Von Mohammed zu Christus
Die wachsende Präsenz von Muslimen in Deutschland wird vielfach als Bedrohung für den christlichen Glauben angesehen. Das ehemals christliche Abendland werde unter dem Ansturm der Einwanderer und durch die höhere Kinderzahl der Muslime sein Gesicht verlieren - so kann man immer wieder Befürchtungen hören. Dass diese Konstellationen aber ebenso als eine missionarische Chance angesehen werden kann, die mutig ergriffen werden muss, wurde in der Dreieinigkeitskirchgemeinde der Selbständig Evangelisch-Lutherischen Kirche in Leipzig verstanden. Fast überall in der Welt gibt es Christen und christliche Missionsstationen. Viele islamische Länder sind aber seit Jahrhunderten für christliche Missionare gesperrt. Jetzt bringen es aber Migrationsbewegungen mit sich, dass zahlreiche Muslime vor unserer Haustür angekommen sind - in einem Land, das Religionsfreiheit garantiert und das Bekenntnis persönlicher Glaubensüberzeugungen schützt. Aus dieser Einsicht entwickelte sich eine Missionsarbeit, die beachtliche Erfolge vorzuweisen hat. Der Arbeitskreis Religiöse Gemeinschaften des Evangelischen Bundes Sachsen hat Pfr. Fritz-Adolf Häfner in Leipzig besucht und mit ihm über diese Arbeit gesprochen.
Von Afrika nach Leipzig
Pfr. Häfner ist Missionar. 27 Jahre wirkte er im südlichen Afrika am Rande der Kalahari-Wüste. Aus seiner dortigen Arbeit entstand eine ganze Diözese junger Christen. Um seinen Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, kehrte er 1994 mit seiner Familie schweren Herzens nach Deutschland zurück. Nach vier Jahren in Guben wechselte er dann nach Leipzig an die Dreieinigkeitskirchgemeinde. Zunächst wirkte er dort lange Zeit als „normaler“ Gemeindepfarrer. Den neuen Tätigkeitsschwerpunkt in der Mission hat sich Pfr. Häfner nicht selbst gesucht, sondern er wurde ihm gewissermaßen „vor die Füße gelegt“.
Vom Sprachkurs zum Glaubenskurs
Ein früherer Studienkollege, der jahrelang in Teheran und Kabul gelebt hatte, organisierte Deutsch-Kurse für Asylbewerber und suchte dafür Räume. In der Dreieinigkeitsgemeinde fand er ein offenes Ohr. Aus den persönlichen Bekanntschaften im Rahmen des Sprachunterrichts entwickelte sich für zunächst 3 Iraner der Wunsch nach biblischem Unterricht. Im August 2000 gab es die ersten Taufen nach diesem Unterricht. Diese neuen jungen Christen waren in ihren Herzen so begeistert, dass sie immer wieder neue Freunde mitbrachten. Inzwischen gibt es Glaubenskurse in Leipzig, Schkeuditz, Borna, Altenburg, Grimma, Oschatz, Torgau, Eilenburg und Taucha. Ca. 50 Iraner wurden getauft und weitgehend in die Gemeinde integriert. Das gestaltet sich nicht immer einfach, sind doch beträchtliche kulturelle Unterschiede auszuhalten - etwa im Ordnungsempfinden.Gottesdienstbesuch und Asylrecht
Kernstück der Missionsarbeit sind neben den Glaubenskursen die Gottesdienste. Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es oft lange Predigtnachbesprechungen in Persisch, auch wurden wichtige Teile der Liturgie sowie Luthers Katechismus ins Farsi übersetzt und gedruckt. Oft gehen die sonntäglichen Besprechungen und Bibelarbeiten noch bis in den Nachmittag. Problematisch sind aber häufig die Aufenthaltsrechtlichen Fragen. Asylbewerber dürfen sich nicht frei bewegen und brauchen darum für den Gottesdienstbesuch in Leipzig eine Genehmigung, die nicht immer erteilt wird. Den Beamten ist mitunter nicht einsichtig, warum die Asylbewerber diesen speziellen, von ihrer Heimat weiter entfernten Gottesdienst besuchen wollen. Ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat die Gemeinde sogar verloren: die Entscheidung über eine Reisegenehmigung liegt im Ermessensspielraum der Behörde und kann ohne Begründung verweigert werden.
Noch problematischer sind drohende Abschiebungen - gilt doch der Abfall vom Islam in manchen Ländern gemäß traditioneller islamischer Auffassung als ein todeswürdiges Verbrechen. Dass die christliche Bekehrung nur vorgetäuscht sein soll, um einen besseren Asylstatus zu erreichen, wird von den Behörden immer wieder unterstellt, ist für Pfr. Häfner aber absolut nicht nachvollziehbar: Diese Menschen kommen z.T. seit Jahren regelmäßig zu den Gottesdienste und pflegen ein intensives persönliches Glaubens- und Gebetsleben. Zudem ist wohl kaum ein besserer Beweis der Integrationswilligkeit und -fähigkeit vorstellbar, als die aktive Annahme des christlichen Glaubens.
Predigt statt Streitgespräche
Was macht den Erfolg von Pfr. Häfners Missionsarbeit aus? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, wissen Christen doch, dass die Offenheit für den Glauben immer ein Geschenk Gottes ist, das nicht herbeigezwungen oder durch geschickte Methoden „produziert“ werden kann. Dennoch sind einige Beobachtungen in diesem Zusammenhang möglicherweise von Bedeutung.
Der Schwerpunkt der Missionsarbeit liegt in der positiven Darstellung des eigenen Glaubens. Pfr. Häfner ist lutherischer Theologe, kein Islamwissenschaftler. In diesen Zusammenhang gehört, dass Pfr. Häfner selbst gar kein Arabisch oder Persisch spricht. Alle seine Predigten und Kurse müssen übersetzt werden. Aber offenbar hat dieser Sachverhalt nicht seine Ausstrahlung verhindert. Er spricht nicht in erster Linie über den Islam und seine Fehler, sondern über den christlichen Glauben und seine Stärken. Das tut er mit solch einer Begeisterung und einem inneren Feuer, dass es ansteckend wirkt. „Mit Streitgesprächen wird kein Glaube angestoßen.“ formuliert er eine seiner Lebenseinsichten als Missionar.
Offenheit und Neugier
Offenheit für das Fremde ist für Pfr. Häfner von seinen Erfahrungen aus Afrika selbstverständlich. Es braucht offensichtlich keine tiefschürfenden Kenntnisse der anderen Religionen (auch wenn diese hilfreich sind), um eine missionarische Ausstrahlung zu besitzen, sondern vor allem eine Offenheit und Neugier für den anderen Menschen und sein Leben, seine Kultur, seine Fragen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, zwischen Kultur und Religion zu unterscheiden und den Interessenten keine unmöglichen Forderungen zuzumuten. Ein guter Missionar ist nicht arrogant. Er überhebt sich nicht über seinen Gesprächspartner. „Ich muss nicht erst den Tisch komplett abräumen, um ihn dann neu zu decken.“ erklärt Pfr. Häfner. Er geht auf die Menschen zu, wo sie sich gerade befinden. Dort bringt er ihnen eine neue Botschaft. Er will nicht Menschen aufgrund ihres Denkens bewerten, sondern ihnen zeigen, was ihm selbst Leben eröffnet. Die Begegnung mit dem Evangelium ist dann ein enorm bewegender Vorgang. Das setzt natürlich voraus, über den eigenen Glauben in einfacher Sprache glaubwürdig reden zu können.
Familienkatechese
Wichtig scheint auch zu sein, dass Pfr. Häfner sich mit seinen Angeboten stets an die ganze Familie wendet. Die biblische Formulierung, „mit ihrem ganzen Hause“ zu taufen, hat sich in seiner Praxis schon mehrfach wiederholt. Er hat kein Interesse an der modernen Individualisierung, es geht ihm nicht darum, Einzelne aus ihrem Familienverband herauszulösen. Darum besucht er die Familien und hält auch dort seinen biblischen Unterricht. Dabei ist wichtig, dass die Frauen voll mit integriert sind. Er besteht darauf, dass auch die Mütter und Töchter der Familien an dem Unterricht teilnehmen dürfen, was in der männerdominierten Kultur mit streng getrennten Geschlechterrollen manchmal nicht einfach ist. Dieser Punkt ist aber schon ein Bestandteil des Evangeliums und darum unverzichtbar.
Freikirchliche Entschiedenheit
Es kann oft beobachtet werden, dass Konvertiten ihren neuen Glauben besonders intensiv und kompromisslos leben möchten. Möglicherweise ist das Umfeld in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche darum für die missionarische Ausstrahlung von Vorteil. Die kleinere Gemeinde mit einer größeren Vertrautheit der Gemeindeglieder untereinander erzeugt schneller eine freikirchlich-familiäre Atmosphäre, in der „die Neuen“ sich schneller aufgenommen fühlen können, als in einer typischen landeskirchlichen Großstadtgemeinde mit ihrer größeren Anonymität. Dazu tritt das Bemühen um ein deutliches konfessionelles Profil, das der Entscheidung zum Glaubenswechsel Nahrung und markante Anhaltspunkte gibt. Hinzu tritt die intensiv gelebte Sakramentenfrömmigkeit, die offenbar geeignet ist, auf der spirituellen Ebene Halt zu geben und die neue christliche Gemeinschaft erlebbar zu machen.
Fazit
Der Besuch bei Pfr. Häfner hat gezeigt, dass für eine erfolgreiche Missionstätigkeit weder spezielles Expertenwissen über alle Religionen noch der finanzielle Hintergrund einer Pro-Christ-Evangelisation notwendig ist. Der Mut, mit offenem Sinn auf den Anderen zuzugehen und authentisch das formulieren zu können, was das eigene Herz im Glauben bewegt, sind weitaus wichtiger. Die Migranten sind keine Bedrohung, sondern eine Chance und eine Aufgabe. Ihnen muss signalisiert werden: Ihr seid nicht unsere Feinde, sondern wir wollen mit euch teilen: unser Brot und das Brot des Lebens. Wenn es den Christen in Deutschland gelänge, dies zu begreifen und zu leben, wäre wahrscheinlich viel gewonnen.
Harald Lamprecht