Der synodale Weg des Papstes
Bei flüchtiger äußerer Betrachtung könnte man den „Synodalen Weg“ in Deutschland1 mit einem anderen großen Ereignis innerhalb der römisch-katholischen Kirche leicht verwechseln: der 16. Weltbischofssynode, die 2021 eröffnet wurde und 2024 ihren Abschluss finden soll. Diese steht nämlich unter einem sehr ähnlichen Motto „Für eine synodale Kirche“.
Bischöfe und Papst
Während aber der „Synodale Weg“ eigens neu erfunden wurde, weil er gerade keine Synode nach römischem Recht ist, erfüllt die Weltbischofssynode genau diese Bestimmungen des Canon 342 des Kirchenrechtes (CIC). Dort ist definiert, dass eine „Synode“ eine Versammlung von Bischöfen ist (und eben keine Laien beteiligt sind), die aus den verschiedenen Regionen der Erde zusammenkommen, um dem Papst mit ihrem Rat hilfreich beizustehen. Ihre Sache ist es zu beraten und Wünsche zu äußern, „nicht aber diese zu entscheiden“, solange nicht der Papst solches explizit beauftragt und dann in Kraft setzt (Can. 343 CIC). Das unterscheidet die Synode von einem Konzil, das selbst Entscheidungen treffen kann. Überhaupt ist so eine Synode ein Instrument des Papsttums: Er beruft ein, bestimmt den Tagungsort, wählt die Synodalen aus, setzt die Themen, bestimmt die Tagesordnung und kann sie jederzeit unterbrechen oder auflösen. Sollte der Apostolische Stuhl während einer Synode vakant werden, stoppt diese sofort automatisch, bis ein neuer Papst gewählt ist. Der bestimmt dann, wie es weiter gehen soll. Es gibt zwei Grundtypen: die Generalversammlung betrifft Fragen der ganzen Weltkirche, während die Spezialversammlung sich den besonderen Themen einer Region zuwendet (wie z.B. kürzlich die Amazonas-Synode).
Umfrage und Auswertung
Solche Bischofssynoden finden seit dem 2. Vatikanischen Konzil regelmäßig statt. Die Jetzige aber ist etwas Besonderes. Das beginnt damit, dass an ihrem Anfang eine breit angelegte weltweite Umfrage des Vatikan stand. Es wurden Fragebögen in sämtliche Diözesen weltweit geschickt und deren Antworten dann in Rom ausgewertet. Daraus entstand ein erstes Arbeitsdokument (Instrumentum Laboris 1 / Dokument für die kontinentale Etappe (DKE)). Dieses bildete dann die Grundlage für die 2. Phase dieses synodalen Prozesses. In dieser waren die Bischöfe aufgefordert, sich jeweils innerhalb ihrer Kontinente zu versammeln, dieses Dokument zu diskutieren und dazu Rückmeldungen zu sammeln.
Den Raum des Zeltes erweitern
Der Vatikan stellt die Auswertung der Rückmeldungen im DKE unter ein biblisches Wort aus dem Jesajabuch, in dem es darum geht, dass der Raum des Zeltes weit gemacht werden solle. Dieses biblische Bild wird dahingehend ausgedeutet, dass in der Kirche Veränderungen anstehen, auch Zeltstangen versetzt werden müssen, um auch diejenigen aufzunehmen, die in der Kirche dazu gehören, sich aber derzeit ausgeschlossen fühlen. Besonders genannt werden in dem Dokument: Priester mit Kindern, junge Menschen, Frauen, Menschen mit Behinderungen, wiederverheiratete Geschiedene, Alleinerziehende, Menschen in polygamer Ehe, LGBTQ, Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, Arme aus Randgebieten und – mittendrin in dieser Aufzählung – die Anhänger der lateinischen Messe (S. 20). Es steht wohl für den Versuch, auch diejenigen mitzunehmen, die all die anderen genannten Gruppen eigentlich nicht mitnehmen wollen.
Kontinentale europäische Versammlung
Diese kontinentalen Bischofssynoden haben im Februar/März 2023 stattgefunden. Die europäische Synode tagte vom 5.-12. Februar 2023 in Prag. Die Versammlung bestand aus zwei Gruppen. Ein größeres Plenum umfasste knapp 600 Personen, von denen 200 in Prag anwesend und 390 online zugeschaltet waren. Am Schluss der Versammlung berieten die 39 Vorsitzenden der verschiedenen europäischen Bischofskonferenzen noch unter sich. Das Abschlussdokument wurde am 15. Mai 2023 veröffentlicht. Darin wird ausdrücklich bemerkt, dass die Methodik des geistlichen Gespräches und aufeinander zu hören, der Atmosphäre sehr gut getan hat. Gleichwohl werden 7 Spannungsfelder markiert, zwischen deren Polen die Diskussion verläuft: „1) die Beziehung zwischen der Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums und dem Bezeugen der unendlichen Barmherzigkeit Gottes; 2) die Verbindung zwischen Treue zur Tradition und Aggiornamento; 3) die Liturgie im Leben der Kirche; 4) der Pluralismus des Missionsverständnisses; 5) die Fähigkeit, die Mitverantwortung aller angesichts der Vielfalt der Charismen und Ämter wahrzunehmen; 6) die Formen der Ausübung von Autorität in einer synodalen Kirche; 7) die Artikulation und Entfaltung von Vielfalt und Einheit und die lokal-globale Dynamik“ (DKE, S. 16).
Die nächsten Schritte
Aus den vorliegenden Abschlussdokumenten der verschiedenen kontinentalen Versammlungen hatte nun wieder der Vatikan die Aufgabe, ein gemeinsames zweites Arbeitsdokument zu destillieren, das als eigentliches „Instrumentum laboris“ für die folgenden Beratungen der Bischöfe auf Weltebene zur Verfügung steht. Dieses wurde am 20. Juni 2023 veröffentlicht.
Auf der Grundlage dieses Dokumentes findet im Oktober 2023 die eigentliche Bischofssynode als weltweite Zusammenkunft der Bischöfe statt. Ursprünglich sollte der Prozess damit seinen Abschluss finden. Aber Papst Franziskus hat wohl gespürt, dass das noch nicht reichen wird, um ausreichende Ergebnisse zu liefern. Darum wurde der synodale Prozess noch um ein weiteres Jahr verlängert und eine zweite Zusammenkunft aller Bischöfe im Jahr 2024 angesetzt, die dann erst Höhepunkt und Abschluss der Bischofssynode bilden soll.
Fazit
Im direkten Vergleich zum „Synodalen Weg“ in Deutschland sind die Dokumente der Weltbischofssynode insgesamt viel zahmer, weichgespülter und etwas belangloser. Die Heftigkeit der drängenden Probleme, die Notwendigkeit grundlegender Reformen und insbesondere die substanzgefährdende Dimension des Missbrauchsskandals kommen darin bei weitem nicht so deutlich zum Ausdruck. Daran konnte auch das Drängen von Bischof Bätzing nichts ändern. Das macht es verständlich, dass die Befürworter des Synodalen Weges sich eben nicht damit vertrösten lassen wollten, all ihre Anliegen auf der Weltbischofssynode verhandelt zu wissen.
Dennoch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in den bischöflichen Dokumenten mehrheitlich Veränderungsbedarf und -wille im Sinne von mehr Inklusion und Beteiligung des Gottesvolkes sichtbar wird. Man darf also gespannt sein, was die abschließenden Beratungen ergeben – und was am Ende Papst Franziskus aus diesem Ergebnis macht. Denn so ist nun einmal die hierarchische Konstruktion: All die Beratungen dienen letztlich (nur) dazu, Entscheidungen des Papstes vorzubereiten.
Harald Lamprecht
1 vgl. Confessio 1/2023, S. 18, www.confessio.de/artikel/1467
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