dass es für ihn gottesdienstliche Funktion einnimmt. Als Psychologe hat er diesen Eindruck spontan voll bestätigt.

4) Zeit und Engagement - für wen?

Das letzte Argument ist eher banal und alltäglich, aber dennoch nicht unwichtig: Wofür investiere ich meine Zeit und mein Engagement? Provokativ gesagt: Das Engagement, die Zeit und die Hingabe, die Freimaurer ihrer Loge bringen, wünsche ich mir von Christen für die Gemeinde. Mitunter schielen wir neidisch auf das hohe Engagement der Mitglieder von Freikirchen und sehen, was damit auch eine zahlenmäßig kleine Gemeinde für Aufgaben schultern kann. Darum finde ich, dass diese Investition der Kirchgemeinde zugute kommen sollte.

Es geht hier nicht darum, in sektiererische Enge abzurutschen und den Christen keine außerkirchliche private Beschäftigung zu erlauben. Eine Freimaurerloge ist aber mehr als ein Kaninchenzüchterverein. Es ist - um im Bild zu bleiben - ein „Menschenzüchterverein“, der seine Mitglieder zu ethisch hochstehenden Menschen erziehen will. Das ist ein Ziel, das Christen durchaus achten, dass sie aber nicht außerhalb, sondern innerhalb der Gemeinde suchen sollten.

Zurück zu Mozart: Von daher finde ich es in Ordnung, dass er nur einmal eine Oper mit Anspielungen auf den Einweihungsritus der Freimaurer, aber 11 mal den vollständigen Ritus der katholischen Messe vertont hat.

Harald Lamprecht

1. Lichtenauer Erklärung zu dem Dialog Katholische Kirche und Freimaurerei, in: Rolf Appel, Herbert Vorgrimler: Kirche und Freimaurer im Dialog, Frankfurt a.M. 1975, 84.

2. Die Deutsche Bischofskonferenz zum Verhältnis katholische Kirche und Freimaurerei in Deutschland (April 1980), in: Jürgen Holtorf: Die Logen der Freimaurer, Hamburg 1991, S. 171.

3. Zit. nach Pöhlmann: Verschwiegene Männer, 188.

Eine frühere Fassung dieses Artikels enthielt an dieser Stelle einen Absatz, in dem erwähnt wurde dass Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, Mitglied einer Dresdner Freimaurerloge gewesen sei. Dies ist falsch. Der im Dresdner Logenbuch geführte Graf von Zinsendorf (Schreibweise mit „s“) kann nicht mit dem Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf identisch sein, weil dieser zu den Zeiten, als jener in der Loge aktiv war, gar nicht in Dresden sondern in Holland (1759) weilte bzw. bereits verstorben war (1764 und 1765).  

 


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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 6/2006 ab Seite 11