Larmenius-Charter (Ausschnitt)
Larmenius Charter of Transmission 1324 (Ausschnitt)

Neotempler

Der OSMTH und seine Ableger

Im 19. Jahrhundert erwachte im Kontext der Romantik ein neues Interesse an den Templern. Eine Brücke dorthin bietet die Hochgrad-Freimaurerei. In deren Gradsystem ist die Erinnerung an die Templer wach gehalten worden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Neubelebung des Templertums im Umfeld von Freimaurern des schottischen Ritus beheimatet ist. 

Templerschatz und Ahnentafel

Von besonderer Bedeutung ist dabei Raymond Bernard Fabré-Palaprat (1773-1838). Dieser war zunächst Priester, später Arzt. 1804 gründete er die „Néo-Templiers“ und präsentierte zur Legitimation ein Dokument, die sogenannte „Larmenius-Charta“. Dieses sei angeblich 1324 verfasst worden und enthält in einer Geheimschrift eine lückenlose Liste angeblicher Großmeister des (aufgelösten) Templerordens seit Jacques de Molay. Der letzte Name auf der Liste ist – welch Überraschung – Fabré-Palaprat selbst. 

Das „Internationale Freimaurer-Lexikon“ berichtet, er habe zum Beweis seiner Rechtmäßigkeit auch Teile aus dem „Templerschatz“ vorgelegt: Ein Reliquiar mit angeblichen Knochenstücken von Jacques de Molay, dessen Schwert, eine Templerfahne u.a.m. Später wurde er von eigenen Ordensmitgliedern als Betrüger überführt und im Einzelnen festgestellt, wo er die Dinge zusammengekauft hatte.1 Dieser Betrug und dass er die Néo-Templiers in eine gnostisch orientierte „Johannische Kirche“ überführen wollte, führte zu Zerwürfnissen und zum Niedergang seiner zeitweise sehr populären Organisation. 

Wie groß muss die verzweifelte Suche nach Legitimation bei vielen weiteren neuen Templern sein, dass sie trotz dieser offensichtlichen Erfindungen und Betrügereien nach wie vor Fabré-Palaprat allen Ernstes als ihren Ahnherren angeben und die Larmenius-Charter als angeblich authentisches Dokument verteidigen.

Von Belgien nach Portugal

Etwa 100 Jahre später tauchen die Neotempler wieder aus der Versenkung auf. 1942 habe der Leiter einer belgischen Templergruppe Emile Isaac Vandenberg Dokumente des Ordens zur sicheren Verwahrung in den Kriegswirren an den portugiesischen Hochgradfreimaurer Antonio Pinto de Sousa Fontes übergeben. In wieweit mit diesen Dokumenten auch eine Übergabe der Macht und eine Einsetzung als Großmeister des Templerordens verbunden sei, ist unter den verschiedenen späteren Templergruppen heftig umstritten. Fakt ist: Emile Vandenberg starb 1943 und Antonio des Sousa Fontes beanspruchte die Macht im neuen Templerorden. 1948 designierte er seinen Sohn Fernando als Nachfolger und übergab ihm 1946 aus Gesundheitsgründen das Großmeisteramt. Gegen dessen Amtsführung und das dynastische Nachfolgeprinzip anstelle der Wahl gab es z.T. erheblichen Widerstand in verschiedenen Zweigen des Ordens.

Aus diesen Streitigkeiten resultieren etliche Spaltungen, die die Gestalt des Neotemplertums bis in die Gegenwart prägen. Die Anzahl der konkurrierenden Orden wurde dabei vervielfacht. Mitunter gleichen sich die zerstrittenen Teile in Namen und Symbolik bis auf kleine Details. 

Sousa Fontes: OSMTH/Porto – OSMTJ

Die erste entscheidende Spaltung des OSMTH (Ordo Supremus Militaris Templi Hierosolymitani) vollzog sich aufgrund von Unzufriedenheit mehrerer Templergruppen mit der dynastischen Einsetzung und der Amtsführung von Fernando de Sousa Fontes, dem Sohn von Antonio de Sousa Fontes. Auf einem Konvent 1970 in Paris wurde der Grand Prior von Europa und Frankreich, General Antonie Zdrojewski zum neuen Großmeister gewählt. Fortan firmierte dieser Zweig französisch: OSMTJ (Ordre Souverain et Militaire du Temple de Jerusalem). Fernando de Sousa Fontes erkannte diese Wahl nicht an und führte den OSMTH/Porto weiter. 

Atlantic Alliance: SMOTJ

In den 1990er Jahren formierte sich neuer Widerstand gegen Fernando de Sousa Fontes in einigen Prioraten in den USA, die dann 1995 mit Sir Roy Redgrave einen eigenen Großmeister wählten (osmth.org). Das amerkanische Großpriorat benutzt die englische Übersetzung des Ordensnamens Sovereign Military Order Temple of Jerusalem (SMOTJ). Aktueller Großmeister dieses Zweiges ist David N. Appleby.

IFA: OSMTHU

Parallel dazu organisierten sich ab den 1980er Jahren mit der IFA (International Federative Alliance) die unzufriedenen europäischen Priorate. 1999 wählten diese mit Fernando de Toro Garland einen eigenen Großmeister. Dieser Zweig fügte dem Ordensnahmen ein „U“ für „Universalis“ hinzu. Unter dessen Großmeister Antonio Paris spaltete sich davon der vorwiegend in Italien aktive „OSMTJ 1804“ ab (osmtj1804.org).

OSMTJ

Auch der Zweig des OSMTJ von Antoine Zdrojewsi blieb nicht von Spaltungen verschont. So ließ sich der frühere Seneschall des Ordens Michael Van der Stock 2004 zum 51. Großmeister des Ordens wählen und erzeugte damit einen neuen Zweig, den „Ordre du Temple“ (ordredutemple.net). 2020 beanspruchte in Großbritannien Ronald Scott Mangum das Amt des Großmeisters im OSMTJ und bewirkte eine weitere Spaltung (osmtj.global), die sehr durch Polemik gegen alle anderen Zweige auffällt.

Deutschland: OMCT

In Deutschland hatte Prof. Dr. Hans Heuer bereits in den 1950er Jahren Kontakt zu Antonio de Sousa Fontes und gründete 1964 in Nürnberg das Jakob-Molay-Collegium des Souveränen Templerordens. Nach heftigen Skandalen wurde der Orden als „Ordo Milite Crucis Templi“ (OMCT) grundlegend neuorganisiert. Damit einher ging 1964 eine Spaltung in den „Deutschen Tempelherrenorden, OMCT“ mit Sitz in Hannover (tempelherrenorden.de) und den „OMCT-Tempelherren-Orden, Deutsches Priorat“ mit Sitz in Ditzingen (omct.info). Vom letztgenannten spaltete sich der OMCT-Tempelritterorden mit Sitz in Dormagen ab (omct-templerorden.de). Eine deutliche rechtsnationalistische Tendenz haben sie beide – im Unterschied zum Hannoveraner Orden, der eine ökumenische und demokratische Gesinnung vertritt.

 

Diagramm mit Stammbaum diverser Neutemplerorden

 

Diagramm „Moderne Templerorden“ als PDF


1Lennhof/Posner/Binder: Internationales Freimaurerlexion, München 2000, S. 274

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio Themenheft 05 ab Seite 07