Yoga als Schulpflichtfach?

Kinderyoga soll Pflichtfach in Berliner Grundschule werden

In einem Artikel vom 28. 10. 2006 berichtete die Berliner Tageszeitung „taz“, dass die Niederlausitz-Grundschule in Kreuzberg die erste Schule deutschlandweit sei, die Yoga zum Pflichtfach gemacht habe. Der wohlmeinende Artikel gibt die Auffassung der Anbieter wieder, dass beim Kinderyoga die Mädchen und Jungen lernen, ihre Konzentration und Wahrnehmungsfähigkeit zu verbessern, aber auch Mitgefühl und Toleranz zu entwickeln. Bereits seit 1990 unterrichtet die Yogalehrerin Petra Proßowsky Kinderyoga an dieser Schule und seit dem Jahreswechsel haben alle Kinder der ersten und zweiten Klasse regulären Yogaunterricht. Was über die Übungen berichtet wird, klingt zunächst erstmal gut: Kinderyoga sei ganz anders als Yoga für Erwachsene. „Die Kinder brüllen dabei wie Löwen, wandeln sich von einer ‚Angsthasenblume‘ in eine ‚stolze Blume‘ oder summen wie eine Biene. Sie tauchen in Fantasiegeschichten ein, in denen Tiere aus aller Welt vorkommen, machen Traumreisen oder geben sich gegenseitig eine ‚Bärenmassage‘. Sich wiederholende Rituale, wie eine Minute still sein und gute Wünsche in die Welt schicken, geben den Kindern Sicherheit und Orientierung. Viele Yogaübungen wirken auf das Zusammenspiel der beiden Gehirnhälften und verbessern die Koordinationsfähigkeit, das Körpergefühl und die Konzentration.“1

Sogar Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) sollen von den Yoga-Kursen profitieren und lernen, zur Ruhe zu kommen, heißt es in dem Artikel.

Auf der zugehörigen Internetseite www.kinderyoga.de wird das Projekt ausführlicher vorgestellt. Auffällig ist dabei das völlige Fehlen einer Reflexion über die religiösen Wurzeln und Komponenten des Yoga. In den Texten werden allein die Körperübungen beschrieben, ihre tolle Wirkung auf alle möglichen Fähigkeiten gepriesen und lediglich beiläufig darauf hingewiesen, dass Kinder auch „einen leichteren Zugang zu den spirituellen Inhalten“ des Yoga hätten.2 Was dieser „spirituelle Inhalt“ ist und wie der Lehrer ihn versteht und füllt, bleibt im Dunkeln. Dass es sich aber auch beim Kinderyoga dabei um hinduistische Glaubensinhalte handelt, wird allenfalls aus Sätzen wie diesem erkennbar: „Auf einer tieferen Ebene erfahren die Kinder Hilfe auf ihrem Weg der Inkarnation in dieses Leben.“ Hier wird - ohne es freilich zu betonen - eine Reinkarnationsvorstellung vorausgesetzt. Vor dem Missbrauch der Schulpflicht zu subtiler religiöser Beeinflussung unter dem Deckmantel der Entspannungsübung muss aber gewarnt werden.

Es gilt hier, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Gegen gymnastische Übungen zur Abwechslung im Schulalltag ist aus christlicher Sicht nichts einzuwenden, egal ob sie Yoga heißen oder nicht. Da sie aber ausdrücklich als „Yoga“ bezeichnet und auch die dahinterstehende „Philosophie“ angesprochen wird, müssen Fragen nach den religiösen Hintergründen erlaubt sein. Dass dies nicht nur eine Berliner Frage ist zeigt die Adressliste auf der Website, die allein in Sachsen bereits 14 Kontaktadressen mit Anbietern von Yoga-Kursen für Kinder ausweist.

taz

Artikel-URL: https://confessio.de/news/363

Autor
HL
Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 6/2006 ab Seite 03