Wir brauchen ökumenische Zwischenschritte

Bericht des Catholica-Beauftragten der VELKD auf der Generalsynode (2005)

Für „ökumenische Zwischenschritte“ hat sich der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München) ausgesprochen. Vor der Generalsynode der VELKD, würdigte er am 17. Oktober in Klink Papst Benedikt XI., für den die Einheit der Christenheit „keine Bedrohung“, sondern ein Grundanliegen sei. Wenn sich dies auf die römisch-katholischen Bischöfe in Deutschland übertrage, tue das der Ökumene in unserem Land gut, „denn zur Zeit ist mancherorts die Ängstlichkeit größer als der Wille, dem Grundanliegen auch großzügig Raum zu geben“. Uniformität dürfe jedoch nicht zu einem Kriterium des Fortschreitens gemacht werden. Einheit im Notwendigen bleibe die Devise. Es brauche für den Protestantismus auch die Freiheit, Themen anders zu beurteilen. Dazu gehörten etwa die großen moralischen Fragen der Zeit, die Rolle der Frau in der Kirche sowie die Frage der europäischen Kultur.

Kritisch setzte sich der Catholica-Beauftragte vor den 62 Mitgliedern der Generalsynode mit dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Walter Kardinal Kasper, auseinander. Dieser habe bislang vom Konzept der „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ gesprochen und damit Worte aus der Konzeption des Lutherischen Weltbundes aufgenommen. Neuerdings spreche er aber von einer „Verschiedenheit ohne wirkliche Einheit“, die die evangelische Seite kennzeichne. Mit dieser Kritik, so Landesbischof Friedrich, ziele der Kardinal auf die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa - Leuenberger Kirchengemeinschaft. In diesem Zusammenschluss lutherischer, unierter, reformierter, vorreformatorischer und methodistischer Kirchen erkennen sich die beteiligten Kirchen gegenseitig an und sind durch Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander verbunden. „So wenig ich erwarte, dass sich die römische Kirche das Leuenberger Modell für die Einheit der Kirche Jesu Christi zu Eigen macht, so wenig finde ich es geglückt, wenn der Kardinal jenes Modell, das die evangelischen Kirchen in Europa in eine engere Gemeinschaft geführt hat, diskreditierend bewertet.“ Es stelle sich die Frage, ob auf katholischer Seite ein Kurswechsel stattfinde.

Johannes Friedrich stellte seinen Catholica-Bericht unter das Motto „Den einmal begonnenen Weg mit festem Blick auf das Ziel fortsetzen“ und nahm damit ein Zitat des Vorsitzenden der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, auf. Der Catholica-Beauftragte unterstrich, dass die Besinnung auf das eigene Profil Ökumene keineswegs ausschließe. „Nicht durch Abstreifen dessen, was unser jeweiliges Profil ausmacht, fördern wir das Ziel der Einheit, sondern, indem wir uns gegenseitig mit unseren Stärken zumuten und zu einer versöhnten Gemeinschaft finden.“ Die Einschätzung einer ökumenischen Eiszeit hält Landesbischof Dr. Friedrich für „durchaus falsch“. Das Gegenteil sei richtig. „Wir haben gerade in den letzten Jahren entscheidende qualitative Fortschritte gemacht.“ In diesem Zusammenhang nannte er u.a. die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen Lutherischem Weltbund und der römisch-katholischen Kirche. Mit dem 1999 bestätigten Dokument habe man zwei Errungenschaft, die nicht hoch genug zu schätzen seien: den differenzierten Konsens als ökumenische Methode und die versöhnte Verschiedenheit als ökumenisches Etappenziel. Auf dieser Basis lasse sich produktiv weiter arbeiten.

Im Blick auf die Zukunft des Dialogs mit der römisch-katholischen Kirche sagte Friedrich, man könne nicht glaubwürdig von Einheit reden und dann jeden pragmatischen Vorschlag und jede konstruktive Anregung als Zumutung zurückweisen. Er würde sich freuen, wenn auch die römisch-katholische Kirche einmal einen konstruktiven Vorschlag machte, wie denn die Einheit der Kirchen wachsen könne. „Immer nur sagen, was nicht geht, überzeugt auch die ökumenisch gesinnten römischen Katholiken auf die Dauer nicht. Dann muss man sich nicht wundern, wenn Menschen ihre eigenen Wege gehen.“ In besonderer Weise gehe es ihm um die Menschen in konfessionsverschiedenen Ehen und Familien und um die Rolle der Kirchen in einer sich wandelnden, säkularer werdenden Gesellschaft. Man könne nicht über religiöse Indifferenz und wachsende Beliebigkeit klagen, wenn die Kirchen nicht mehr nachvollziehbar argumentierten. „Es ist nicht nachvollziehbar, wenn Kirchen von Einheit reden und die Trennung in ihrer Praxis kultivieren.“ Es sei nicht nachvollziehbar, wenn ein Paar „ökumenisch heiraten“ könne, danach aber in der römisch-katholischen Kirche nicht gemeinsam zum Abendmahl geladen sei. Dann dürfe man sich auch nicht wundern, wenn sich die Menschen um das Wort der Kirchen nicht mehr scherten.

Landesbischof Friedrich verteidigte noch einmal die Entscheidung, sich an dem Projekt der Revision der „Einheitsübersetzung“ der römisch-katholischen Kirche künftig nicht mehr zu beteiligen. Der Grund sei, dass auf katholischer Seite heute andere Kriterien gelten als 1978. Eine Bibelübersetzung, die von der Voraussetzung ausgehe, dass nicht der grundsprachliche Text maßgeblich für die Übersetzung sein solle, rühre an die Grundlagen evangelischen Bibelverständnisses. Es bestehe die Gefahr, dass sich nicht die Kirche nach der Bibel, sondern die Bibel nach der kirchlichen Tradition richte. Der Catholica-Beauftragte bedauerte, dass der katholischen Seite bei diesem Projekt wegen ihres Gehorsams gegenüber Rom kein Spielraum für die ökumenische Rücksichtnahme bleibe.
 

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 6/2005 ab Seite 17