Di Fabio über Religionsfreiheit
Der deutsche Verfassungsstaat ist weltanschaulich neutral. „Er nimmt nicht Partei, hegt aber eine positive Grundeinstellung zur Religion und setzt nicht auf strikte laizistische Trennung von Staat und Kirche. Der Staat weiß, dass seine kulturellen Grundlagen gestärkt werden durch aktive Glaubensgemeinschaften, die auf dem Fundament der Achtung persönlicher Freiheit stehen.“ Mit diesen Worten umriss der Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo Di Fabio, das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften in einem beachtenswerten Interview gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ (14/2010 S. 30f.).
Im Blick auf stärkere Privilegien für den Islam z.B. bei Rundfunkräten oder dem Religionsunterricht sieht Di Fabio keine Bedenken, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und akzeptiert ist, dass es sich dabei um Rechte handelt, die mit Pflichten und Anpassungsbereitschaft verbunden sind. Religion ganz aus der Schule herauszuhalten ist für Di Fabio nicht erstrebenswert. „Sicher, das wäre einfacher. Aber eine einfache Lösung muss weder klüger sein noch förderlicher für die Integration. Hinter dem Wunsch nach totaler Trennung von Religion und öffentlichen Räumen steckt häufig Furcht.“ Gewiss müsse man auf diejenigen achten, welche Religion nur als Deckmantel benutzen. Aber ein demonstrativer Laizismus behindere die Integration eher. „Wir sollten den Islam einladen, in der Mitte der deutschen Gesellschaft anzukommen, statt ihn auszusperren.“
Ihre Grenze findet die Glaubensfreiheit in der Menschenwürde der anderen. „Wenn aber Kinder mit brutaler Gewalt gezüchtigt werden, kann das nie durch den Glauben gerechtfertigt sein, genauso wenig wie Zwangsheiraten. Die Glaubensfreiheit endet, wo in ihrem Namen die Verletzung der Menschenwürde beginnt.“