Charismatisches Christentum - Bereicherung oder Bedrohung

Landestagung des Evangelischen Bundes Sachsen in Bautzen (2006)

Wie ist es um das Verhältnis zwischen pfingstlich-charismatischen Christen und Mitgliedern der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens bestellt? Leben und glauben wir miteinander, nebeneinander oder gegeneinander? Zu diesem Thema hatte der Evangelische Bund Sachsen in Zusammenarbeit mit dem Kirchenbezirk Bautzen zu seiner Landestagung 2006 in Bautzen eingeladen.

Bei der Suche nach theologisch verantwortlichen Lösungen in diesen Auseinandersetzungen ging es vordergründig um eine innerevangelische Klärung: Wie weit bzw. an welchen Stellen können und sollten lutherische Gemeinden den charismatischen Bewegungen entgegen gehen? Wo sind andererseits Abgrenzungen und deutlicher Widerspruch gefordert?

Auf der einen Seite stehen große Ängste. Erfahrungen der Trennung, Konflikte um die rechte Gestaltung des christlichen Lebens und die Taufe prägen nicht selten die Auseinandersetzungen. Daraus folgen Stimmen, die eine deutliche Abgrenzung fordern. Auf der anderen Seite gibt es auch innerhalb der Ev.-Luth. Landeskirche viele Christen, die diesen Bewegungen offener gegenüberstehen, in ihren Anliegen zum Teil berechtigte Forderungen erblicken und sich für eine Aufnahme charismatischer Elemente in die landeskirchliche Praxis einsetzen.

Grundgedanken aus dem Referat und dem Seminar von Prof. Zimmerling sowie den Diskussionen auf der Tagung sollen im Folgenden wiedergegeben werden, um auch anderenorts als Denkanstöße wirken zu können.

Vielzahl von Bewegungen

Beim Reden von Pfingstlich-charismatischen Bewegungen sind 4 verschiedene Segmente zu unterscheiden: Josuagemeinde

Traditionelle selbständige Pfingstkirchen, die auf den Aufbruch 1906 in Los Angeles zurückgehen und durch einen Prozess der Kirchwerdung heute faktisch eine 4. Konfession neben Orthodoxie, Katholizismus und reformatorischen Kirchen bilden.

Charismatischer Aufbruch innerhalb der traditionellen Konfessionen, der seit den 1960er Jahren in fast allen Konfessionen erfolgt ist (Ausnahme: Orthodoxie) und als innerkirchliche Bewegung Impulse aus den traditionellen Pfingstkirchen aufgenommen hat.

Evangelikal geprägte Christen mit Offenheit für charismatische Theologie und Glaubenspraxis, die sich in so geprägten überkonfessionellen Missionswerken engagieren (z.B. Jugend mit einer Mission), aber selbst keine eigenen Gemeinden gründen.

Neupfingstliche Gruppen, die in neu gegründeten unabhängigen Gemeinden organisiert sind und großen Wert auf äußerlich sichtbare Machtzeichen und Machterweise Gottes legen.

Für alle diese Richtungen ist charakteristisch, dass sie primär Frömmigkeitsbewegungen sind. Das bedeutet, dass weniger neue theologische Erkenntnisse, sondern persönliche Glaubenserfahrungen zu ihrer Entstehung bzw. zur Entscheidung für ein Engagement in ihnen geführt haben. Zu solchen Erfahrungen gehört die Entdeckung eines besonderen (wunderhaften) Wirken des Geistes Gottes verbunden mit dem Gefühl, Teil eines weltweiten und ökumenischen Aufbruchs zu sein. Insofern verstehen sich auch die Mitglieder der 4. Gruppe, obwohl organisatorisch selbständig, als Glieder einer weltweiten Bewegung.

„Geistestaufe“ und Charismen

Im Neuen Testament werden eine Fülle unterschiedlicher Erfahrungen des Heiligen Geistes berichtet. Allerdings wird dies nirgends - auch nicht in der Apostelgeschichte - zu einer systematischen Lehre von einer „Geistestaufe“ ausgebaut. Im Gegenteil fällt auf, dass die Begriffe für ein nicht-spektakuläres Wirken des Geistes weithin in der Überzahl sind. Die Fähigkeit, Gott zu loben, in eine Gemeinde eingegliedert zu werden oder mit Freimut sprechen zu können gehören ebenso dazu wie Heilungen. Wo spektakuläre Formen genannt sind, scheinen sie mit besonderen äußeren Umständen zusammen zu hängen: z.B. wird der Geistempfang zu Pfingsten als ein besonderes Ereignis in der Heilsgeschichte beschrieben.

Folglich ist festzuhalten, dass die Geisterfahrung einen Aspekt des christlichen Glaubens darstellt - nicht mehr und nicht weniger. Der charismatischen Bewegung ist Recht zu geben, dass solche besonderen Erlebnisse im Leben eines Christen vorkommen können und positiv zu bewerten sind, wenn sie zu einem vertieften Glauben hinführen. Kritisch ist demgegenüber anzumerken, dass diese Erfahrungen sehr unterschiedlich sein können und immer an den Christusglauben zurückgebunden bleiben müssen. Neben besonderen Geisterfahrungen stehen Buße, Umkehr, Taufe, Eingliederung in die Gemeinde und andere Elemente des Christseins. Nicht jeder Aspekt muss in jedem Christen zu einer bewussten Erfahrung werden.

Die Wiederentdeckung der Charismen ist theologisch zu begrüßen. Sie hilft dabei, auch biblische Erfahrungsberichte nicht mehr nur durch die reduzierte Brille landeskirchlicher Erfahrung zu lesen und damit bestimmte Bereiche neutestamentlicher Wirklichkeit auszublenden.

„Übernatürlich“?

Allerdings ist auch hier auf die Vielfalt der neutestamentlichen Berichte zu achten. In der Begeisterung für das sog. „Übernatürliche“ treten sonst andere Charismen zurück, wie z.B. die Gemeindeleitung, Gastfreundschaft etc. In diesem Licht ist die Definition der Charismen als Durchbrechung der Naturgesetze problematisch, denn sie bringen eine Betonung des Außergewöhnlichen mit sich und leugnet Gottes Wirken in den alltäglichen Dingen. Dabei sind die verschiedenen Charismen zum Erhalt einer Gemeinde unterschiedlich notwendig. Oft sind die „gewöhnlichen“ Charismen sogar wichtiger: Eine Gemeinde kann lange existieren, ohne dass in ihr jemand das Charisma der Glossolalie (Zungenrede/Sprachengebet) besitzt (wie die landeskirchliche Realität beweist). Sie kann aber nicht bestehen, wenn es niemanden in ihr gibt, der das Charisma besitzt, mit Geld umzugehen. Paulus’ Ausführungen in 1 Kor 12-14 sind faktisch eine schroffe Beschränkung der Glossolalie (höchstens 2 oder 3 dürfen in Zungen beten und auch nur, wenn dies ausgelegt wird), die bis heute in pfingstlichen Gemeinden meist nicht eingehalten wird. Das Problem innerhalb der Landeskirchen ist aber in der Regel nicht, dass es zu viele spektakuläre Charismen gibt, sondern zu wenige (nämlich meistens keine). Die Wiedergewinnung der Charismen in den Gemeinden ist folglich eine Aufgabe, die des Interesses und der Pflege bedarf. Dabei sollte stets im Sinne des Paulus die Einbindung in die Gemeinde und in die Reihe der unspektakulären, aber nützlichen Charismen Priorität besitzen. Dies kann geschehen durch:

  • Gebet um Weckung von Charismen
  • Suche nach Gaben, die in den Gemeindegliedern angelegt sind
  • Integration der Gaben in die Gesamtpersönlichkeit.

Charismen sind nur dann echt, wenn sie eine ganz persönliche Färbung in dem Gabenträger erhalten.

Orientierung am Geist

Während in der reformatorischen Tradition Jesus Christus im Zentrum des Glaubens steht, sind in der Pfingstbewegung die anderen trinitarischen Personen hinter dem Heiligen Geist zurückgetreten. Von charismatischer Seite kann dies als Reaktion auf die Geistvergessenheit der Kirchen bezeichnet werden. Wo damit aber eine Verengung und Vernachlässigung des 1. und 2. Artikels des Glaubensbekenntnisses verbunden ist, zeigen sich schwere Probleme:

Wenn der Schöpfer zu sehr in den Hintergrund tritt und aus dem Blick gerät, dass die Welt Schöpfung ist, kommt es leicht zu einer thriumphalistischen Fehlinterpretation des Christseins. Der Geist wird dabei vor allem als der siegreiche Geist verstanden, der Anteil an Gottes Herrlichkeit und seiner Macht verleiht. Wer den Geist Gottes aber nicht mehr als den Geist des Gekreuzigten sieht, kann mit Erfahrungen des Scheiterns als Christ nicht mehr klar kommen. Die Geschichte der charismatischen Bewegung ist voll von Beispielen für solche Probleme, wenn z.B. Krankheit grundsätzlich nicht als Wille Gottes verstanden werden kann. Sogar das Beispiel des Paulus lehrt aber, dass dies eine Fehlinterpretation des biblischen Zeugnisses wäre und Gott sehr wohl mit Krankheiten auch Absichten verbinden kann (2 Kor 12,7-9).

Alf Mudrich

Lobpreis und Anbetung

Symptomatisch zeigt sich diese Prägung auch in der Betonung von Lobpreis und Anbetung. Während sich im traditionellen lutherischen Gottesdienst das Lob Gottes im Choral durch den gesamten Gottesdienst zieht, ist im pfingstlichen Gottesdienst üblicherweise die Anbetung auf eine Phase am Beginn konzentriert. Dadurch mag der Eindruck entstehen, sie hätte dort eine größere Bedeutung, was faktisch aber nicht stimmt. Die häufige Beschränkung auf den Musikstil des 16. Jh. im lutherischen Gottesdienst wird durch die Beschränkung auf einen anderen Musikstil (meist: amerikanischer Sacro-Pop) ersetzt, der andere, aber nicht in jedem Fall breitere Zielgruppen anspricht.

Positiv festzuhalten ist die Wiederentdeckung der Ganzheitlichkeit des biblischen Gotteslobes, die auch körperliche und sogar ekstatische Ausdrucksweisen mit einschließen kann (vgl. 2 Sam 6, David tanzt vor der Bundeslade).

Unfähigkeit zur Klage

Problematisch ist die Unfähigkeit zur Klage. Charismatische Gebetshaltung ist oft so auf das spontane Wirken Gottes hier und jetzt fixiert, dass die Dankbarkeit für das Handeln Gottes in der Vergangenheit dahinter ebenso zurück treten kann wie die Hoffnung auf Gottes Handeln in der Zukunft. Weil Klage aber von einem Defizit in der Gegenwart ausgeht und von der Hoffnung lebt, hat sie in charismatischer Anbetung fast keinen Raum. In dem Maß, wie die Konzentration auf das machtvolle Handeln Gottes gelegt wird, wie Leid nur als etwas zu Überwindendes oder in proklamatorischen Aussagen als bereits Überwundenes genannt wird, kann es keine Sprache in der Klage finden. In der Konsequenz sind viele charismatische Lieder auffallend wirklichkeitsfern und regelrecht weltlos. Dies ist insbesondere im Vergleich mit den Psalmen auffällig, in denen Klage und Lob ganz anders ineinander greifen und die realen Bedrängnisse der Beter z.T. extrem deutlich zu spüren sind. An dieser Stelle hat sich die Pfingstbewegung offenbar zu stark von der Gemütslage der amerikanischen Gesellschaft prägen lassen und mit der Ausblendung der Klage zur religiösen Legitimation amerikanischer Lebensphilosophie beigetragen.

Einzelner und Gemeinschaft

In vielen pfingstlich-charismatischen Gemeinschaften findet man eine stufenweise Organisation mit zwei im Grad der Verbindlichkeit verschiedenen Gemeinschaftsformen:

a) offene Gemeinschaftsangebote wie Lobpreisgottesdienste, Seminare und Kongresse sind auch für Christen aus der Landeskirche attraktiv und erfordern weniger Verpflichtung als die Zugehörigkeit zu einer Gemeindegruppe in der Landeskirche. Diese Formen entsprechen der nachmodernen Scheu vor institutionellen Bindungen und längeren Verpflichtungen.

b) verbindliche Gemeinschaftsformen wie Hauskreise, Gebetskreise oder sogar charismatische Lebensgemeinschaften ergänzen die offenen Formen und binden das einzelne Mitglied in eine überschaubare Gemeinschaft relativ fest ein. Der Gebetskreis ist i.d.R. die Basisgruppe, aus der heraus neue Gemeinden gegründet werden und nach innen die wichtigste Gemeinschaftsform.

Gemeinschaft und Kirche

Die Verbundenheit mit einer der Einzelgemeinde übergeordneten Kirchenorganisation ist meistens sehr gering ausgeprägt. Weil charismatisch-pfingstliche Gruppierungen nicht in erster Linie aus lehrmäßig-theologischen Erwägungen, sondern aus veränderter Frömmigkeitspraxis entstanden sind, haben sie oft kein eigenes vertieftes Verständnis von der Kirche (Ekklesiologie) entwickelt. Darum ist es möglich, dass viele Gründer neuer Gemeinden, die vom amerikanischen Independationalismus geprägt sind, dies für den vom Geist Gottes eingegebenen Gemeindebauplan halten. Biblisch begründet ist dies aber nicht. Das Neue Testament zeigt hier eine ganz andere Perspektive:

Kreuz

Paulus, Vorbild aller Gemeindeneugründer, legte allergrößten Wert darauf, dass seine neuen Gemeinden gerade nicht völlig unabhängig werden, sondern organisatorisch in die Gesamtkirche eingebunden bleiben. Dies zeigt sich nicht in erster Linie in detaillierter Übereinstimmung in Fragen der Lehre und praktischer Frömmigkeit - im Gegenteil, dort konnte es größere Unterschiede zwischen Juden- und Heidenchristen geben. Die Verbindung zeigt sich auf der Ebene der Organisation - sichtbar in einem Finanzverbund der paulinischen Gemeinden mit der „Urgemeinde“ in Jerusalem. Paulus war diese sichtbare Einheit so wichtig, dass er dafür sein Leben riskierte und schließlich auch opferte, als er entgegen dem Rat seiner Freunde die gesammelte Kollekte persönlich nach Jerusalem überbrachte.

Konfliktthema Gemeindespaltung

Die schwersten Konflikte zwischen Landeskirche und neuen Gemeinden ergeben sich meist aus den Trennungsprozessen, wenn es im Zusammenhang mit den Gemeindeneugründungen zu Abspaltungen aus landeskirchlichen Gemeinden kommt. Diese Konflikte belasten oft über Jahre hinweg das Verhältnis zueinander und lassen einen unbefangenen Umgang miteinander sehr schwer werden. Mitunter haben diese Auseinandersetzungen große Ähnlichkeit mit Konflikten bei Ehescheidungen. In beiden Fällen sind sehr starke Emotionen beteiligt, die aus gegenseitigen Verletzungen resultieren, welche nur sehr langsam heilen. Normale ökumenische Kontakte wie zu den klassischen Freikirchen sind dadurch vor Ort oft extrem schwierig. Man könne auch nicht die Scheidung erklären, aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, und zwei Wochen später wieder kuscheln kommen wollen, als wäre nichts gewesen.

Diese Probleme wurden auf dem Studientag in Bautzen von den Teilnehmern aus der Sicht von Mitgliedern landeskirchlicher Gemeinden deutlich formuliert. Wie soll man sich verhalten, wenn Mitglieder einer freien Gemeinde, die vor nicht allzu langer Zeit aus der Kirche ausgetreten sind, plötzlich zum Gottesdienst erscheinen und am Abendmahl teilnehmen wollen? Soll man sie ausschließen? Oder ist das ein unausgesprochener Antrag auf Wiederaufnahme? Oder haben sie sich gar nichts weiter dabei gedacht?

Ergebnisse

Charismatisches Christentum - Bereicherung oder Bedrohung? Für beide Aspekte ließen sich Beispiele benennen. Vielleicht kann eine einfache Formel für die Praxis eine Hilfe sein: Die Bedrohung lässt sich verringern, indem die Bereicherungen aufgenommen werden. In dem Maße, wie die berechtigten Anliegen charismatischen Christentums in der landeskirchlichen Praxis Eingang finden, reduziert sich der Bedarf, dies außerhalb zu suchen.

So sieht zumindest das Ideal aus. Realistischerweise wird man die Erwartungen nicht zu hoch hängen dürfen: weder lassen sich gewachsene Strukturen einfach ändern, noch lassen sich Konversionsprozesse in jedem Fall verhindern. Dennoch lohnt es die Mühe. Die Sorgen derer, die auf schroffe Abgrenzung bedacht sind, weil sie einen Dammbruch befürchten, sollten sich an die reformatorische Grundeinsicht erinnern lassen, dass die Kirche immer wieder nach Gottes Wort reformiert werden muss. Wo die charismatischen Bewegungen biblische Einsichten wieder aufnehmen, verdienen sie Beachtung und Raum auch innerhalb der Kirchen. Viele Stichworte begegnen uns auch in anderen Kontexten wieder, sei es in den „Leuchtfeuern“ der EKD-Zukunftsperspektiven, als auch in Beiträgen auf dem Theologenkongress in Leipzig.

Was wir brauchen

Zusammenfassend einige Stichworte zu den Bereicherungen, die auch landeskirchlichen Gemeinden von Nutzen sein können:

  • Offenheit für Vielfalt: verschiedene Musikstile, verschiedene Anbetungsformen, Richtungsgemeinden im städtischen Raum, Abwechslung im ländlichen Raum.
  • Bindung an die Einheit der Kirche: Die verschiedenen Angebote müssen zusammengebunden und zusammengehalten werden. Dies erfolgt nicht von allein, sondern bedarf zielgerichteter Mühe und Anstrengung!
  • Erlebnisbezogene Glaubensvermittlung: Das Evangelium wird nicht nur über den Verstand aufgenommen. Formen, die helfen, Glaubensaussagen mit sinnlich erfahrbaren Elementen zu verbinden, sollten bewusst gesucht werden (z.B. Handauflegung, Krankensalbung etc.).
  • Gabenorientierter Gemeindeaufbau: Eine stärkere Einbeziehung vieler Gemeindeglieder in klar abgegrenzte Funktionen im Gottesdienst und in der Gemeinde stärkt die Verbundenheit.
  • Theologische Bildung: Um den immer vorhandenen Kräften zum Separatismus auch argumentativ wehren zu können, sollte insbesondere in der kirchlichen Jugendarbeit eine intensive Beschäftigung mit den Themenfeldern „Kirche“ und „Taufe“ erfolgen.

Was wir vermeiden sollten

Auch die Warndreiecke dürfen nicht fehlen, die auf mögliche Gefahren hinweisen:

  • Geistlicher Hochmut: gerade hoch engagierte Gemeindegruppen stehen in der Gefahr, verächtlich auf „normale“ „laue“ Gemeindeglieder herabzusehen. Es gibt aber bei Gott keine Christen erster und zweiter Klasse. Das Neue Testament ist voll von eindrücklichen Bildern, die vor einer Leistungsfrömmigkeit bewahren sollen (z.B. Tagelöhner Mt 20, Pharisäer und Zöllner Lk 18, 9-14)
  • Separatismus: Der geistliche Hochmut kann in Verbindung mit Frust über Begrenzungen der eigenen Aktivitäten durch die „Traditionellen“ zunächst eine innere und dann auch eine offene Separation fördern. Dies ist zwar menschlich verständlich, widerspricht aber dem biblischen Vorbild.
  • Thriumphalismus und Weltflucht: Gott war sich nicht zu schade, selbst in diese Welt zu kommen. Darum dürfen wir sein Wirken auch in den alltäglichen Dingen entdecken. Nicht nur im „Übernatürlichen“ begegnen wir Gott, sondern auch im „Normalen“ und mitunter im Leiden tiefer als im Erfolg.

Diese Aspekte sind gewiss ergänzungsfähig. Es lohnt sich, weiter über diese Thematik nachzudenken, denn ein einladendes Christentum und die Stärkung der Einheit des Leibes Christi schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen einander.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2006 ab Seite 07