Lateinische Messe
Lateinische Messe in Rom

Katholizismus in Rom

Impressionen einer Bildungsreise

Vom 15. bis 22. Oktober diesen Jahres nahm ich an einer Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer teil, die von den Religionspädagogischen Instituten (RPI) der beiden hessischen Landeskirchen in Kooperation mit dem Centro Melantone1 erarbeitet und nun schon zum sechsten Mal durchgeführt wurde. Die Reise wurde organisatorisch und inhaltlich geleitet von Studienleiter Christian Marker, RPI Fulda, und Pfarrer Dr. Jochen Rexer, Tübingen. Das Programm hatte drei Schwerpunkte, die durch einführende Referate begleitet wurden.

  1. Katholische Kirche in actu – Teilnehmen und Erleben von Andachten und Gottesdiensten,
  2. Begegnungen und Gespräche und
  3. Besichtigungen vorwiegend christlicher Bauten.

Die diesjährige Fortbildung stand unter besonderen Schwierigkeiten, da im Reisezeitraum mehrere Heiligsprechungen in Rom stattfanden und so das Kloster, das bisher immer die Teilnehmenden dieser Studienreise beherbergt hatte, als Quartier nicht zur Verfügung stand. Die Räumlichkeiten wurden für die eigenen Ordensleute gebraucht, da auch der Ordensgründer zu den neuen Heiligen gehörte. Katholizismus in Rom.

Lateinische Messe

Auf diese Weise der nächtlichen Klausur enthoben, hatten wir Glück, in einem Hotel ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs untergekommen zu sein, nur 5 Minuten entfernt von einer der vier großen Papstkirchen, Santa Maria Maggiore. Dorthin führte uns am Sonntag auch unser erster Gang: Ein Gottesdienst mit dem für diese Basilika zuständigen Kardinal in Form der Lateinischen Messe. Vor dem Gottesdienst gab Dr. Rexer eine liturgiegeschichtliche Einführung in den christlichen Gottesdienst.

Trotz der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils mit Einführung der Messe in den Landessprachen ist es seit einigen Jahren wieder möglich und üblich, die Messe auf Lateinisch zu halten, wenn auch nicht jede Woche. Musikalisch wurde die Messe ausgestaltet und getragen von einem Männerchor, der auch als Schola fungierte, und Orgelmusik. Der schon hochbetagte Kardinal trat wenig in Erscheinung, dafür waren bis zu 40 Priester und Ministranten am Werk. Die alttestamentliche Lesung und die Epistel wurden von Laien übernommen, letztere sogar von einer Frau. Das Evangelium wurde dagegen von einem jungen Priester vorgetragen.

Für jemanden, der mit Kirchenmusik und Mess-Vertonungen groß geworden ist, war dieser Gottesdienst etwas vertrautes Fremdes. Ich konnte wenigstens Kyrie und Credo und das Paternoster mitbeten. Dagegen blieben mir die Prozessionen und die Verrichtungen am Altar mit viel Beweihräucherung bei der Wandlung von Brot und Wein sowie die Funktionen der Monsignori in beeindruckenden grünen Tuniken über den weißen Alben und schwarzen Kappen mit roten Bommeln fremd bis rätselhaft. Leider hatten wir für diese Messe weder einen Ablauf noch eine Übersetzung für die italienische Predigt. Nicht nur die Konfession bildet eine Grenze, viel häufiger ist es einfach die Sprache.

Papstaudienz

Neben dem Sonntagsgottesdienst erlebten wir weitere Andachtsformen und Gottesdienste. Ein Höhepunkt der Woche war die Teilnahme an der öffentlichen Papstaudienz am Mittwoch auf dem Petersplatz. Dafür mussten im Voraus Eintrittskarten geholt werden, die kostenlos sind, aber offensichtlich den Zustrom an Menschen etwas regulieren sollen. Wer seine Gruppe anmeldet, kann damit rechnen, dass sie in der Audienz aufgerufen und vom Papst begrüßt wird. Tausende Pilger strebten mit uns am Morgen zum Vatikan. Um auf den Petersplatz zu gelangen, mussten alle erst durch eine Sicherheitsschleuse. Wir kannten solche Kontrollen schon vom Gottesdienst am Sonntag. Der Platz füllte sich schnell mit Menschen. Zu beiden Seiten waren Videoleinwände aufgestellt, damit auch die Hintenstehenden die Chance hatten, den Papst zu sehen. Die Atmosphäre hatte etwas von einem Popkonzert. Als Papst Franziskus im offenen Papamobil durch die Menge fuhr, wurden überall Kameras und Handys gezückt, um diesen Moment festzuhalten. Franziskus beugte sich vom Wagen, schüttelte Hände, herzte Kinder und war so nah bei den Menschen, dass es für sein Sicherheitsteam mit Sicherheit ein wöchentlicher Albtraum ist. Nach dem Bad in der Menge gab es eine Andacht mit Lesung, Kurzpredigt, Gebet und Segen, zunächst auf Italienisch, dann auf Spanisch, Englisch, Deutsch, Polnisch, Holländisch und Arabisch. Es war ein Abschnitt aus dem Jakobusbrief, der verlesen und ausgelegt wurde und ganz auf das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ausgerichtet war. Nach der Andacht wurden die anwesenden Pilgergruppen begrüßt, die dann jeweils begeistert jubelten. Am Ende der Audienz gab es noch die Gelegenheit, Personen, vor allem Kinder oder auch Gegenstände vom Papst segnen zu lassen. Eine Pilgergruppe hatte z.B. ein neues weißes Käppchen dabei, welches Franziskus bereitwillig gegen das von ihm getragene austauschte. Bei dieser Geste war mir der Kult um seine Person und diese moderne Art von Reliquienverehrung doch sehr fremd, während die Predigt von Franziskus, der eindringlich die Früchte des Glaubens und den Einsatz für die Notleidenden anmahnte, sehr nahe gingen. Die innerkatholische Ökumene einer weltumspannenden Kirche war durch die vielen internationalen Pilgergruppen zum Greifen nahe, aber auch eine konfessionsübergreifende Offenheit war spürbar, als auch evangelische und orthodoxe Gruppen gegrüßt wurden.

Sant Egidio

Das innerkatholische Kontrastprogramm zur Papstaudienz erlebten wir am gleichen Abend beim Abendgebet der Comunità di Sant‘ Egidio in Santa Maria in Trastevere, der ältesten Marienkirche Roms. Die Gemeinschaft von Sant‘ Egidio2 ist eine Laienbewegung, die 1968 von Abiturienten gegründet wurde. Ihr Herzstück ist das tägliche gemeinsame Gebet am Abend und ein starkes soziales Engagement – in den Anfangsjahren zunächst nur für die Hilfsbedürftigen in unmittelbarer Nachbarschaft, inzwischen auch international in der Friedensarbeit. Die Liturgie und die Atmosphäre insgesamt erinnern sehr stark an Taizé. Zentrale Mitte des Gebets ist eine Christusikone. Aber es war ohne Zweifel eine katholische Andacht, denn ein wichtiger Bestandteil war die Anrufung der Heiligen, die jeden Mittwoch gebetet wird. Die anderen Wochentage haben andere thematische Schwerpunkte. Die Kirche war sehr gut gefüllt, schon lange reichen die Räumlichkeiten im ehemaligen Kloster Sant‘ Egidio nicht mehr. Mit uns war noch eine evangelische Gemeindegruppe aus Niedersachsen da, die wie wir zuvor den Einführungsvortrag besucht hatte. Gemeindeglieder kümmerten sich um uns, reichten uns die Gesangs- und Gebetbücher, zeigten uns wo wir sind, und für die Lesung und die Predigt bekamen wir eine Simultanübersetzung von unserer Gesprächspartnerin. Als dann der Pfarrer, der die Predigt gehalten hatte, das Vaterunser auch noch auf Deutsch anstimmte, fühlten wir uns fast wie Zuhause.

Byzantinischer Ritus in San Nilo

Eine Andacht und Begegnung ganz besonderer Art war der Besuch der griechischen Abtei San Nilo in Grotta Ferrata ca. 20 km vor den Toren Roms unweit von Castel Gandolfo. Der Orden ist ein Unikum in der katholischen Welt und ein Relikt aus längst vergangener Zeit. 1004 von griechischen Mönchen gegründet, praktiziert der Orden nach wie vor den byzantinischen Ritus, die Stundengebete sind griechisch, zuweilen für die teilnehmenden Laien aus der Umgebung auch mal auf Italienisch. Unbeschadet des großen Morgenländischen Schismas 1054 ist dieser Orden direkt dem Papst unterstellt. In seiner Blütezeit lebten hier im Kloster drei Dutzend Mönche, jetzt sind es nur noch sieben großenteils hochbetagte Brüder. Hier besuchten wir am Donnerstag die Vesper in der Klosterkirche, die u.a. mit der griechischen Variante des Ave Maria als umlaufendem Spruchband geschmückt war. In der Vesper waren außer den Brüdern und unserer Reisegruppe noch zwei Personen aus dem Ort und nahmen am Gebet teil. Ich fragte mich, wie lange es diese Gemeinschaft noch geben werde. Aber im anschließenden Gespräch mit Bruder Antonio hörten wir auch, es melden sich immer wieder Männer, die sich speziell für diesen Orden interessierten. Auf die Frage, woher sie von der Abtei wüssten, kam prompt: „Übers Internet.“ Beeindruckend war der Gang in die Klosterbibliothek, die seltene Schätze aufzuweisen hat, u.a. Handschriften aus der Gründungszeit des Klosters und Inkunabeln. Die Brüder sorgen dafür, dass die Bibliothek für wissenschaftliche Studien zugänglich und aktuell bleibt und beherbergen in ihr auch eine renommierte Werkstatt für Buchrestauration.

Gespräche im Vatikan

Neben den schon genannten Begegnungen hatten wir auch zwei Gespräche im Vatikan. Unser erster Besuch führte uns in das Päpstliche Consilium für die Einheit der Christen. Dort empfing uns Monsignore Dr. Matthias Türk und erklärte uns, ganz vatikanischer Diplomat, den Stand der Ökumenischen Beziehungen. Der zweite Besuch bei der Kongregation für Erziehung und Bildung sollte eigentlich den Religionsunterricht zum Thema haben. Allerdings ist dieses Arbeitsfeld kürzlich neu strukturiert und dem Consilium für Neuevangelisation zugeteilt worden. Unser ursprünglich vorgesehener Gesprächspartner war kurzfristig verhindert, wir trafen auf seine Stellvertreterin Melanie Rosenbaum, eine junge polyglotte Diplomatin, die neben Politikwissenschaften auch Jura und katholische Theologie studiert hat. Der Austausch mit ihr und die Einblicke, die sie in ihre Arbeit und ihren Lebenslauf gewährte, hinterließen bei uns einen tiefen Eindruck. Und offensichtlich bietet der Vatikan auch Karrieremöglichkeiten für Frauen.

Lutheraner in Rom

Ein Besuch bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom und ihrem Pfarrer Dr. Jens-Martin Kruse, der uns in die Geschichte und Aktivitäten seiner Gemeinde, vor allem aber zum jüngsten Besuch des Papstes Einblicke gab, zeigten uns, wie viel Hoffnung mit diesem Papst verbunden ist. So hat Franziskus der deutschen evangelischen Gemeinde einen Abendmahlskelch geschenkt, ein Symbol der Hoffnung, dass die Trennung am Tisch des Herrn doch bald überwunden werden möge. Mit einer ganz anderen Sicht auf die derzeitige Situation der Katholischen Kirche konfrontierte uns dagegen der derzeitige Studienleiter des Centro Melantone, Pfarrer Tobias Küenzlen. Zwar sah auch er in dem Geschenk des Papstes die große Geste, aber eine Kursänderung in Sachen Ökumene und Anerkennung der Lutherischen Kirche(n) konnte er darin nicht erkennen.

Von Pfarrer Küenzlen wurden wir am Sonntag zu einem ersten Rundgang durch das antike Rom an die Schätze der ewigen Stadt herangeführt und eingestimmt in fast 2000 Jahre Christentum in Rom. Neben den großen Papstkirchen Petersdom, der Lateranbasilika und Santa Maria Maggiore besichtigten wir etliche weitere Kirchen, stiegen hinab in die Nekropole unter dem Petersdom mit dem Petersgrab und besichtigten unter San Clemente die archäologischen Ausgrabungen einer frühchristlichen Basilika aus dem 4. Jh. Natürlich durften auch die Vatikanischen Museen mit den Stanzen des Rafael und der Sixtinischen Kapelle nicht im Besuchsprogramm fehlen. Am Ende dieser gut gefüllten und erlebnisreichen Woche stand der Besuch der Katakomben von San Sebastiano vor den Toren der Stadt. Dort feierten wir als Abschluss unserer Reise in der Krypta der Kirche einen gut evangelischen Abendmahlsgottesdienst. Dass dafür der Museumsleiter der Katakomben extra länger blieb und uns sogar die Abendmahlsgerätschaften und Brot und Wein überließ, gehört auch zum heutigen Katholizismus in Rom.

Uta Gerhardt

Die Autorin und Teilnehmende an der Bildungsreise  ist Schulpfarrerin
und Weltanschauungsbeauftragte im Ev.-Luth. Kirchenbezirk Leipzig

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Hinweis: Das Centro Melantone führt regelmäßig solche Kurse durch. Der nächste speziell für Pfarrerinnen und Pfarrer findet vom 26.6.- 5.7.2017 statt.

 

Pfarrerin Uta Gerhardt

ist Schulpfarrerin in Leipzig und Beauftragte für Weltanschauungsfragen im Kirchenbezirk Leipzig.

Artikel-URL: https://confessio.de/artikel/353

Autor
Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2016 ab Seite 18