Penzberger Imam für neue Islamische Theologie

Benjamin Idriz, Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg e.V., hat sich anlässlich des u.a. vom Wissenschaftsrat veranstalteten Kongresses „Vielfalt der Religionen – Theologie im Plural“ in Berlin für eine Neubegründung der islamischen Theologie ausgesprochen.

Die Islamische Gemeinde Penzberg (IGP) ist nicht nur durch eine architektonisch aufsehenerregende Moschee sowie das ambitionierte Projekt „Zentrum für Islam in Europa – München“ (ZIE-M), dessen Vorsitzender Idriz ist, überregional bekannt geworden. Der Verfassungsschutz wirft dem Verein Kontakte zu Islamisten vor. Die Gemeinnützigkeit wurde entzogen. Erst vor kurzem wurde der Antrag der IGP auf Unterlassung der Erwähnung im bayerischen Verfassungsschutzbericht 2008 durch das Verwaltungsgericht München abgelehnt. Die beanstandeten Aussagen entsprächen der Wahrheit und konnten veröffentlicht werden. Die IGP, die sich als „unabhängige, multinationale, neutrale und offene religiöse Gemeinde“ versteht, dementierte.

Vielleicht hat diese Situation dazu beigetragen, dass Idriz in seinem Vortrag am 16. Juni 2010 mit besonderer Entschiedenheit dafür eintrat, die islamische Theologie „mit neuen Methoden neu [zu] begründen“. Die Offenbarung sei nicht nur vom Himmel gefallen, sondern auch „vom Boden hoch“ gewachsen. „Der erkenntnistheoretische Inhalt des Gotteswortes war ebenso göttlich wie menschlich.“ Idriz stellte es als eine Fehlentwicklung der islamischen Theologie dar, dass das Heilige und das Weltliche „nicht mehr unterscheidbar miteinander verwoben“ wurden, und plädierte für einen Übergang von einer gottzentrierten Kultur zu einer menschzentrierten. „Obwohl der Koran die Offenbarung, also Gottes Wort, ist, handelt er im Grunde vom Menschen.“ Der Vernunft sei bei der Schriftauslegung Vorrang einzuräumen, die Scharia sei nicht wörtlich zu interpretieren, sondern „im Hinblick auf ihre Zielsetzung und im Einklang mit der Natur des Menschen“.

Die Neubegründung der islamischen Theologie fasste Idriz in vier Punkte:

  1. Das vertikale Verhältnis zwischen Gott und Mensch durch ein horizontales ersetzen
  2. Das vertikale Verhältnis zwischen Text und Vernunft durch ein horizontales ersetzen
  3. Das vertikale Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits durch ein horizontales ersetzen
  4. Das vertikale Verhältnis zwischen Religion und Staat durch ein horizontales ersetzen

Das damit angedeutete anspruchsvolle hermeneutische Programm ist sicherlich interpretationsfähig und interpretationsbedürftig. Es verdient jedoch hohe Aufmerksamkeit – und sollte zu den Grundlagen künftiger Debatten gehören, auch und gerade muslimischer Autoritäten.

Dr. Friedmann Eißler / EZW-Newsletter

 

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2010 ab Seite 04