Glaube und Medizin

Theologie contra Naturwissenschaft?

Alternative Therapien zur Schulmedizin erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und gesellschaftlicher Anerkennung. Immer mehr Illustrierte berichten wohlwollend von Ayurveda und Akkupunktur, Yoga, Familienstellen usw. Ist das auch etwas für Christen?

Nein und Ja wäre darauf zu antworten. Nein gilt dort, wo therapeutische Angebote mit weitreichenden weltanschaulichen Voraussetzungen verknüpft werden, die sich nicht in ein christliches Wirklichkeitsverständnis integrieren lassen. Nach solchen Hintergründen muss man mitunter suchen, denn die Anbieter verschleiern nicht selten die weltanschaulichen Dimensionen ihrer Angebote. Das ist z.B. bei der Transzendentalen Meditation oder auch bei Yoga-Vidya der Fall (vgl. S. See Rummel um „Europas größtes Yoga-Zentrum“).

 

Nein könnte mit gewissem Recht auch dort gelten, wo einige kritische Rückfragen und der Einsatz des gesunden Menschenverstandes die Unsinnigkeit eines Therapieangebotes erweisen können. Gott hat uns mit dem Verstand begabt, damit wir ihn auch einsetzen und nicht durch Leichtgläubigkeit Schaden erleiden. Allerdings ist dies dann eine Entscheidung der Vernunft, nicht des Glaubens.

Im Übrigen sollte man beachten, dass die Theologie nicht mit dem gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft verheiratet ist. Der Glaube geht auch von Wirkungen aus, die der Naturwissenschaft nicht zugänglich sind. Dass ich nicht verstehe, wie etwas funktioniert, kann ein vernünftiger, aber kein theologischer Grund für eine Ablehnung sein. Theologie und Kirche sollten nicht den Fehler der Verurteilung Galileo Galileis wiederholen, indem sie in unzulässiger Weise den Glauben mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Wirklichkeitsverständnis verbinden. Woher wissen wir denn, was in Gottes Schöpfung noch alles möglich ist? Auch die Herkunft eines bestimmten Therapieverfahrens aus einem anderen kulturellen Kontext ist für sich allein noch kein Ausschlusskriterium. Das Christentum ist nicht in Nordeuropa entstanden, es hat sich auch hier mit einer vorgefundenen Kultur verbunden. Christen in Indien und Asien müssen auf die Erfahrungen ihrer Medizinsysteme ebensowenig verzichten wie wir. Entscheidend ist dabei, ob die Therapie bei ihrer Sache bleibt, oder ob sie sich unter dem Deckmantel eines „ganzheitlichen“ Anspruches zur Ersatzreligion aufschwingt.

Diese Gefahr besteht freilich nicht nur bei Yoga und Ayurveda, sondern ist auch unserer Medizin nicht fremd. Wieso sonst spricht man mitunter in Bezug auf die Ärzte von den „Göttern in Weiß“? Die eigene Gesundheit als Ideal wird in der gegenwärtigen Gesellschaft weit überschätzt, erklärte Dr. Utsch in Meißen. Gesundheit wird geradezu wie ein Götze verehrt. Zum Geburtstag wünscht man sich nicht mehr Gottes Segen, sondern „Hauptsache Gesundheit“. Das führt zu dem Eindruck, dass gelingendes Leben ohne Gesundheit gar nicht mehr möglich sei. Aber ist das wirklich das wichtigste Ziel eines glücklichen Menschseins?

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2004 ab Seite 18