Handauflegen bei Konfirmation und Reiki

Handauflegen

Christlicher Segenszuspruch statt esoterisches Heilungsritual

Die Praxis des Handauflegens ist ein klassisches christliches Segensritual. In der kirchlichen Praxis hat es seinen festen Platz. Es geschieht im Gottesdienst bei Segenshandlungen, bei der Konfirmation, im Segen für die Eheleute bei der Trauung, bei Amtseinführungen und Segnungen zu Jubiläen. Nicht nur im charismatischen Kontext gibt es auch persönliche Segnungen außerhalb des Gottesdienstes mit Handauflegen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder regelmäßig auf diese Weise segnen. Auch die Krankensalbung nach Jak. 5 (in der röm.-kath. Kirche als Sakrament) enthält ein Gebet unter Handauflegung.

Der Charakter dieser Handlungen ist immer ein persönlicher Zuspruch des ganzheitlichen Segens Gottes. Dabei dient die Geste des Handauflegens dazu, diese Zuwendung Gottes nicht nur symbolisch, sondern auch sinnlich erfahrbar zum Ausdruck zu bringen. Im Unterschied zu einem magischen Verständnis ist bei den christlichen Formen die Handauflegung selbst vergleichsweise unwichtig und wäre notfalls sogar verzichtbar. Das Eigentliche geschieht im Zuspruch des göttlichen Segens in einer Haltung des gläubigen Vertrauens und intensiven Gebetes. Das Vertrauen bezieht sich darauf, dass Gott das hält, was er verspricht. Der äußere Ritus dient „lediglich“ der ganzheitlichen und damit auch körperlichen Vermittlung dieser geglaubten geistlichen Zusammenhänge.

Esoterische Formen

Deutlich mehr Gewicht auf die äußere Form der Handlungen wird bei verschiedenen Formen des Handauflegens gelegt, wie sie im Kontext von Esoterik vorkommen. Esoterik beansprucht innere Kenntnis und Nutzung „geheimer“, von der Wissenschaft unerkannter „feinstofflicher“ kosmischer Kräfte und Funktionen. Das Handauflegen tritt hier vor allem im Zusammenhang mit medizinischen Handlungen auf. Es geht darum, bei bestimmten körperlichen Problemen Heilungserfolge zu bewirken. Damit wird es hier eine Methode der Heilung. Die dahinter stehenden Konzepte sind unterschiedlich. Im Kern gehen die meisten davon aus, dass die Heilerin bzw. der Heiler durch eine besondere Einweihung Zugang zu höheren geistigen Kräften erhalten hat. Diese kosmisch-göttlichen Energien werden dann durch die Person des Heilers gewissermaßen kanalisiert und gezielt auf den Patienten geleitet zu den Stellen am Körper, wo sie besonders benötigt werden. Dort sollen damit vermutete Energieblockaden gelöst oder Chakren in ihrer Funktion angeregt werden. Beispiele für esoterisch geprägte Angebote, in denen solche Formen des Handauflegens eine dominante Rolle spielen sind Reiki1, Therapeutic Touch oder die von Viktor Philippi in Taubenheim in der Lausitz propagierte „Bioenergetik Extrasens“ bzw. „Theomedizin“.2

Charismatische Praxis

In Kirchen und Gemeinden mit pfingstlich charismatischer Prägung steht das Handauflegen oft hoch im Kurs. Es wird nicht nur in den Gottesdiensten praktiziert, sondern auch bei Segnungsveranstaltungen im Anschluss. Insbesondere im Kontext von Gebeten um Heilung hat das Handauflegen einen festen Platz. Damit markiert die pfingstlich-charismatische Praxis einen eigenen Übergangsbereich vom kirchlichen allgemein segnenden Charakter zu einem spezieller auf Heilung auch konkreter einzelner Beschwerden an bestimmten Körperstellen gerichteten Gebrauch des Handauflegens.

„Open Hands“ (Anne Höfler)

Eine Mischform zwischen traditionellem christlichen Segenszuspruch und esoterischem Energiekanal im Handauflegen stellt die von Anne Höfler 1989 gegründete „Open Hands“-Schule dar. Dort bildete der gesundheitliche Aspekt den Ausgangspunkt. Eine Neurodermitiserkrankung eins ihrer Kinder war ihr Anlass, sich der „spirituellen Heilung“ zuzuwenden und „mehrerer Jahre bei HeilerInnen aus vielen Kulturen“ zu „studieren“3. Nach einer Ausbildung an der „Würzburger Schule der Kontemplation“ bei dem ehemaligen Benediktinerpater Willigis Jäger4 ist sie seit 2004 als Lehrerin der Kontemplation auch in christlichen Kreisen unterwegs. In Bezug auf die religiöse Verortung bleibt das Angebot bewusst unbestimmt. Anne Höfler kommt selbst von einem christlichen Hintergrund. Sie hat das Handauflegen aber so offen gelehrt, dass es nicht nur auf die biblischen Bilder von Segen, sondern ebenso auf esoterische Vorstellungen von Energieflüssen und Chakrenharmonisierung bezogen werden kann. Gemäß einer Einschätzung des hessischen Beauftragten für Weltanschauungsfragen, Oliver Koch, könne man „nicht sagen, dass Open Hands per se christlich ist, aber man kann schon sagen, dass man es christlich praktizieren kann.“5

Es kommt bei dieser Methode also entscheidend darauf an, wer sie in welchem Rahmen, mit welcher Einstellung und mit welchen Zielen verwendet.

In Sachsen

Auch in Sachsen werden Kurse zum Handauflegen nach Anne Höfler im christlichen Kontext angeboten. So gibt es regelmäßig am Haus der Stille in Grumbach Kurse zu Handauflegen und Kontemplation mit Personen, die bei Anne Höfler ausgebildet wurden.

Im Einkaufszentrum Chemnitz-Center in Chemnitz-Röhrsdorf gibt es seit einiger Zeit die „StilleOase“. Dort bietet die evangelische Pfarrerin Cornelia Henze Seelsorge, christliche Meditationsübungen, Segenszuspruch, Handauflegen, Übungen zur achtsamen Körperwahrnehmung und Zeiten der Stille an. Diese Angebote sollen zu einer Verbesserung der „Work-Life-Balance“, für einen positiven Start in den Tag, einer angenehmen Arbeitsatmosphäre, erholsamen Pausen und innerer Balance zwischen Anspannung und Entspannung verhelfen. Sie bietet sie explizit als evangelische Pfarrerin an. Damit baut dieses niedrigschwellige Angebot eine Brücke für Menschen, denen kirchliches Handeln zunächst fremd und unbekannt ist und die sie vermutlich nicht in der Röhrsdorfer Kirche aufsuchen würden. Um diese Arbeit besser kennenzulernen, hatte der Evangelische Bund Sachsen Pfarrerin Cornelia Henze im Mai 2023 zum Gespräch in die AG Religiöse Gemeinschaften eingeladen. Davon soll nachfolgend berichtet werden.

Segenserfahrungen

Zu Beginn des Treffens berichten die Teilnehmenden von eigenen Erfahrungen mit christlichem Segen, die durchweg als Stütze und Ermutigung gewirkt haben. Sei es bei einer Ordination unter Handauflegung von Kollegen nach gerade überstandener Coronainfektion, wie beim Segen auch die Raufbolde unter den Konfirmanden ruhig werden und ihn geradezu einfordern, wie auch Pfarrer begeistert berichten, wie gut es ihnen getan hat, auch selbst mal gesegnet zu werden, bis zu persönlichen Heilungserfahrungen im Kontext eines segnenden Heilungsgebetes.

Daran anknüpfend berichtet Cornelia Henze, wie sie auf dem Schwanberg bei einem Einführungskurs zum Handauflegen etwas davon gespürt hat, in wie wunderbarer Weise Gottes Gegenwart im Segen erlebt und vermittelt werden kann. Es geht darum, den Glauben und das Vertrauen als Geschenk Gottes nahbar und konkret zu erleben.

Stille

Interessanterweise empfand sie zuvor die charismatische Form segnender Gebetsgruppen eher bedrückend: Etliche Menschen stehen gebeugt um die zu segnende Person herum und legen an mehreren Stellen die Hände auf, wozu viel gesprochen wird, oft noch mit Musik im Hintergrund.

Demgegenüber geschieht das Handauflegen in der StilleOase in einem anderen Setting. Die Stille hat einen eigenen Wert. Sie öffnet den Raum, in dem das Getriebe der Welt zur Ruhe kommen und Platz für die Begegnung mit Gott öffnen kann. Beim Handauflegen gehe es nicht um eine Methode oder ein Schema, etwas richtig oder korrekt zu machen, sondern vor allem um eine innere Haltung. Diese ist geprägt von einem vertrauensvollen Ergeben in Gott: „Dein Wille geschehe“. Die Vaterunserbitte enthält ein Vertrauen darauf, dass Gott wirkt. Das bedeutet ein Zurücknehmen der eigenen Wünsche, Vorstellungen und Pläne.

Augenhöhe

Wichtig ist ihr, dass das Handauflegen geistlich „auf Augenhöhe“ stattfindet. Gemeinsam stellen sie sich in die Gegenwart Gottes. Dies geschieht im Vertrauen darauf, dass wir selbst letztlich nichts in der Hand haben, aber der dreieinige Gott alles schenken kann und dass sein Geist weht, wo er will. In dieser Form ist „Handauflegen“ gerade keine besondere Gabe, die manche Menschen haben und andere nicht, sondern für alle Menschen möglich. Es braucht nur diese innere Offenheit für das Wirken Gottes.

Grundeinstellungen

In der Open-Hands-Schule spielen sieben Grundeinstellungen eine besondere Rolle: 1. Gebet, 2. Vertrauen, dass Gott wirkt und weiß, was gut für mich ist. In diesem Sinn ist auch das eigentlich aus dem buddhistischen Kontext stammende Ziel, „absichtslos“ zu werden, auch christlich verstehbar. 3. Geduld zielt darauf, etwas nicht mit Druck erreichen zu wollen, sondern damit zu rechnen, dass Gott wirkt. 4. Loslassen, auch die eigenen Ideen, mit medizinischem Halbwissen etwas für andere herbeiführen zu wollen, sollten losgelassen werden. 5. Dankbarkeit dafür, von Gott beschenkt zu werden, 6. Liebe meint das liebevolle Annehmen des anderen Menschen, wie er ist. 7. „Kanal sein“. Diesen Punkt findet Cornelia Henze problematisch, zumindest missverständlich. Gemeint ist: Wir haben nichts, Gottes Kraft wirkt durch uns hindurch. Wir sind wie ein Instrument, das bespielt wird. Gottes Kraft schafft die Resonanz.

Gebet?

Zu Beginn wird oft ein Spruch gesagt, der in der Regel als „Gebet“ bezeichnet wird:

„Möge die göttliche, heilende Kraft durch uns fließen, uns reinigen, stärken und heilen, uns erfüllen mit Liebe, heilender Wärme und Licht, uns schützen und führen auf unserem Weg. Wir danken dafür, dass dies geschieht.“ Genau genommen ist das kein Gebet, sondern ein Wunsch. Für ein Gebet, verstanden als Gespräch mit Gott, fehlt ihm die Ansprache eines Gegenübers. Es wurde von Anne Höfler so formuliert, um auch Menschen mitnehmen zu können, die gegenüber traditionell christlichen Gebetsformen Aversionen haben – zum Teil auch, weil diese für sie mit geistlichen oder körperlichen Missbrauchs­erfahrungen verkoppelt sind.

Praxis

Eine typische Sitzung „christliches Handauflegen“ (außerhalb des Gottesdienstes) dauert zwischen 5-25 Minuten und findet im Kontext persönlicher Seelsorge statt. Im Vorgespräch wird erfragt, ob Berührungen gewünscht sind, in welcher Position und mit welchem Abstand das Handauflegen erfolgen soll. Es wird geklärt, dass nichts versprochen und kein spezifisches Ziel verfolgt wird, sondern es darum geht, sich für die Gegenwart und Kraft Gottes zu öffnen. Nach der Einstimmung mit Gebet und einer Phase der Stille erfolgt das Handauflegen an verschiedenen Positionen des Körpers, so dass eine Umhüllung entsteht. Das Ganze geschieht in einer Grundhaltung der Präsenz: möglichst aktiv und wach dabei sein und sich dabei auf die Person mit Mitgefühl und Dankbarkeit ausrichten, um zu spüren, wo es ihr guttut. Zum Abschluss wird innerlich leise in kontemplativer Haltung der trinitarische oder aaronitische Segen gesprochen.

Fazit

Die Praxis des Handauflegens, wie sie Cornelia Henze geschildert hat, ist grundlegend christlich verankert und dennoch darauf ausgerichtet, auch Menschen anzusprechen und zu erreichen, die nicht in christlichen Frömmigkeitsformen beheimatet sind. Einzelne Elemente sind methodisch auch aus dem Buddhismus bekannt (besonders in der Zen-Meditation). Dazu gehören die Elemente der Stille, Achtsamkeit und der absichtsfreien inneren Sammlung, die den Geist zur Ruhe bringen soll. Hier begegnen sie aber in einem durchgängig und in sich stimmig christlich geprägten Deutungskontext, der teilweise an christliche Mystik anknüpft. Dort sind diese Elemente ebenso enthalten. Die Grundhaltung der Kontemplation kann Menschen eine intensive und emotional starke Erfahrung von Gottes Nähe und Gegenwart ermöglichen. Wichtig dabei ist aber, allen denkbaren (und möglicherweise von Klienten mitgebrachten) Verzweckungen auf spezifische Heilungserwartungen zu widerstehen. Wenn das Setting auf einer Praxisliege erfolgt, ist die Gefahr einer falschen Assoziation mit einer medizinischen Behandlung (wie z.B. in der Physiotherapie) naheliegender und es braucht mehr verbale Klarheit, um mögliche Missverständnisse im Sinn unmittelbarer esoterischer Energieübertragung zu vermeiden. Wenn das gelingt, ist diese Form der Kontemplation eine hilfreiche Übung zum inneren Öffnen für die Präsenz und Gegenwart Gottes und eine wertvolle Ergänzung sonstiger kirchlicher Praxis.

Harald Lamprecht

www.stilleoase.de


1 Vgl. https://www.confessio.de/artikel/245.

2 Vgl. https://www.confessio.de/artikel/177.

3 http://www.anne-hoefler.de/index.php?cat=27_Biographie

4 vgl. Confessio 2/2004, S. 6, confessio.de/artikel/159

5 https://www.zentrum-oekumene.de/fileadmin/redaktion/Weltanschauungen/Stellungnahme_zu_Open_Hands_EKKW_EKHN.pdf

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2023 ab Seite 04