Datensammlung und Landkarten zur Religionen in Europa
An der Universität Luzern werden seit Jahrzehnten Daten über Religionen in Europa aus vielfältigen Quellen zusammengetragen und mit der Unterstützung von Computerexperten in ein vergleichbares Format gebracht. Auf diese Weise lassen sich Daten unterschiedlicher Herkunft gemeinsam auswerten.
Ein Ergebnis dieses breit angelegten Forschungsprojektes ist nun im Internet öffentlich zugänglich. Auf smre-data.ch stehen die aufbereiteten Daten in verschiedenen Formen zur Verfügung. Augenfälligste Variante ist die automatische Generierung von Kartendaten zu unterschiedlichen Aspekten der Religiosität in Europa.
So lässt sich z.B. auf einen Blick die vorherrschende religiöse Bindung in den Ländern Europas visualisieren, wobei die jeweils stärkste Gruppe den Ausschlag für die Färbung des ganzen Landes gibt. Es lassen sich je nach Datenquelle unterschiedliche Zeiträume auswählen und auf diese Weise auch Entwicklungen sichtbar machen. So hat sich auch in Deutschland die Gewichtung verschoben. Stellte in der Periode 1996-2005 noch die Röm.-Kath. Kirche den größten Bevölkerungsanteil, so sind es nun die diffuse Gruppe der „Nicht-Religiösen“. Im Blick auf die religiöse Pluralisierung gilt Deutschland als „Fragmented“ in dem Sinn, dass keine Gruppe mehr als 35% der Bevölkerung stellt. Deckt die größte religiöse Gruppe bis zu 60% der Bevölkerung ab, sprechen die Forscher von einer „Pluralisierten“ Region. Sind es mehr, gilt die religiöse Prägung als „dominant“. Im Blick auf die Pluralisierung zeigen die Karten Deutschland als die am stärksten fragmentierte Region in Europa.
Mit Klick auf die jeweiligen Länder kann man tiefer in die Daten eintauchen und z.B. auch die verschiedenen Datenquellen im Vergleich betrachten. Das befördert ein Gefühl dafür, mit welchen Schwankungen in den Zahlenangaben die Forscher zurechtkommen müssen. So haben die Daten je nach Erhebungsmethode mitunter eine deutliche Schwankungsbreite. Die Zahl der Muslime in Deutschland schwankt in dieser Periode zwischen 1,2% (WVS Wave 5 Germany 2006) und 5,8% der Bevölkerung (PEW 2010), die der Protestanten zwischen 34,4% (International Social Survey Programme 2013) und 27,4 (European Social Survey 2014). Zeitvergleiche lassen sich daher nur innerhalb derselben Untersuchungsmethode sinnvoll anstellen. Unter „Data Description“ ist zu jedem Dataset neben Beschreibungen zur Stichprobe auch die Fragestellung dokumentiert, die zu diesem Zahlenergebnis geführt hat.
Beachtlich ist, dass diese Daten nicht nur für die großen, sondern für alle europäischen Länder aufbereitet vorliegen und gemäß Open-Data-Ansatz frei verwendet werden können. Dafür stehen Exportmöglichkeiten in unterschiedlichen Formaten bereit.
Die Kategorisierung und visuelle Aufbereitung der Daten folgt pragmatischen Gesichtspunkten potenzieller Nutzer und ihrer Fragestellungen in Europa. Für die Interpretation der Ergebnisse bleibt zu bedenken, ob es sachlich angemessen ist, z.B. das Christentum in mehrere Zweige aufzuspalten, die dann als einzelne „Religionen“ behandelt werden (Katholiken, Protestenten, Orthodoxe, andere Christen), während z.B. die absolut heterogene Schar der Nicht-Religiösen zu einer Gruppe zusammengefasst wird, die nun z.T. als stärkste „Religion“ in den Karten erscheint. Würde man die Christen sachlich korrekter als eine Religion betrachten, wären die Kartenbilder relativ langweilig. Für eine Aufgliederung der Nicht-Religiösen in bekennende Atheisten, religiös Indifferente, spirituell Suchende, hedonistische Materialisten etc. fehlen wiederum die Daten.
Die Forscher in Luzern haben mit der Aufbereitung und Nutzbarmachung dieser Daten eine große Leistung vollbracht. Für weitere wissenschaftliche Untersuchungen, aber auch für den Religionsunterricht, steht hier solides und gut nutzbares Karten- und Datenmaterial zur religiösen Lage in Europa bereit.